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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Fritz, Herbert: Die Grundrisse des Freiburger Münsterturmes
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Karpa, Oskar: Oberrheinische Einflüsse auf niederrheinische Plastik des vierzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0025

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Oskar Karpa/Oberrh. Einflüsse auf niederrh. Plastik des 14. Jahrhunderts
blendung; es wurde auf der Füllmauer schlecht und recht ein ordentliches Lager geschaffen und ohne viel
Besinnen die neue Turmwand daraufgesetzt. Unter Berücksichtigung einer Bauverzögerung für die Ostwand,
weil an sie erst späterhin der Anschluß des Mittelschiffgewölbes zu vollziehen war, dürfen wir annehmen,
daß die drei übrigen Turmwände am Schluß der ersten Bauperiode den Beginn des Uhrgeschosses erreicht
haben, denn das Aufrichten des Glockenstuhles, das nachweisbar zwischen beide Bauperioden fällt, setzt die
Vollendung der West-, Nord- und Südturmwände voraus. Zugleich zeigt aber auch eine später erfolgte Ver-
änderung der östlichen Grundschwelle des Glockenstuhles, daß die Turmostwand z. Zt. seiner Anlage noch
nicht zur gleichen Höhe gediehen war wie die andern drei Mauern. Endlich liefern die Treppenanlagen ein
weiteres wichtiges Moment. Von der statischen Bedeutung der Treppentürme des Unterbaues wurde schon
gesprochen. Im zweiten Bauplane konnte der Meister dieser Nebenaufgabe der Treppen entraten. Die sym-
metrische Anordnung ist darum sofort aufgegeben. Dem praktischen Bedürfnis genügte eine Treppe vollauf.
Diese steht nun an keiner durch den Grundriß irgendwie vorbereiteten Stelle, sondern sie ist auf einer Aus-
kragung als Notbehelf angeordnet, und zwar geschah dies schon zu Beginn des Uhrgeschosses.
Damit dürfte das vorliegende Problem hinreichend geklärt sein. Der Freiburger Turm vereinigt in
sich zwei konstruktiv und auch in ihrem künstlerischen Wert streng getrennte Entwürfe, von denen der
erste, auf rein quadratischem Grundplan gezeichnet, uns in seinem Aufbau nur einen die Ausgeglichenheit
gotischen Könnens aufweisenden Normalturm gegeben hätte. Nach diesem Entwurf ist der Turm bis zum
fünften Geschoß, auf der Ostseite nicht einmal bis zu dieser Höhe, zur Vollendung gelangt. Der zweite Ent-
wurf steht konstruktiv höchstens so weit in Abhängigkeit von dem vorhandenen Unterbau, als dieser im
Zusammenhang mit dem völlig neuen Strebesystem nur noch eine rechteckige Standfläche für die veränderte
Achtecklösung abgab. Entsprechend der selbstbewußten Stilsicherheit der alten Meister nimmt aber der zweite
Entwurf architektonisch auf den ersten keinerlei Rücksicht; er macht uns jedoch mit einem Baukünstler von
überragender Gestaltungskraft bekannt, dem es gelang, gotischen Bauwillen zur höchsten Vollendung zu bringen.

Oberrheinische Einflüsse auf niederrheinische Plastik
des vierzehnten Jahrhunderts
Von Oskar Karpa
Die Bedeutung Straßburgs als großes künstlerisches Zentrum und Anreger im 13. und 14. Jahrhundert
ist seit langem erkannt. Vor einigen Jahren hat Otto Schmitt all die vielen, aber bis dahin immer für sich
isoliert bestehenden Feststellungen über die Einflüsse der Straßburger Hütte auf die Plastik im übrigen
Süddeutschland unter Hinzufügung eigener Aufdeckungen zu einem synoptischen Ganzen vereint* 1 und damit
die Abhängigkeit des süddeutschen Kunstgebietes von der elsässischen Bischofsstadt in ihrem ganzen Umfange
erkennen lassen. „Man sagt", so faßt Schmitt das Resultat seiner Untersuchungen zusammen2, „kaum zuviel
mit der Behauptung, daß die Straßburger Hütte ein volles Jahrhundert lang die Quelle der ganzen süd-

Der Aufsatz erscheint als Veröffentlichung des Xantener Dombauvereins.
1 Otto Schmitt, Straßburg und die süddeutsche Monumentalplastik im 13. und 14. Jahrhundert, Städel-Jahrbuch
1922, S. 109 ff.
2 Städel-Jahrbuch 1922, S. 116.

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