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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 4
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Waldner, H. August: Wie lässt sich die bergische Bauweise unserer Zeit anpassen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0256

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wack geblieben war. Wir seben dort, dafs
scbon Zo ^abre trüber als bei uns der Arbeiter
und der kleine Beamte ein eigenes, wenn aucb
kleines Hans als den erstrebenswertesten Besitx
ansiebt.
^Is viele unserer grossen Industriestädte nocb
Bauerndörfer waren, kannte inan in Bngland
scbon jene Kolonien, in denen sieb der spar-
sarne Kleinbürger und Arbeiter gegen mätsige
^bxablungen ein kleines Haus (cottage) erwerben
konnte, genau so, wie es bei uns seit etwa
io ^abren durcb staatlicbe oder städtiscbe Hille
oder durcb gemeinnütxige Vereine rnöglicb wurde.
Bs ist also ollenbar, dafs das Mietsbaus, vor
allein irn Bereicb gerrnaniscben Volksturnes,
nur ein Botbebelf ist, der urn so eber ver-
scbwinden wird, je scbneller und vollkommener
unsere Verkekrsmittel werden. Zinsbäuser gab
es scbon im alten Babylon und im alten Korn,
^.ber wer wobnte in ibnen? Biemals der freie
Bürger, sondern der aus allen bekannten Welt-
teilen xusammengelaufene Kübel, freigelassene
und entlaufene Lklaven, Kur? ein in jeder Be-
gebung inferiores krodukt derVülkervermiscbung,
das keine anderen lriebe und Ideale kannte,
als das berübmte „panem et circenses".
Bine Kasse dagegen, deren sicbsrstes kenn-
xeicben stets die unbedingte Betonung der freien
Individualität war, dis diesen Qrundbsgrikf ibrer
Weltaukkassung nie auf die Bauer verleugnen
konnte und verleugnen kann, wird sicb nie für
lange Zeit an ein so unfreies, nomadenartiges
Wobnen gewöbnen können, wie es die Ver-
bältnisse in unseren grolssn Ltädten bedingen
— was sage icb nomadenartig — selbst als
Bomade batte der Qermane einen Zeltwagen,
in dem er unbedingter Berrscber, der sein
Bigentum war.
In diesen Vorgängen liegt aucb die Brsacbe,
warum eine künstleriscbe Bestallung der Miets-
kaserne überbaupt ein Bnding ist. Ber Oeutscbe
bat niemals einen Begenstand künstleriscb ver-
edelt, der ibm indifferent war, dessen ideale
Bedeutung er nicbt im innersten Berxen spürte.
Wie könnte man es sonst vergeben, dafs
die Bermanen wie die stammverwandten Qriecben
ibre scbünsten Qottesbäuser xu der Zeit er-
bauten, wo der rein ideale Blaube am stärksten
und am tiefsten im Volke lebte, und wie könnte
man es erklären, dals mit der Bmwandelung
des Olaubens in pbilosopbiscbe Lüsterne aucb
die religiöse Kunst immer scbwindsücbtiger
wurde?
Mit dem Bürgerbause ist es nicbt anders.
In trüberen weiten baute jeder nur für sicb und
für seine Bacbkommen. Bas Baus war ibm
eine Verkörperung des Qeistes, des Woblstandes
und des Kunstsinnes seiner Bamibe. Br liefs
es daber so ecbt und scbön, so xierlicb und
reicb ausstatten, als er nur konnte, denn er
bokfte und wulste, dafs ibm Kinder und Kindes-

Kinder für diese ecbte und gediegene Arbeit
nocb lange nacb seinem lode danken würden.
Bas stimmte vielleickt nicbt mit den Qrund-
sätxen der Nationalökonomie, aber aus diesem
Sinns wurden Kunstwerke gesckailen, die wir
nocb beute bewundern.
Icb bin auf diese Qegenstände, die, streng
genommen, aufserkalb der Qrenxen unseres
lbemas liegen, näker eingegangen, um xu xeigen,
in welcbem Sinne wir den bergiscben Stil, wie
alle nationalen Bauweisen des deutscben Qe-
bietes, bei Beubauten anxuwenden baben. Bs
wäre gewits ein grolser Bnsinn, wenn man die
formalen Bigentümbcbkeiten des altbergiscben
Bauses für die Mietsbäuser in den Städten der
alten Qrakscbalt benutxen wollte. Qanx abge-
seben davon, dafs sicb diese Bauweise tecbniscb
nicbt xu einem solcben Zwecke eignet, wäre es
aucb künstleriscb ein Milsgrikf, nicbt weniger
tböricbt, als wenn man ein lingeltangel in
gotiscbem Stile erricbten wollte.
Die bergiscbe Bauweise ist und bleibt ein
Stil für das kleine Bürgerbaus, und xu diesem
Zwecke ist sie beute nocb gerade so gut ge-
eignet, wie vor 100—200 jsabren.
Bei dem kleinen Wobnbause, das ganx frei
stebt oder bei dem wenige Binxelbauten xu
kleinen Qruppen xusammengelalst und durcb
Brandmauern getrennt werden, ist der Binwand,
die scbieferbekleidete Bacbwerkwand sei xu
feuergelabrbcb, fast ganx binlallig.
Bs gebürt scbon eine ganx respektable äulsere
Brandwirkung daxu, um den Scbutx der unver-
brennlicben Scbieferbaut xu vernicbten, be-
sonders da, wo es sicb um senkrecbte Bläcben
bandelt, auf denen brennende lebe nickt baften
können. Bine solcbe Brandwirkung kann sicb
in Kolonien von kleinen Wobngebäuden nicbt
entwickeln.
Qleicbxeitig sind aber solcbe ^ulsenwände
wärmer und trockener, als Steinwände von der
doppelten Dicke.
Notwendig ist es allerdings, die Qrundrils-
bildung der Beubauten unseren veränderten
Bebensbedingungen anxupassen.
Bem bergiscben Bause aus der Zeit des
Barock und aucb den späteren Bauten der
Bmpirexeit kann man den Vorwurf freilicb nickt
macken, dafs sie bei all ibrer maleriscben
Scbönkeit bnster, eng und unbequem seien. Im
Begenteil, die Benster sind grols und reicklick
angeordnet, der Qrundrits ist klar und über-
sicktlicb aufgeteilt und die Qrölse der einxelnen
Bäume entspricbt fast immer aucb nocb unseren
^nsprücben. Von besonderem Beix ist die An-
ordnung derBingangskalle, die, meistens geräumig
angelegt, xugleicb die lreppe entbält. Berade
dieser Bauteil, welcker ungefäkr der im neueren
Bamilienbaus beliebten „Biele" entspricbt, ver-
dient es, bei Beubauten besonders berücksicbtigt
xu werden.

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