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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Neue Blätter für Gemäldekunde — Wien, 1.1922-1923

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Frimmel, Theodor von: Die Milliardenschätze Wiens in seinen Gemälden
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https://doi.org/10.11588/diglit.20642#0021

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DIE MILLIARDENSCHHTZE WIENS IN SEINEN GEMÄLDEN.

Mit Recht genoß die kunstfreudige Donaustadt seit mehr als einem Jahrhun-
dert den Ruf, hervorragende Schabe an Gemälden zu beherbergen. Genug alte
Stimmen reden davon, und die neuere Literatur bestätigt den guten Ruf. Kann
man auch heute noch Wien als schwerwiegende Gemäldebesißerin bezeichnen,
oder haben die neuesten Schröpfungen unseres Stocks an wertvollen Bildern
den guten Ruf vernichtet? Ich meine, daß die Verluste, so empfindlich sie auch
sein mögen, in Vergleichung mit den übrig gebliebenen Reichtümern wohl zu
verschmerzen sind. Wien bleibt noch immer eine Galeriestadt, die neben London,
Paris, Berlin, Newyork mit Ehren genannt werden muß. Es ist ja im Lauf der
Zeiten viel Wertvolles aus der Donaustadt weggekommen. Die Galerie des Prin-
zen Eugen ist seit langem in Turin zu suchen. Aus kaiserlichem Besiß gelang-
ten in der Zeit von 1800 bifl 1821 vorzügliche Gemälde nach Florenz. Kaiserin
Maria Theresia hat nach dem ungünstigen Ausgang der schlesischen Kriege
Gemälde nach Sachsen verkauft; als Geschenke der Kaiserin sind wertvolle
Bilder zu Bruckenthal und mit diesem nach Siebenbürgen gewandert. Die
umfangreiche Gemäldesammlung Truchseß Wurzach kam nach Württemberg.
Wir haben die Galerie Sebisch an Breslau abgegeben; die Iioser'sche Galerie
wanderte in vormärzlicher Zeit nach Prag. Die unschähbar wertvolle Galerie
Esterhazy wurde vom ungarischen Staat angekauft. Die Galerie des Dom-
kapellmeisters Preyer ging vor einigen Jahrzehnten erst übers große Wasser,
einige wichtige altböhmische Gemälde wurden noch unter Kaiser Franz Josef
aus der kaiserlichen Galerie fortgenommen und nach Böhmen geschafft. Aus
der Wiener Schönborn'schen Galerie sind der Rembrandt, die zwei Baidung
und der Holbein abgegeben worden, auch aus der fürstl. Liechienstein'schen
Galerie sind Verkäufe, freilich nicht solche von Hauptwerken zu verzeichnen.
Die Metternich'schen Gemälde sind aus Wien fortgekommen, die kleine Czarto-
rYski'sche Galerie, die nach Polen wanderte, ist unter den Verlusten nicht zu
übersehen, und kurz nach dem Waffenstillstände haben uns die Ifaliener kost-
bare Bilder aus dem Hofmuseum und aus der Galerie der Akademie der bilden-
den Künste entführt, von kleinen Verlusten gar nicht zu reden, die ich an
anderer Stelle aufgezählt habe*). Aber die Verluste wurden bis in die Zeit
des Weltkrieges herein durch so viele Vermehrungen des Gemäldebesibes
gedeckt, daß der große Grundstock des Gesamtbesihes sich ansehnlich genug

*) Vergl. „Der Sammler", herausgegeben von Lotar Brieger (Berlin, Verlag
Joachim Stern), Jahr 1918, Nr. 37 und 38 „Gemäldeausfuhr aus Wien" sowie
meine „Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen" einschließlich des Lexi-
kons der Wiener Gemäldesammlungen, überdies die Galerienlisten für Wien im
IV. und V. Band der „Studien und Skizzen zur Gemäldekunde".

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