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Repertorium für Kunstwissenschaft — 5.1882

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Ludwig, H.: Lionardo's Malerbuch: einige Bemerkungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.62026#0230

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Lionardo’s Malerbuch.

Einige Bemerkungen

von H. Ludwig.

Im 1. Heft 1882 der v. Lützow’schen Zeitschrift hat Herr Dr. Richter in
London allen denen eine Enttäuschung bereitet, die auf seine Ankündigung des
echten Lionardo’schen Malerbuchs die Hoffnung gegründet haben mochten, es
sei hiemit die vom Autor selbst geordnete und seit so vielen Jahren vergeblich
gesuchte Originalfassung gemeint. Zwar versichert Herr Dr. R. auch noch
auf der ersten Seite seines Aufsatzes, dass er die Frage, ob es möglich sei, das
Original aufzufinden, nachdem dieselbe für ihn lange eine brennende gewesen,
jetzt entschieden bejahen könne, doch erfahren wir unmittelbar darnach auf's
Ausführlichste , dass dieser Fund in weiter nichts besteht, als in eben jenen
in viele Hefte systemlos zerstreuten und mit Fremdartigem überall durchsetzten
Einzelnotizen, von deren Existenz man ja längst wusste, nur dass Keiner auf
das Auskunftsmittel verfiel, dieselben ein Buch zu nennen.

Die Auseinandersetzung der Gründe, vermöge deren ihm dies Wortspiel
nicht unerlaubt schien, beginnt Herr Dr. R. mit der Wahl einer unpassenden
Voraussetzung, nämlich damit, es habe sich in der Frage des Malerbuchs um
die Alternative gehandelt, ob die unter dem Titel »Tractat« veröffentlichten
Schriftstücke Originalaufzeichnungen Lionardo’s entstammten, oder nur Collegien-
heften der Mailänder Akademieschüler. So hatte die Frage aber gar nie ge-
standen, denn für Alle, welche die Arconati'schen Abschriften kannten, war
schon für die von Dufresne benützten Texte unanzweifelbar hewiesen, dass sie
sich, wenn schon nicht direct, von echten Originalen herleiteten. Seit aber
gar in unserm Jahrhundert die Quelle aller Abschriften verkürzter Fassung
der Cod. Vaticanus 1270, gefunden war, seit Schöne und Jordan die Aufmerk-
samkeit intensiver auf dieselbe gelenkt hatten, und sehr deutlich sprechende
Umstände auf Melzi's Theilhaberschaft an dieser, 18 Originalheftungen direct
entnommenen Compilation hinwiesen, konnte die Frage nur noch lauten: Ist,
in Anbetracht, dass eine mit solcher Autorität ausgestattete Schrift erklärter-
maassen nicht Lionardo’s Originalfassung wiedergibt, sondern sich mit einer
Zusammenlese systemlos zerstreuter Capitel begnügen musste, überhaupt auf
die Annahme der Existenz jener Originalfassung zu verzichten, oder ist es
dennoch möglich, dass Lionardo’s eignes Werk irgendwo zum Vorschein komme?
 
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