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Repertorium für Kunstwissenschaft — 5.1882

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Springer, Anton: Die Echtheit des Anonymus Comolli's
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https://doi.org/10.11588/diglit.62026#0425

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Die Echtheit des Anonymus Comolli’s.
Von Anton Springer.

Manchen Leser der neuesten Vasariausgabe mag es überrascht
haben, als er in ihr den anonymen Autor der Vita di Raffaello, welche
Comolli 1790 herausgegeben hat, »un scrittore contemporaneo d’incon-
trastabile autoritä« genannt und wiederholt sein Zeugniss (p. 369, 380)
angerufen fand. So scheint demnach Passavant’s Bemühung, den
Werth dieser angeblich ältesten Quelle für Raphael’s Leben auf das
rechte Maass zurückzuführen, erfolglos geblieben zu sein. Für die Er-
° kenntniss des Raphaelischen Lebensganges ist es allerdings ziemlich
gleichgiltig, ob man die Vita des Anonymus für echt hält, oder als
Fälschung nachweist. Sie bietet — und das ist für einen Zeitgenossen
Raphael’s bedenklich — nichts wesentlich neues, fördert unsere Kunde
in keinem einzigen erheblichen Punkte. Diesem Umstande muss es
wohl zugeschrieben werden, dass sich seit Passavant niemand um
den Anonymus Comolli’'s weiter bekümmerte. Jede Wissenschaft liebt
aber ein sauberes Gewand und so möge denn der hässliche Schmutz-
fleck, dass eine ganz durchsichtige Fälschung als echte Quelle galt und
wie Milanesi’s Beispiel zeigt, noch theilweise gilt, gründlich beseitigt
werden,

Bereits Passavant hat mit Recht hervorgehoben und darauf den
Vorwurf der Fälschung vorzugsweise gestützt, dass der Anonymus, die
angebliche Quelle, aus welcher Vasari geschöpft haben soll, Dinge be-
richtet, welche sich erst nach der ersten Ausgabe Vasari’s 1550 zu-
getragen haben. Der Anonymus erwähnt bereits die Statue des Jonas
in der Kirche S. Maria del popolo. Dorthin ist sie aber erst 1554 aus
der Werkstätte Lorenzetti's, wo sie noch Vasari sah, übertragen worden.
Und dennoch soll Vasari den Anonymus abgeschrieben haben. Denn
das steht fest: Entweder hat Vasari den Comolli oder dieser den ersteren

abgeschrieben. Es kommen bei beiden nicht bloss dieselben Thatsachen
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