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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 1
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Meister, Alfred: Cäsarius von Heisterbach als Mirakelerzähler: Vortrag gehalten auf der Generalsversammlung des historischen Vereins für den Niederrhein am 14. Mai 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0058

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ist, verliebt sieb in einen Witter nnd entkliebt
ans dem Kloster, legt aber ans dem Marienaltar
erst ibre 8cb1üsse1 nieder nnd bittet clie Ma-
donna nrn Dntscbnldignng. Später lässt sie ibr
Kitter sitzen nnd sie kommt ans clie Strasse,
io ^abre trieb sie sieb als Dirne nrnber, bis sie
encllicb eine gewaltige Kene erfasst nnd sie in
ibr Kloster znrückkebren will, nrn Luke zu
tbun. Dort wundert sie sieb sckon über den
krenndbcben Dmpkang; dann wirst sie sieb zer-
knirscbt vor dem Marienaltar nieder nnd siebe
da, die Madonna bängt ibr die Scblnssel wieder
nrn nnd erklärt ibr, sie selbst babe inzwiscben
ibre Stelle irn Kloster verseben und keine der
Tonnen wüsste, dass sie io ^abre kort gewesen.
Diese Oescbicbte ist viel zu köstlicb, als dass
sie ein verborgenes Dasein sübren konnte, sie be-
gegnet uns in äbnlicber Korin auck bei dein
gleicbzeitigen Oautier deLoinc^ in seinen Miracles
de la Vierge, nnd wird wobl als pikante Lonnen-
anekdote von Kloster zu Kloster weiter erzäblt
worden sein. Oder sollten die bösen Daien sie
weiter kolportiert baben? Oäsarius will sie
wenigstens von einern Möncbe ersabren baben,
der den Leicbtvater der Lonne zu kennen ibrn
versickert batte.
^ber ancb strafend erscbeint Maria wie irn
Dialogns. ^1s einrnal ein hunger Mann bocb-
rnütig an ibrern Altäre vorüberscbritt, da gab
sie ibrn einen solcben Hieb in den Lacken, dass
er seine verweigerte Verbeugung wobl oder übel
rnacben musste.
Dm die Menscben irn Deben von Dastern
abznscbrecken, wird ibnen von OLsarins recbt
drastiscb vor ^.ugen gesübrt, wie es den Daster-
basten irn lode ergangen sei. Die Kitter Dnd-
wig, Arnold nnd Leinricb v. Dos* batten irn
Deben nicbts anderes getban als kostspielige
lnrniere ab gebalten; nrn den Aufwand zu
decken, batten sie ibr Volk bedrückt. Dafür
müssen sie, wie in der Lage vorn wilden Mger
bei Detersbeim an der Maas, allnäcktlicb irn
lnrniere Kämpfen. — Die Deicbe einer Dran,
welcbe bei Debzeiten sieb nicbt eng genug
scbnüren konnte nnd sicb mit Ketten nnd
Lpangen bebing, wird in ibrem Orabe von
zwei 8cblangen nmscbnürt ankgekunden. Diner
Wucberin werden im Orabe von einer Lcblange
beständig Oeldstücke in den Mund geworfen,
weil sie so nnsrsättlicb nacb Oeld gewesen sei.
8ebr bäubg kebrt ancb das Motiv wieder,
dass direkt nacb dem lode in den Düsten die
Dämonen mit den Dngeln nm eine 8eels streiten.
Desbalb sollen wir uns büten, an der Labre
eines Verstorbenen Loses von ibm zu reden
oder zu denken; dadnrcb treten wir als Zeugen
gegen ibn ans, denn die Dämonen, die mit den
Dngeln in den Düften nm die 8eele badern,
bören es und berufen sicb daraus — gewiss

* I-,ibri VIII IVIirac. I, 34.

eine sebr naive Auslegung des Orundsatzes:
de mortuis nil nisi bene.
Die Oierigkeit, mit der die lenke! nacb der
^nscbannng des Mittelalters binter einer armen
8eele ber sind, wird uns in mebreren Oe-
scbicbtcben recbt drastiscb vor Tangen gesübrt.
Dinmal warteten sie gar nicbt, bis der betretende
Möncb tot war, sie sucbten ibn scbon ans seinem
Krankenlager ans, versucbten ibm die 8eele ans
dem Deib zu dreben und zerrten nnd stiessen
ibn durcb das ganze Laus bis in den Keller.*
In diesem Dalle wird er docb nocb zuletzt durcb
Maria gerettet, die wiederbolt nocb im letzten
Momente den leuseln eine 8eele entreisst. Dieser
Wettkamps um eine 8ee!e tritt immer ein, wenn
der 8ünder trotz seiner 8ünden eine grosse Ver-
ebrnng zur Maria gebabt batte: dann wird er
trotz der berecbtigten ^nsprücbe der lenke! vor
der Lölle bewabrt, er muss ^edocb im Lotkalle
nocb einmal zur Drde ans eine Keike von ^abren
zurückkebren, nm seine 8ünde zu büssen. Zeigt
uns das scbon die Lobe des Marienknltes, der
sicb nocb in vielen Leispielen, in denen sie
persönlicbe Dienste belobnt, wiederspiegelt, so
übersteigt vor allem eine Drzäblnng so ziemlicb
alles, was wir von der Übertreibung des Marien-
kultns im Mittelalter wissen. Ds bat sicb ein
Mann dem lenke! verscbworen, nm Keicbtnm
zu gewinnen. Der verlangt von ibm, dass er
Oott abscbwöre, nnd bereitwillig tbat es der
andere. Dann sollte er ancb Maria abscbwören,
aber das verweigerte er nnd das Qescbäkt kam
nicbt zustande, Maria aber vsrscbakkt ibm die
Verzeiknng ibres göttlicben 8oknes, er wird zur
weiteren Lelobnnng Universalerbe eines reicben
Mannes nnd erbält dessen einzige locbter zur
Dran — nnd das docb im Qrunde als Dokn,
weil er Maria böber als Oott gestellt batte,
^.ucb andere T^nswückse des Marienknltes knden
sicb bie nnd da zerstreut, selbst zu einem eigenen
Kicbterstnbl bat sie es in der ^nsckaunng der
Zeitgenossen des Oäsarins gebracbt.
Ost erscbeint der lenke! als der Oekoppte.
80 will der lenke! ^rianns einmal gegen eine
Krenzpredigt in der Menge agitieren.** Da wirkt
ibm der Kreozprediger eine geweibte 8tola nm,
nnd nun muss der lenkel gegen seinen Willen
das Kreuz predigen nnd dabei werden 800 Kreuz-
kabrer gewonnen. — Wir werden an den Danst
erinnert bei einem Jugendlieben Klosterscküler
in lrier. Dr sitzt nnd c^uält sicb damit ab, ein
Qedicbt anznkertigen, das der Magister als Aus-
gabe gestellt batte. ^ls er gar nickt damit
fertig wurde, verscbreibt er seine 8eele durcb
Landscblag dem lenkel, wenn er ibm belke.
Der lenkel macbt das Oedicbt nnd es wird so
scbon, dass der Magister Verdacbt scböpkt und
fragt, ob er das selbständig gearbeitet babe.

* I^ibri VIII IVIirac. I, 41.
** I^ibri VIII Illirac. II, 16.
37 b
 
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