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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 8.1915

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Nr. 2 (März u. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25478#0046

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32

(Grab 47—88) ist der Prâhistorischen Zeit-
schrift vorbehalten. Außer dem Grab-
inventar werden noch 43 Einzelfunde vom
gleichen Gräberfelde,die wohl aus zerstôrten
Grabern stammen und sich gleichfalls im
Museum zu Weimar befinden, beschrieben.
Aus der gleichen Zeit besitzt Weimar noch
7 weitere Eundstellen und zwar Grâber in
der Kohlstraße, in der Bassenstraße, in der
Cranachstraße, am Bahnhof Oberweimar,
Funde vom Horn, Wohnstâttenfunde aus
der Brunnenstraße und aus der Marstall-
straße. Die Funde von diesen Stellen, die
sich teils in Weimar, teils in Berlin, einige
auch im Privatbesitz befinden, sind am Schluß
der Arbeit eingehend berücksichtigt. In der
der Aufzâhlung der Funde vorausgehenden
allgemeinen Übersicht ist auch das noch nicht
verôffentlichte Berliner Material verwertet.

Der Friedhof Iag anscheinend neben ei-
nem von der Stadt fortführenden Wege.
Eine Trennung der Grâber nach dem Ge-
schlecht fand nicht statt, auch eine regel-
mäßige Anordnung ließ sich nicht beobach-
ten. Auf 29 Männergräber entfallen 46
Frauengräber (einschließlich der Kinder-
grâber). Bei 10 Grâbern war das Geschlecht
nicht feststellbar. 3 Grâber enthalten Pferde-
bestattung. Die Belegung des Grâberfeldes
reicht von der zweiten Hâlfte des 5. Jahrhun-
derts bis in das 7. Jahrhundert. Somit stam-
men die âltesten Funde aus einer Zeit, in der
das thüringische Kônigreich noch in vollster
Blüte stand, wâhrend die jüngsten weit über
den 531 erfolgten Untergang desselben durch
die Franken hinausreichen. Da nun die
historischen Quellen über die Zeit der Blüte
des Thüringer Reiches fast vôllig versagen,
auch über den 531 erfolgten Untergang nur
trübe fließen, so bilden die vorgeschicht-
lichen Funde eine hôchst beachtenswerte
Ergânzung der historischen Überlieferung.
Auf rege Beziehungen zu dem Reiche Theo-
derichs des Großen weisen mehrere Funde
des Weimarer Gräberfeldes. Daß solche
bestanden, wissen wir auch aus der histo-
rischen Überlieferung, wie ja denn auch
der letzte Thüringerkônig mit einer Nichte
Theoderichs Amalaberga vermâhlt war.
Daß diese politischen Verbindungen von
solchen wirtschaftlicher Art begleitet waren,
lehren uns die Weimarer Funde. Auch auf
bestimmte historische Persônlichkeiten wer-
den wir durch sie hingewiesen. So schreibt
Götze einen silbernen Lôffel mit der In-
schrift Basenae dem Schatze der Gemahlin
Konigs Bisin Basina zu. Durch anderwei-
tige auf Funden befindliche Inschriften
erhâlt der Bestand der deutschen Runen-
denkmâler eine wesentliche Bereicherung.
Aus dem starken Hervortreten des gotischen
Elements in den Funden sowie aus der
reichen Ausstattung der einzelnen Grâber
glaubt Gôtze Weimar als die ehemalige
Residenz Hermanfrieds ansprechen zu dür-
fen, eine Annahme, die auf Grund neuerer

historischer Forschungen an Wahrschein-
lichkeit gewinnt. Daß es sich bei den
âlteren vor dem Jahre 531 anzusetzenden
Grâbern nur um solche des thüringischen
Volksstammes handeln kann, schemt ein-
Ieuchtend. Aber auch bei den jüngeren
nach 531 anzusetzenden Kriegergrâbern
fehlen jede auf fränkischen Einfluß deuten-
den Spuren. So fehlt bis auf einen Fall
die Wurfaxt (Francisca), die Hakenlanze
(Ango) und die Skramasax treten überhaupt
nicht auf. In gleicher Weise fehlen in
Weimar wie den anderen thiiringischen
F undstellen die bei den Morowingern so
beliebten tauschierten Eisensachen bis auf
geringe Ausnahmen, die aber erheblich
abweichen und nach anderer Richtung
weisen. Wâhrend wir aus geschichtlichen
Quellen nichts über das weitere Schicksal
des thüringischen Volkes nach seiner Unter-
jochung durch die Franken erfahren, kônnen
wir aus dem archâologischen Befunde er-
schließen, daß die Bevölkerung einschließ-
lich der Oberschicht unbehelligt sitzen blieb
und daß Thüringen sich wirtschaftlich
ziemlich frei von fränkischem Einfluß ge-
halten haben muß.

Bei der Charakterisierung der einzelnen
Funde bringt Gôtze für einige technische Ge-
sichtspunkte manche neue wertvolle Beob-
[ achtungen, wie denn Gôtze technischen
I Fragen seit lângerem besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet hat. Für die Lôsung
der Frage nach Herkunft der Kerbschnitt-
verzierung in der Vôlkerwanderungszeit
dürfte seine Beobachtung mit ausschlag-
gebend sein, daß die Ornamente nach Art des
Holzkerbschnittes in die Metallflâche einge-
schnitten wurden, daher nicht auf einer Nach-
ahmung gepreßter Bleche beruhen kônnen.

In der Keramik kann Gôtze drei Gruppen
unterscheiden. Die erste bildet eine Fort-
setzung der germanischen Keramik der
römischen Kaiserzeit, die zweite schließt
sich an die spätrömische Keramik an. Bei
der letzten zeigt sich eine merkwürdige, noch
nicht völlig geklârte Verwandtschaft mit der
mindestens 3 Jahrhunderte âlteren belgischen
Ware. Das zeitliche Fortschreiten bei der
Bestattung hat die Datierung von 3 Spinn-
wirteltypen ermöglicht. Als âlteste Form
erscheint eine dicke Scheibe aus Kalkstein.
Dann folgen polyedrische Wirtel aus Berg-
kristall, während großegrüne, weiß ornamen-
tierte Glaswirtel zu dem jüngsten Teil des
Gräberfeldes gehôren.

Das Werk ist mustergültig ausgestattet.
Eine Anzahl Abbildungen ist in den Text ein-
geschoben. die übrigen bringen 19 prachtvoll
scharfe Lichtdrucktafeln. Zwei besondere
Tafeln enthalten den Plan von Weimar mit
Einzeichnung der Fundstellen und den Plan
des Friedhofes. Die vorgeschichtliche Lite-
ratur erhält durch dies schône Werk eine
wertvolle Bereicherung.

Fahrenwalde. Martin Schultze.

Buchdruckerei von Jacob Lintz in Trier.
 
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