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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Verres, Rudolf: Zu Meister Hans von Kolmar
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0051

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Zu Meister Hans von Kolmar

und zeigt braune Tönung. Der Baum, an dessen Fuß Maria sitzt, trägt eine Tafel mit der eingeschnittenen
Inschrift 1553.
HR
Das Berliner Kaiset Friedrich-Museum besitzt ein Relief mit dem schlafenden Johannes d. T. und
der Signatur HSR 1553 (Taf. 25, Abb. I)1. Die beiden Reliefs sind offensichtlich Gegenstücke gewesen. Das
Material ist das gleiche, die Maße stimmen beinahe überein — das Johannesrelief ist 20,75 cm hoch bei 16,00
bis 16,25 cm Breite2 —, und die Kompositionen sind aufeinander bezogen. Das geht bis in die Darstellungen
der Sonne, die sich auf dem Madonnenrelief als Zutat gegenüber der gestochenen Vorlage findet. Auch die
stilistischen Eigentümlichkeiten im einzelnen sind die gleichen: die sorgsame Schichtung der Steine am
Mauerwerk im Hintergrund, die ornamentale Ausbildung der Rauchfahnen.
Man darf demnach vermuten, daß die beiden Reliefs auf den Flügeln eines Altärchens einander gegen-
über ihren Platz gehabt haben, und zwar wohl in der Weise, daß jedes entweder einen ganzen Flügel oder die
Hälfte eines solchen einnahm; dementsprechend wird das Mittelstück die einfache oder die doppelte Größe der
beiden Reliefs zusammen gehabt haben.
Gegenüber dem Dürerschen Stich zeigt das Madonnenrelief vor allem weniger Betonung räumlicher
Tiefe in der Landschaft und körperlichen Volumens in der Gruppe. Die Körper, besonders die Köpfe und
Arme, sind mehr in die Fläche, ins Profil gedrückt. Noch stärker in Profilstellung ist die Figur des Täufers
auf dem anderen Relief gehalten. Bekanntlich ist eine graphische Vorlage für dieses nicht nachgewiesen. Man
kann, wie ich glaube, nunmehr annehmen, daß es zu dem Madonnenrelief für das fragliche Altärchen eigens
hinzukomponiert worden ist.
Ein Unterschied zwischen den beiden Reliefs liegt in den Signaturen. Auf dem neu aufgetauchten
beobachtet man zum erstenmal ein Monogramm aus den Buchstaben H und R; es ist außerdem, ebenso wie
die Jahreszahl, weniger sorgfältig geschnitten. Man könnte folgern, daß die Inschrift von einem Nachfolger
oder Werkstattgehilfen nachgetragen worden sei, der vielleicht überhaupt das unfertige Relief nach dem
Tode des Meisters vollendet habe. Es spricht jedoch nichts konkret für die Vollendung durch eine fremde
Hand. Einmal finden sich alle Stileigentümlichkeiten, die man bei dem Meister überhaupt beobachtet. Dahin
gehören die Querriefelung der Baumstämme, die schon seit dem zwar nicht signierten, aber dem Meister
mit Recht zugewiesenen Relief von 1510 mit dem schlafenden Krämer im Berliner Museum begegnet3,
ferner die gekurvten Rillen im Terrain, die man auf allen bekannt gewordenen Reliefs findet, und die
Vorliebe für parallel verlaufende Faltenzüge. Weiter aber hängt der ausführliche Wortlaut und die größere
Akribie in der Schrift des Johannesreliefs vielleicht damit zusammen, daß es sich hier um eine Darstellung
des Namenspatrons des Meisters handelte; die geringere Sorgfalt in der Signatur auf dem Marienrelief mag
demgegenüber die in dieser Spätzeit gewöhnlichere sein. Der Meister, der uns in seinen erhaltenen Arbeiten
erstmalig, und zwar bereits als fertiger Künstler, 1510 in dem erwähnten großen Relief des Kaiser Friedrich-
Museums entgegentritt, ist vielleicht 1553 bereits ein betagter Mann gewesen. Dafür spricht auch die ver-
mindere Qualität seiner Schnitzereien gegenüber den früheren Arbeiten. Es fragt sich, ob er überhaupt noch

1 W. Vöge, Die Deutschen Bildwerke 1910 Nr. 169.
2 Die Maße ausschließlich der Kastenrahmung, die zwar aus älterer Zeit, aber nicht ursprünglich zu sein scheint. Das
Madonnenrelief hat diese Rahmung nicht.
3 Vgl. Demmler in den Amtl. Berichten 35 (1914) Sp. 165 ff.

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