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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Nothnagel, Karl: Die Peterskirche in Gelnhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0088

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Karl Nothnagel

Einen einheitlicheren Eindruck gewähren, besonders im Inneren, die Ostteile, d. h. Querhaus und
Vierungspfeiler: sie sind die ältesten Partien des bestehenden Baues. Sie tragen rein romanischen Charakter
und lassen im Zusammenhang mit einigen Details des Langhauses den ursprünglichen Plan in ziemlicher
Deutlichkeit erkennen. Diesen Ostteilen ist ein, besonders nach Süden zu, wo das Gelände abfällt, sehr hoher
glatter Sockel unterlegt, der zum Teil aus Bruchstein, in seinen oberen Schichten aus Quadern aufgemauert
ist (Taf. 43). Dieser Sockel bildet die indifferente Unterlage, auf der sich erst die geformte Architektur erhebt.
Als deren unterstes Glied umzieht in stark betonter Horizontale ein reichprofiliertes Basisstück die Nord- und
Südseiten des Querhauses, während es im Osten infolge des Fehlens der Apsiden nach einem kurzen Stück
abbricht. Es tritt gegen den glatten Sockel zurück, und nur da, wo es sich um die Lisenen und Eckverstärkungen
der Oberwand verkröpft, reicht es fast bis an dessen Rand vor (Taf. 49, Abb. 4). Es setzt sich von unten aus zu-
sammen aus Platte, Absatz und kräftigem Wulst, der weit nach hinten zurückführt; darauf folgt wieder eine
Platte und das Profil der attischen Basis. Das ganze Gesims bildet mit seinen großformigen und im einzelnen
sehr artikulierten Gliedern einen außerordentlich kräftigen und feierlichen Übergang zu dem eigentlichen
Aufbau, dessen vertikale Glieder es durch die Verkröpfung schon in sich enthält und so aufs glücklichste als
Zwischenglied wirkt zwischen Sockel und oberer Architektur. Die Nord- und Südwand des Querhauses sind
durch eine Mittellisene und etwas breitere an den Ecken aufsteigende Verstärkungen in zwei Felder geteilt, in
denen, mehr der Mitte genähert, je ein Fenster sitzt. Diese Fenster sind einmal eingetreppt und dahinter in
die Wand eingeschrägt. In der Treppung stehen Säulen auf attischen Basen; über den Kapitellen setzen sie
sich als Rundwulst in der Archivolte fort. Die Mittellisenen brechen in Höhe der Fensterkapitelle, die Eck-
verstärkungen etwas höher unvermittelt ab. Das Mauerwerk auf der Nord- und Südseite und in den west-
lichen Abschnitten des Querhauses ändert sich in etwa gleicher Höhe und geht von tadellosem Quaderwerk
unten in Bruchsteinmauerwerk über. Die Mauern sind bis auf die Vertikalglieder heute verputzt und lassen
so nicht genau die Grenze der verschiedenen Mauertechniken erkennen. Die bis zu einer Höhe von etwa
20 m sich erhebenden Querhausfassaden sind weiter oben durch zwei in der Mittelachse übereinandersitzende
Fenster belebt; das untere ist ein rundbogiges Langfenster, das ohne jegliche Gliederung einfach in die Mauer
geschrägt ist; darüber im Giebel sitzt ein Rundfenster mit eingeschriebenem Sechspaß. Die Lisenen der Nord-
und Südwand und die Eckverstärkungen, die um die östlichen Ecken herumgreifen, sind an ihren Kanten
ins Rund aufgelöst. Diese Rundstäbe laufen unten in Pflöcke aus, die zum Teil als umgekehrte Würfelkapitelle
mit vertieftem Schild gebildet, zum Teil mit einem flachen Palmettenornament verziert sind (Taf. 49,
Abb. 3 und 4). Sowohl an den Lisenen wie an den Eckgliedern sind die Rundstäbe nicht bis oben hin geführt,
sondern hören in einiger Höhe unvermittelt auf.
Die Ostseite, die heute bis auf schmale Streifen an der nördlichen und südlichen Ecke aus einer
modernen Mauer besteht, war ursprünglich als die Hauptschauseite gedacht. Mit dieser Seite, der inneren
Stadt zugekehrt, beherrschte die Kirche den großen Obermarkt, der sich nach Osten gegen abfallendes Ge-
lände weit hinzieht. Wie die Ostseite noch vor etwa 100 Jahren aussah, lehrt ein Stich von J. E. Ruhl aus dem
Jahre 1831: die einzige Quelle für die Kenntnis der ursprünglichen Gestaltung (Taf. 43, Abb. I)3. Man sieht
darauf, an das Querhaus angebaut, zwei im Grundriß halbrunde Türme. Der südliche, der auf dem Stich offenbar
als besser erhalten charakterisiert ist, hat fünf Geschosse, von denen die beiden obersten sich über dem Dach des
Querhauses frei und vollrund entwickeln. Der nördliche Turm hat anstelle der beiden nur ein freies Geschoß.
3 Aus: Die Gebäude des Mittelalters zu Gelnhausen . . . von J. E. Ruhl (Frankfurt a. M. 1831).

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