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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Feurstein, Heinrich: [Rezension zu: Karl Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst, I. Band: Prinzipienlehre, Hilfsmotive, Offenbarungstatsachen]
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Hugelshofer, Walter: [Rezension zu: Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band I: Einsiedeln, Höfe, March]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0219

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und in Deutschland heimisch ist? Jedenfalls muß die ähnliche
Darstellung in der römischen Hauptkirche St. Croce die
deutschen Rompilger ebenso stark und frühe beeindruckt
haben wie das Schweißtuch Christi, das hinten in der alten
Peterskirche beim Eingang zu sehen war.
Bei der Behandlung des Gerichtsmotives kommt dem Ver-
fasser seine Vertrautheit mit diesem Sondergebiete wiederum
trefflich zustatten. Es wird festgestellt, daß die ersten Dar-
stellungen dieser Art merkwürdig genug nicht nur auf byzan-
tinischem Boden entstehen, sondern überhaupt erst im 10.
und 11. Jahrhundert, und zwar in der Reichenauer Maler-
schule, daß ferner das berühmte Gerichtsbild in Toricello
bei Venedig byzantinische Formbestandteile enthält, inhalt-
lich indes durchaus abendländisches Gedankengut verarbeitet.
In der inhaltlichen Würdigung des Jüngsten Gerichtes von
Michelangelo in der Sixtina setzt sich der Verfasser deutlich
gegen die Ansicht Sauers ab. Er findet, daß das Bild keines-
wegs m e h r an die kirchliche Tradition gebunden ist als viele
seiner Vorgänger, und daß die Darstellung reichlich mit
zeitlichen und logischen Unmöglichkeiten durchsetzt ist,
deren selbst ein Michelangelo nicht Meister wurde.
Eine Darstellung der in Deutschland seltenen Gürtel-
spende an den hl. Thomas findet sich auch auf dem Marien-
teppich auf Schloß Heiligenberg, über den eine ausführliche
Studie von Dr.J. Clauß im Freiburger Diözesan-Archiv vorliegt.
Wenn die eindrucksvollen Bildgedanken der Maiestas
Domini der karolingisch-romanischen Zeit mit den Evan-
gelistensymbolen gegen Berger und Baumstark (der an ägyp-
tische Vermittlung denkt) als selbständige Erzeugnisse abend-
ländischer Künstler erklärt werden, wird man den guten
Gründen des Verfassers gerne beitreten.
Im marianischen Devotionsbild wird dagegen mit Recht
der beherrschende Einfluß der byzantinischen Hodegetria und
Nikopoia auf die abendländische Gestaltung im hohen Mit-
telalter und späterhin scharf herausgearbeitet. Vor allem die
Vorliebe für thronende Madonnen erhält sich bis tief ins
15. Jahrhundert auch in Deutschland. Es ist bezeichnend,
daß die ältesten deutschen Gnadenbilder, z. B. auch in Alt-
ötting und Einsiedeln, ursprünglich sitzende Madonnen
waren. In Einsiedeln zeigen sämtliche alten Siegel und Pil-
gerabzeichen (die auf Glockenmänteln aufgeschmolzen noch
erhalten sind) die sitzende Jungfrau mit dem Kinde. Die
erste Abbildung der stehenden Madonna stammt aus
dem Jahre 1512, und das heutige Gnadenbild stammt der
Stilform nach aus dem Ende des 15. Jahrhunderts.
Daß der Verlag das Buch mit seinen zahllosen Abbildun-
gen glänzend ausgestattet hat, braucht nicht versichert zu
werden. Heinrich Feurstein
DIE KUNSTDENKMÄLER DER SCHWEIZ. Die Kunst-
denkmäler des Kantons Schwyz. — Band I. Einsiedeln,
Höfe, March. Bearbeitet von Dr. Linus Birchler.
Mit 16 Tafeln und 498 Abbildungen. Verlag von
E. Birkhäuser & Cie., Basel. 1927.
Dieser erste Band der schweizerischen Denkmälerauf-
nahme verdient in Bezug auf das ganze Unternehmen wie

für sich selbst die größte Beachtung aller interessierter Kreise.
Es gab bisher zu diesem Gegenstand nur die wertvollen, im
„Anzeiger für schweizerische Altertumskunde" abgedruckten
Notizen des um die Erforschung der schweizerischen Kunst-
denkmäler hochverdienten Züricher Professor J. R. Rahn, die
im Geschmack jener Zeit mit dem Ende des Mittelalters ab-
schlossen. Zusammen mit Joseph Zemp und Robert Dürrer
wurden dann die Kantone Solothurn und Thurgau gründlich
bearbeitet und in Buchform publiziert. Beide Bände, privater
Initiative entsprungen, vermögen wegen des Mangels ge-
nügender Abbildungen und der einseitigen Auswahl der
Denkmäler heutigen Ansprüchen nicht mehr zu genügen. Auf
der Grundlage Rahns bearbeitete Robert Dürrer das Gebiet
der beiden Halbkantone Ob- und Nidwalden. Im Verlauf die-
ser mehr als zwei Jahrzehnte dauernden, kürzlich zum Ab-
schluß gelangten Arbeit ist ein erschöpfendes Werk entstan-
den, das für dieses fruchtbare und interessante Gebiet als
abschließend bezeichnet werden muß.
Die maßgebenden Stellen, vor allem die schweizerische
Gesellschaft für Erhaltung historischer Kunstdenkmäler, sahen
ein, daß auf diesem Wege in absehbarer Zeit nicht an einen
Abschluß der Inventarisation zu denken sei. Es gelang schließ-
lich, das Unternehmen auf eine neue Basis zu stellen, einen
tatkräftigen Verleger zu finden, der Garantie für die wün-
schenswerte Ausstattung bot, und für den ersten Band den
geeigneten Bearbeiter zu verpflichten.
Dieser erste Band des neuen Unternehmens steht nun auf
der Höhe z. B. des bayrischen Denkmalwerkes, das in Bezug
auf die Grundsätze und das Format zum Vorbild genommen
wurde. Die Abbildungen sind sämtlich dem Text beige-
schlossen, so daß ein unhandlicher Tafelband wegfallen
konnte. Alle wissenschaftlichen Forderungen, die man bil-
ligerweise an ein derartiges Werk zu stellen gewohnt und
berechtigt ist, werden zu erfüllen gesucht. Sie werden so lange
nicht voll zu erfüllen sein, als nicht die Organisation des
Unternehmens auf den allein möglichen und ersprießlichen
Boden gestellt wird. Zur Zeit ist die initiative Stelle eine
private Gesellschaft, die auf staatliche und private Zuwen-
dungen angewiesen ist. Die photographischen und architek-
tonischen Aufnahmen werden von den je nach der Gegend
wechselnden, immer äußerst knapp honorierten Bearbeitern
geliefert. Die natürlichen Folgen dieser Grundlagen sind die
öftere Unzulänglichkeit und die allgemein erschwerte Zu-
gänglichkeit der Vorlagen außerhalb des Rahmens der Publi-
kation, sowie der fehlende Kontakt der verschiedenen Be-
arbeiter und der daher zu fürchtende Mangel an Konse-
quenz. Die einzig mögliche Lösung, nach der mit allen Kräf-
ten zu trachten ist, wäre die längst notwendige Schaffung
eines eidgenössischen Denkmalamtes beim schweizerischen
Landesmuseum. Dieses hätte neben der Wahrung der zahl-
reichen übrigen Aufgaben die Inventarisation mittels eines
geschlossenen, nicht zu großen Stabes wissenschaftlicher Ar-
beiter unter einheitlicher Leitung durchzuführen. Alle Auf-
nahmen wären von dieser Zentralstelle aus zu besorgen und
sollten zu späterer Benutzung in dessen Archiv fallen. Es ist
heute Niemandem, auch dem Begabtesten nicht, möglich, auf

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