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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 2
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Rüttenauer, Benno: Die Kunst auf der Gasse: Aus der Rokokostadt Würzburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0083

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^us der I^olcolcostLät Würrbur^.

Was meint er aber von dem ebenso originellen
wie naiven l^^mpanonbild des blordportals? Ist
das nicbt aucb irn böcbsten Orad anstössig?
Wird er das niebt ancb bald entkernen?
-i- *
-i-
OieWür^burgerOürger, die im vorvorigen^abr-
knndert, und scbon krüber, die alten Madonnen-
bilder durcb neue ersetzen liessen, batten irn
Qegenteil 2U unserem Vandalen ein sebr gutes
Oewissen. 8ie waren im tieksten davon über-
zeugt, an Ltelle eines Qeringeren ein besseres
2U setzen. Oie neuen Oilder waren kür sie
fraglos scböner, reicbsr, glänzender, berrlicber,
und mussten, wie jedermann, so aucb der
Himmelskönigin, der sie geweibt wurden, besser
geladen als die alten. Ond so wurde damals
die Abwendung vom ^.lten ein scköpkeriscb
wirksamer Faktor. Lin wakrer Wettstreit muss
entbrannt sein. t-Iicbt nur wollte )eder an seinem
Hause ein Oild baben, ^eder wollte aucb ein
gan2 einziges und womöglicb das scbönste be-
sitzen. Oaber die Menge und Mannigfaltigkeit.

Ond daber die grosse 8cbönbeit einer erkleck-
licben ^n^abl.
Wabrlicb, wenn man die wenigen übrig-
gebliebenen gotiscben Kigürcben, und es werden
nicbt die scblecbtesten übrig geblieben sein, mit
den Oildern der Renaissance und des Rokoko
vergleicbt, so begreift man die siegreicbe Macbt
des jeweils neuen Qescbmacks und neuen 8tils.
Xm ^ablreicbsten sind die Kokokobilder. Om
ibnen vollkommen gereckt 2U werden, darf man
seinen 8tandpunkt sozusagen nicbt aukserbalb
des 8tils nekmen und sicb durcb gewisse eigen-
tümlicbkeiten desselben stören lassen; man muss
bineintreten, bineindringen. Oann wird man
aber aucb entzückende 8ckönkeiten entdecken,
einen süssen Oiebreirr in den Köpfen, einen
unerscböpilicben Keicbtum der Oewegungsmotive
bei Mutter und Kind, eine bocbbeitere Musik
der Oinien, einen lustigen graziösen Humor
und eine ewig willkommene Augenweide in den
scbmückenden oder sz^mboliscben Oeigaben,
den 8ockelornamenten und Oaldackinen, den
getretenen Oracben, um Weltkugeln und Mond-
sicbeln sicb ringelnd, den Ongelsputten, die aus
Wolkenkauken purzeln und scbelmiscb ^wiscben
Mantelkalten bervorlugen. Icb verweise aus die
beigegebenen ?kotograpbien, die icb keineswegs
ausgewäklt babe, die mir der reine Zufall in
die Hände gespielt Kat. Ls liessen sicb gan?
ebenso gute bundertweis beibringen. Oie aller-
scbönsten sind nicbt einmal darunter, ^uk der
Oandstrakse nacb Kandersacker sind mir ?wei
Werke erinnerlicb, die nocb bock über die bier
nackgebildeten ?u stellen wären.
Oie grosse Mebr^abl dieser Oilder stammt
wabrscbeinlicb von der Hand „ersamer Hand-
werker". ^ls solcbe galten sie beim Oürger.
Oie Kunst war damals grösser, aber das Kunst-
gescbwät? war kleiner. Oiese Handwerker


-tus der ktolcolcostadt Wür^burA.

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