Sr. 12
Münchner kunsttechnische Blätter.
Lege dieselbe (Fleischfarbe) leicht an und
das Weiss ebenfalls. Anfangs leicht und
später verstärke die ersten (Striche) an den
stärker hervortretenden Teilen. So macht
man das Fleisch nach Panselinos.“
Es erhellt aus dem Obigen, dass durch diese
Art des Fleischmalens auf dem dunklen Proplas-
xnusgrund, die Gesamtanlage des gedämpften
Mitteltones (Glykasmus) und das allmähliche Ver-
stärken der Lichtpartien, ohne dass dieselben bis
an den Rand geführt werden dürfen, eine ge-
wisse Weichheit und Rundung entstehen muss.
Cennini (a. a. O.), der schon zu seinem dunk-
len Grundton etwas rotes Cinabrese mischt, ver-
stärkt deshalb nach dem Skizzieren nochmals die
zuriicktretenden Teile mit einem tiefen Ton, der
in Florenz Verdaccio, in Siena Bazzeo genannt
wird. Zuerst trägt er Verdeterra, also grüne
Erde auf. Da er mit Verdaccio alle Umrisse
(Nase5 Augen, Lippen und Ohren) verstärkt, so
wird dieses Verdaccio einem dunklen Braunrot
am meisten gleichkommen, mithin den Mischungen
von Schwarz mit Oxyd violett (§ 17) oder von
Umbra mit Bolus (§ 18) des Panselinos entsprechen
(Exedra des Theophilus K. XIII).
In der Mauermalerei folgt der griechische
Mönch genau derselben Ordnung des Fleisch-
malens (§ 61—64), beginnt mit dem nämlichen
grünlich-schwarzen Proplasmus und führt die Ar-
beit in der gleichen Weise durch. Cennini be-
ginnt auf der Tafel aber gleich mit grüner Erde
und etwas Weiss gemischt, modelliert mit Ver-
daccio wie auf der Mauer, und übergeht dann
diesen Grund mit den drei verschiedenen Fleisch-
tönen bis zum hellsten Licht (K. 147). Da Cen-
Jiini die Freskogrundierung noch einmal mit
Tempera übergeht, so ist er überdies in der
Lage? die ganze Skala der grünfarbigen Unter-
tuschung und der rötlichen Karnation mit deren
koloristischer Kontrastwirkung, auf welcher dieses
System vorzüglich beruht, zur Geltung zu bringen.
Auf diesen Umstand sei schon hier aufmerksam
gemacht, weil es als eine direkte Folge der
griechischen Manier des Panselinos angesehen
werden, muss.
Ueberblicken wir zum Schluss die Resultate
der obigen Zusammenstellung, so ergibt sich beim
Vergleich der Technik vom Berge Athos mit der
des Lucca-Ms., welches auf byzantischen Ursprung
surückführt, dass der Gebrauch von Wachs-
farben zur Malerei beiden gemeinsam ist. Der
Fischleim., den auch Theophilus noch anwendet?
ist im Äthosbuche nicht mehr genannt. Oele
und Oelfirnisse sind dieselben, wie bei allen
späteren Quellen. Die Pictura translucida
auf Zinnfolie fehlt in der Hermeneia, aber die ge-
erbten Firnisse sind erhalten. Die Miniatur-
technik ist unverändert die gleiche geblieben.
Von den Vergoldungsarten dient die Glanz-
vergoldung ausschliesslich für Tafelmalerei, die
Oelvergoldung für Mauer, Stein und Eisen etc.
Die Knoblauchbeize findet sich auch bei Cennini
wieder, ein Beweis, wie sich die Tradition der
„Greci“ in den ersten Jahrhunderten nach dem
Jahre IOOO erhalten hat; andere Dinge und
Materialien, wie Ei und Gummi zur Tempera, die
Bereitung von Farben und Lacken, Vergoldungs-
arten, Grundierungen etc., sind wahrscheinlich
vom Altertum bis in die spätere byzantinische
Zeit übernommen worden.
In dem folgenden Abschnitte wird gezeigt
werden, wie diese byzantinische Technik nach
Italien verpflanzt, dort festen Fuss fasste, sich
zur Vollkommenheit entwickelte, und dadurch die
Kunst der Frührenaissance in ihren grossen Zielen
unterstützte*).
Anhang.
Die Schilderung Didrons (S. 94 der Aus-
gabe von Schäfer) von der Technik der Wand-
malerei, die er auf dem Athos zu beobachten
Gelegenheit hatte, ist so interessant, dass dieselbe
hier im Wortlaute wiedergegeben sei:
„Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, dass ich
einen Teil dieser Rezepte und Verfahrungsweisen zu-
sammenfasse, indem ich einige Bemerkungen angebe,
die ich mir darüber gemacht, und die Unterredung er-
zähle, welche ich mit dem P. Joasaph, einem der besten
Maler vom Berge Athos, gehabt habe.
Das Folgende ist nämlich die Manier, nach wel-
cher ich in dem Kloster Esphigmenu durch den P.
Joasaph, durch seinen Bruder, durch einen der ersten
Zöglinge, welcher Diakon und der künftige Erbe des
Ateliers war und durch zwei Knaben von 12 und 13
Jahren habe Fresken malen sehen.
Der Portikus der Kirche oder Narthex, den man
bei unserer Durchreise malte, war eben gebaut: er
war mit Gerüsten umgeben, um die Fresken in der
Höhe des Gewölbes anbringen zu können. Arbeiter
bereiteten im Hofe unter der Leitung der Maler den
gemischten Kalk, der zum Ueberzuge dienen sollte.
Da man zwei Ueberzüge macht, so gibt es auch zwei
Sorten Kalk. Der erste, eine Art ziemlich feiner Mör-
tel, wird mit klein gehacktem Stroh gemischt, der ihm
eine gelbliche Farbe gibt; in den zweiten, der von
einer weniger groben Qualität ist, mischt man Baum-
wolle oder Flachs. Mit dem gelbfarbigen Kalk macht
man den ersten Ueberzug; er klebt besser an der
Mauer als der zweite; dieser ist weiss, fein und gibt
vermittelst der Baumwolle eine ziemlich feste Masse;
sie ist bestimmt, die Malerei aufzunehmen.
Die Arbeiter bringen also den gelben Kalk und
legen auf der Mauer eine Lage von ungefähr einem
*) Ueber die reichhaltige Literatur zur byzant
Kunstgeschichte vergl. Krumbacher, Geschichte der
byzant. Literatur, 2. Auf!. München 1897, speziell für
Malerei und Technik S. 1117 fif. Ein wertvoller Auf-
satz „Ein Blick in das Handbuch der Malerei vom
Berge Athos*1 von Hans Macht, ist in den Mitteil. d.
öst. Museums f. Kunst und Industrie in Wien. X. Jahrg
Heft XI (neue Folge), enthalten.
Das Werk von Buslaev (82russ.Bilderapokalypsen,
Moskau und Petersburg 1884) soll manchen Hinweis
auf die Malerbücher Hermeneia, Stoglaff, Podlinnik und
deren Technik enthalten (mir sprachlich nicht zu-
gänglich.)
Münchner kunsttechnische Blätter.
Lege dieselbe (Fleischfarbe) leicht an und
das Weiss ebenfalls. Anfangs leicht und
später verstärke die ersten (Striche) an den
stärker hervortretenden Teilen. So macht
man das Fleisch nach Panselinos.“
Es erhellt aus dem Obigen, dass durch diese
Art des Fleischmalens auf dem dunklen Proplas-
xnusgrund, die Gesamtanlage des gedämpften
Mitteltones (Glykasmus) und das allmähliche Ver-
stärken der Lichtpartien, ohne dass dieselben bis
an den Rand geführt werden dürfen, eine ge-
wisse Weichheit und Rundung entstehen muss.
Cennini (a. a. O.), der schon zu seinem dunk-
len Grundton etwas rotes Cinabrese mischt, ver-
stärkt deshalb nach dem Skizzieren nochmals die
zuriicktretenden Teile mit einem tiefen Ton, der
in Florenz Verdaccio, in Siena Bazzeo genannt
wird. Zuerst trägt er Verdeterra, also grüne
Erde auf. Da er mit Verdaccio alle Umrisse
(Nase5 Augen, Lippen und Ohren) verstärkt, so
wird dieses Verdaccio einem dunklen Braunrot
am meisten gleichkommen, mithin den Mischungen
von Schwarz mit Oxyd violett (§ 17) oder von
Umbra mit Bolus (§ 18) des Panselinos entsprechen
(Exedra des Theophilus K. XIII).
In der Mauermalerei folgt der griechische
Mönch genau derselben Ordnung des Fleisch-
malens (§ 61—64), beginnt mit dem nämlichen
grünlich-schwarzen Proplasmus und führt die Ar-
beit in der gleichen Weise durch. Cennini be-
ginnt auf der Tafel aber gleich mit grüner Erde
und etwas Weiss gemischt, modelliert mit Ver-
daccio wie auf der Mauer, und übergeht dann
diesen Grund mit den drei verschiedenen Fleisch-
tönen bis zum hellsten Licht (K. 147). Da Cen-
Jiini die Freskogrundierung noch einmal mit
Tempera übergeht, so ist er überdies in der
Lage? die ganze Skala der grünfarbigen Unter-
tuschung und der rötlichen Karnation mit deren
koloristischer Kontrastwirkung, auf welcher dieses
System vorzüglich beruht, zur Geltung zu bringen.
Auf diesen Umstand sei schon hier aufmerksam
gemacht, weil es als eine direkte Folge der
griechischen Manier des Panselinos angesehen
werden, muss.
Ueberblicken wir zum Schluss die Resultate
der obigen Zusammenstellung, so ergibt sich beim
Vergleich der Technik vom Berge Athos mit der
des Lucca-Ms., welches auf byzantischen Ursprung
surückführt, dass der Gebrauch von Wachs-
farben zur Malerei beiden gemeinsam ist. Der
Fischleim., den auch Theophilus noch anwendet?
ist im Äthosbuche nicht mehr genannt. Oele
und Oelfirnisse sind dieselben, wie bei allen
späteren Quellen. Die Pictura translucida
auf Zinnfolie fehlt in der Hermeneia, aber die ge-
erbten Firnisse sind erhalten. Die Miniatur-
technik ist unverändert die gleiche geblieben.
Von den Vergoldungsarten dient die Glanz-
vergoldung ausschliesslich für Tafelmalerei, die
Oelvergoldung für Mauer, Stein und Eisen etc.
Die Knoblauchbeize findet sich auch bei Cennini
wieder, ein Beweis, wie sich die Tradition der
„Greci“ in den ersten Jahrhunderten nach dem
Jahre IOOO erhalten hat; andere Dinge und
Materialien, wie Ei und Gummi zur Tempera, die
Bereitung von Farben und Lacken, Vergoldungs-
arten, Grundierungen etc., sind wahrscheinlich
vom Altertum bis in die spätere byzantinische
Zeit übernommen worden.
In dem folgenden Abschnitte wird gezeigt
werden, wie diese byzantinische Technik nach
Italien verpflanzt, dort festen Fuss fasste, sich
zur Vollkommenheit entwickelte, und dadurch die
Kunst der Frührenaissance in ihren grossen Zielen
unterstützte*).
Anhang.
Die Schilderung Didrons (S. 94 der Aus-
gabe von Schäfer) von der Technik der Wand-
malerei, die er auf dem Athos zu beobachten
Gelegenheit hatte, ist so interessant, dass dieselbe
hier im Wortlaute wiedergegeben sei:
„Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, dass ich
einen Teil dieser Rezepte und Verfahrungsweisen zu-
sammenfasse, indem ich einige Bemerkungen angebe,
die ich mir darüber gemacht, und die Unterredung er-
zähle, welche ich mit dem P. Joasaph, einem der besten
Maler vom Berge Athos, gehabt habe.
Das Folgende ist nämlich die Manier, nach wel-
cher ich in dem Kloster Esphigmenu durch den P.
Joasaph, durch seinen Bruder, durch einen der ersten
Zöglinge, welcher Diakon und der künftige Erbe des
Ateliers war und durch zwei Knaben von 12 und 13
Jahren habe Fresken malen sehen.
Der Portikus der Kirche oder Narthex, den man
bei unserer Durchreise malte, war eben gebaut: er
war mit Gerüsten umgeben, um die Fresken in der
Höhe des Gewölbes anbringen zu können. Arbeiter
bereiteten im Hofe unter der Leitung der Maler den
gemischten Kalk, der zum Ueberzuge dienen sollte.
Da man zwei Ueberzüge macht, so gibt es auch zwei
Sorten Kalk. Der erste, eine Art ziemlich feiner Mör-
tel, wird mit klein gehacktem Stroh gemischt, der ihm
eine gelbliche Farbe gibt; in den zweiten, der von
einer weniger groben Qualität ist, mischt man Baum-
wolle oder Flachs. Mit dem gelbfarbigen Kalk macht
man den ersten Ueberzug; er klebt besser an der
Mauer als der zweite; dieser ist weiss, fein und gibt
vermittelst der Baumwolle eine ziemlich feste Masse;
sie ist bestimmt, die Malerei aufzunehmen.
Die Arbeiter bringen also den gelben Kalk und
legen auf der Mauer eine Lage von ungefähr einem
*) Ueber die reichhaltige Literatur zur byzant
Kunstgeschichte vergl. Krumbacher, Geschichte der
byzant. Literatur, 2. Auf!. München 1897, speziell für
Malerei und Technik S. 1117 fif. Ein wertvoller Auf-
satz „Ein Blick in das Handbuch der Malerei vom
Berge Athos*1 von Hans Macht, ist in den Mitteil. d.
öst. Museums f. Kunst und Industrie in Wien. X. Jahrg
Heft XI (neue Folge), enthalten.
Das Werk von Buslaev (82russ.Bilderapokalypsen,
Moskau und Petersburg 1884) soll manchen Hinweis
auf die Malerbücher Hermeneia, Stoglaff, Podlinnik und
deren Technik enthalten (mir sprachlich nicht zu-
gänglich.)