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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 8.1915

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Nr. 1 (Jan. u. Febr.)
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Reinecke, Paul: Altheim (Niederbayern), befestigte jungneolithische Siedelung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25478#0024

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lO

innere Ringgraben umschließt eine Flâche von kaum 42 m NO—SW-Durch-
messer (die Länge der NW—SO-Axe kann vorerst nicht angegeben werden).
Den Eingang zur Siedelung fanden wir auf der Südostseite Über den äußeren
wie den mittleren Ringgraben führen in etwa 25 m Abstand je zwei (im
Graben ausgesparte) Erdbrücken mäßiger Breite. Ihnen entspricht bei dem
hier stark und mit dem Südschenkel sogar in gebrochener Linie einspringen-
den inneren Ringgraben nur eine und zwar etwas breitere Torlücke, die ungefâhr
in der Mitte zwischen den beiden äußeren Durchlässen liegt. Zweifellos war
der Aushub der Grâben einst als Wall unmittelbar hinter den Einschnitten
aufgeschichtet. Beim Innenring trat dazu noch eine Mauer aus Lehm und
Holz (Gräbchen, große und kleine Pfostenlôcher; Lehmbrandeinfüllung im
Graben). Übrigens hat die Pflugkultur seit Jahrhunderten an dieser Stelle
das ursprüngliche Niveau stark zerarbeitet und betrâchtliche Erdmassen vom
Südwestrande abgeschürft, um sie am Nordostrande bis Meterhôhe aufzutragen.
Das ist wohl auch die Ursache, weshalb sich das Innere der Befestigungsanlage
als auffallend fundarm erwies. Hier konnten wir bisher nur zwei bescheidene
Wohngruben feststellen, deren eine (mit Keramik der âlteren süddeutschen
Hügelgrâberbronzezeit), weil wesentlich jünger, übrigens nicht zur befestigten
Siedelung gehôrt.

Desto ergiebiger an Funden waren die Ringgrâben, insbesondere der innere,
und bei den anderen die Partien neben den Toren. Um die kleine Befestigung
hat, bevor sie zerstôrt wurde, ein heftiger Kampf getobt. Uberaus zahlreiche
Feuersteinpfeilspitzen mit zumeist abgebrochener Spitze, Nester faustgroßer
Schleudersteinen (Gerôlle), in der Regel in wirrem Durcheinander liegende
Menschenknochen, wohl von nachtrâglich durch wilde Tiere verzogenen
Leichen der Gefallenen, die Brandeinfüllung des inneren Grabens, all das sind
stumme Zeugen dieses Dramas einer grauen Vorzeit. Die LTnmengen von
Tongeschirr im inneren wie mittleren Graben dtirften auch wohl andeuten,
daß bei diesem Kampfe selbst Tongefäße auf den anstürmenden Feind geworfen
wurden. Daneben fand man noch in einiger Fülle allerhand Stein-, Silex-,
Ton-, Knochen- und Hirschhorngerât, insbesondere im innern Graben.

Das Fundmaterial 1) dieser befestigten Siedelung ist durchaus einheitlich,
es hat ausgesprochen neolithisches Gepräge. Die Knaufhâmmer aus Stein
deuten auf jungneolithische Zeiten, ebenso die dreieckigen Pfeilspitzen, ein
flaches Kupfeibeilchen (ohne Randleisten), Pfriemen und ein Plâttchen mit
aufgerolltem Ende aus Kupfer oder zinnarmer Bronze. Die (beispielsweise im
Kreise der Bandkeramik ganz fehlenden) dreieckigen Steinbeile von ovalem Quer-
schnitt erscheinen hier, was für die noch wenig klare Zeitstellung dieser Typen
wichtigist. Das Knochen- und Horngerât derSiedelungmahnt jedochan alteZeiten.

Größte Beachtung verdient die langsam aus den Scherben wiedererstehende
Keramik der Altheimer Siedelung (bis Mitte Februar 1915 waren bereits 120 Ge-
fäße ergänzt). Geritzte und Stich-Verzierung fehlt bei diesem Hausgeschirr so
gutwieganz, reichlich finden sich jedoch Zapfen, Buckel, Schnurôsen und Tupfen-
leistenrânder, vereinzelt auch andere plastische Elemente. In fast allen Einzel-
heiten verrät sich die Tonware als durchaus neolithisch ; aber trotz aller Anklânge
an alt- wie jungneolithischeTypen will bei diesen Henkelkrügen, Tassen, Bechern,
Flaschen, Schüsseln und Näpfen, Amphoren (âhnlich den schnurkeramischen)
und großen Vorratsgefäßen nichts mit irgend einer unserer gelâufigen neolithischen
Gattungen vollkommen übereinstimmen. Vielmehr handelt es sich bei dem Alt-
heimer Material um eine neue, selbstândige, unmittelbar der eigentlichen frühen

Die Funde werden im Museum in Landshut Aufstellung finden, Dubletten wird
auch die Prâhist. Staatssammlung in München erhalten. Ein wesentlicher Tei! der Mate-
rialien ist im Rôm.-german. Zentralmuseum in Mainz in Nachbildungen vertreten.
 
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