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Białostocki, Jan [Gefeierte Pers.]
Rocznik Muzeum Narodowego w Warszawie: In memoriam Jan Białostocki — 35.1991 [erschienen] 1993

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II. Ostatnie prace Jana Białostockiego
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Białostocki, Jan; Michalski, Sergiusz [Hrsg.]: Das Arnolfini-Bildnis als Deutungsgegenstand und als Deutungsansporn
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https://doi.org/10.11588/diglit.19643#0163

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gewesen sein, aber ais eine Darstellung, die zwei Menschen zeigt, die eine Ehe schliessen und
in einem malerisch genau beschriebenen Raum erscheinen, ist das Londoner Bild ein unicum.
Wie die Kenner es schon empfunden haben, ist es mehr ais ein Bildnis. Es ist wahr, dass wir
bei der Geburt einer neuen — profanen — Gattung dabei sind. Sie ist aber noch, sozusagen,
vollig in Sakralitat miteinbezogen. Es ist gerade der sakrale Kern, die Passion Christi, die
dem Bilde seinen Sinn gibt. Und wenn wir es so sehen konnen, gelten auch die altesten
Beschreibungen des Bildes ais Beweis, dass es so gedeutet wurde, namlich die von
Vaernewijck: „een trauwinghe van eenen man ende vrouwe die van Fides ghetrouwt
worden". Ja, die Gebarden des Eides und der Vereinigung der Hande berufen sich auf
die Treue, die das Wesentliche der Trauung war, aber es ist die Passion Christi, der
Hauptgegenstand ihres Glaubens, die zwischen den Arnolfini zu sehen ist und ihr Spiegelbild
mit Miniaturdarstellungen umgibt, die ihrem Verband die sakrale Weihe verleiht. Kann ein
solches Werk wirklich schon profan genannt werden?

Allistair Smith kommt am Ende seiner knappen Darstellung des Arnolfini-Bildes zum
folgenden Ergebnis: „Anstatt einen spezifischen Moment zu zeigen, symbolisiert das
Gemalde vielmehr eine Kontinuitat. Es bezieht sich auf das ganze Verhaltnis des Paares
zueinander: auf das Verlobnis, die Eheschliessung und auf ihr gemeinsames Leben zu Hause,
nicht nur an ihren Heiratstag. Die Gegenstande in dem dargestellten Innenraum und ihre
symbolischen Werte: Keuschheit (die durch den kleinen Besen bezeichnet wird), Treue und so
weiter, betreffen die ganze Dauer ihres gemeinamen Lebens und nicht nur einen Moment am
Anfang ihrer Ehe".

Smith vertritt einen Standpunkt, der dem von Bedaux vóllig entgegengesetzt ist. „Es ist
nicht moglich, dass die Szene und die Gestalten je so ausgesehen haben, wie sie in dem
Gemalde aussehen"; „Jan van Eycks Bildnis des Arnolfini-Paares ist ein poetisches Gemalde,
und nicht eine Transkription der Wirklichkeit". „Indem er die Situation, die Aufstellung der
Figuren, den Faltenwurf, die Verteilung der Mobel erfindet, schafft Jan abichtlich und
geschickt gewisse Effekte".

Smith versucht sogar den Eindruck des Sakralen auf die angewandten kiinstlerischen
Mittel zuriickzufiihren: „Jans Farbę gibt dem Zimmer ein ubernatiirliches Gliihen, das die
Erfahrung so steigert, dass sie einen para-normalen Charakter annimt. Seine Details schaffen
eine ubernatiirliche Klarheit, eine statische Prazision, die von keinem menschlichen Auge im
wirklichen Leben aufgenommen werden kann, da das Auge immer in Bewegung sich
befindet, sich adaptierend und re-adaptierend". „Das Gemalde" — schreibt Smith —
„scheint das Leben einzufrieren und es ins Permanente zu verwandeln, in Wirklichkeit aber
erfindet es das Leben in einer solchen Weise, dass der Beschauer in dem Bilde «das
bereinigte und verewigte Leben» wahrnehmen kann".

Die zwei zuletzt angefiihrten Auffassungen, die im letzten Dezennium entstanden sind,
prasentieren zwei ausserst verschiedene Standpunkte zum Problem der Symbolik und ihrer

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