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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Nothnagel, Karl: Die Peterskirche in Gelnhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0087

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Die Peterskirche in Gelnhausen
Von Karl Nothnagel
I.
Die Peterskirche in Gelnhausen, schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts profaniert und in der Folge-
zeit ohne Verständnis nur nützlichen Zwecken dienstbar gemacht, ist erst in neuester Zeit von eingezogenen
Wänden und Stockwerkteilungen freigemacht worden, um wieder zum kirchlichen Gebrauch hergerichtet und
ausgebaut zu werden1. Infolge des Fehlens einer konsequenten Pflege geriet das Bauwerk in immer schlech-
teren Zustand — nach 1830 wurden die beiden Chortürme, angeblich als Sicherungsmaßnahme, niedergelegt —
und das vernachlässigte Äußere konnte nur dem Sachkundigen noch eine Ahnung von der Größe und Schön-
heit der ursprünglichen Planung vermitteln. Aber bereits im Mittelalter bei der Errichtung des Baues hatten
keine günstigen Umstände gewaltet. Er wurde erst spät und nach Unterbrechungen dürftig unter Dach
gebracht und ist ein uneinheitliches, durch moderne Zerstörung verunstaltetes Konglomerat aus Arbeiten ver-
schiedener Jahrhunderte. Bis vor kurzem war durch die Einbauten im Innern eine Gesamtbeurteilung unmöglich
gemacht, und die folgende Untersuchung, die in der Hauptsache dem ersten Plan der ganzen Anlage nachgeht,
wurde in wesentlichen Punkten erst durch die Freilegung des Raumes ermöglicht. Der Verfasser des Inventars
hatte bei seinen Untersuchungen noch mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, und kommt mit dadurch
in seiner Beschreibung, die sich außerdem jeder kunsthistorischen Würdigung enthält, zum Teil zu falschen
Ergebnissen.
Die Peterskirche ist eine dreischiffige basilikale Anlage (Taf. 43)2. Den östlichen Abschluß bildet das
Querhaus; es ist jetzt seiner Apsiden beraubt und wendet eine kahle, von mehreren Fensterreihen durch-
brochene moderne Mauer nach Osten. In nordsüdlicher Richtung ist es von einem durchlaufenden Satteldach
gedeckt. An das Querhaus schließt sich nach Westen das kurze, aus drei Jochen bestehende, flachgedeckte
Langhaus an: eine zum großen Teil in Bruchsteinmauerwerk aufgeführte dürftige Architektur ohne Gliederung
und mit groben Unregelmäßigkeiten, besonders im Inneren, an den verputzten Wandflächen etwa, oder in
der spitzbogigen Arkade, deren im Schnitt rechteckige Bogenfüße roh und ohne Vermittlung auf den runden
gemauerten Pfeilern aufsitzen. Diese haben nur zylinderförmige Fußstücke und statt der Kapitelle ring-
förmige Auskragungen. Der Anschluß der Arkade an die Vierungspfeiler ist ohne jegliche Rücksicht auf
schon Bestehendes vorgenommen. Kurz, in allem bemerkt man sofort eine sorglose und billige Ausführung.
Den Formen nach kennzeichnet sich dieses Langhaus, was auch durch historische Daten wahrscheinlich gemacht
wird, als ein Werk des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts, und interessiert in diesem Zusammenhänge
nicht; nur Teile der Seitenschiffaußenmauern sind älter.
1 Die neuere Literatur über die Peterskirche soll hier zusammengestellt und im folgenden nur mit den Namen der
Verfasser zitiert werden: L. Bickell, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Reg.-Bez. Cassel. Bd. I, Kreis Gelnhausen. Marburg 1901.
S. 71 ff. und Taf. 103 ff. W. Noack, Die Kirchen von Gelnhausen. Halle, Phil. Diss. (1912), Halle 1912, S. 3 ff. R. Hamann,
Deutsche und französiche Kunst im Mittelalter, II. Marburg 1925, S. 51 ff.
2 Grundriß des heutigen Zustandes: Bickell: Taf. 103.

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