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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0042
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Frau und einer Nonne. Eine neue Abteilung im Zuge eröffnet ein junger Mann; Frauen
in weltlicher Tracht folgen, und endlich kommt ein dickwangiger König mit Lilienkrone,
Zepter und Reichsapfel. Unmittelbar hinter ihm eine männliche Gestalt in Mütze mit
der bezeichnenden Gesichtslinie Roberts. Alle ohne Ausnahme haben Heiligenscheine.
Es liegt natürlich nahe, in den gekrönten Figuren Bildnisse der königlichen
Familie zu sehen. In der Tat erblicken namhafte Forscher in dem Könige Karl II.,
hinter ihm seinen Sohn Robert, in der Königin seine Gemahlin Marie von Ungarn,
die Stifterin. Neben ihr vielleicht ihre Schwiegertochter Violante von Aragon, Ge-
malin Roberts (f 1302); neben dieser die Nonne Elisabet, Mariens Schwester, die
in S. Pietro-a-Castello Dominikanerin wurde (f 1303). Dem Könige Karl II.
folgt sein Sohn Filipp von Tarent (+ 1331!), die Frau dahinter ist eine seiner beiden
Gattinnen; vor dem Könige gehen Karl von Kalabrien (f 1328) und Marie von Valois.
Die Schwierigkeiten, die sich indes einer solchen Deutung (abgesehen von der stets
bedenklichen Ähnlichkeitsfrage) entgegenstellen, sind erheblich. Ein Teil der ver-
meintlichen Persönlichkeiten starb erst, als auch der letzte der Kavallinischüler längst die
Arbeiten muß beendigt gehabt haben. Ludwig von Tulus wird erst 1317 heilig
gesprochen, und doch erscheint er wie die meisten, die diese Ehre gar nicht erhielten,
mit dem Heiligenscheine im Paradiese! Dagegen wendet man ein, es sei nichts Un-
gewöhnliches, daß man einen noch lebenden Stifter mit unter die Seligen und Heiligen
versetzte. So wird anscheinend der Stifter Sekundian in Groß-St. Marien zu
Toskanella bei Viterbo behandelt; und Jotto hätte Heinrich Skrovegni in
Padua im Paradiese aufgeführt, freilich dies damit begründend, daß er seine Stiftung
der Jungfrau im Paradiese darbringt. Allein Skrovegni befindet sich offenbar noch
außerhalb des Kreises der Seligen; und es dürfte ohne Zweifel den kirchlichen An-
schauungen scharf entgegen sein, Lebende mit Heiligenscheinen ins Paradies zu ver-
setzen. Was daher vom anjoinischen Herrscherhause zur Zeit der Vollendung der
Freske noch lebt, darf man dort nicht hineinsuchen. Die Heiligenscheine aber
erklären wir uns so, daß sie nicht von den Künstlern selbst, sondern wohl oft von
Handwerkern angebracht wurden, die diese Arbeit mehr oder minder mechanisch
ausführten, wobei dann wohl der eine oder andere einen Heiligenschein abbekam,
den er im Paradiese ganz ebensowenig verdiente wie auf Erden.
Wir gelangen nun zu den seitlichen Feldern, die in der Höhe des Weltenrichters
sich befinden. Während das Mittelstück durch die Fensterrose begrenzt wird, dehnen
sich noch weitere Seitenfelder nach aufwärts aus, so daß den drei Feldern der Mitte
vier auf den Seiten entsprechen. Die Einteilung selbst hat sich, wenn auch nicht
genau nach den Vorschriften des Athosbuches, so doch wohl nach östlichen Vor-
bildern entwickelt. Links und rechts sitzen zunächst je sechs Apostel mit den Büchern
des neuen Bundes auf den Knien und ihren Marterzeichen in der Rechten. Darüber
befinden sich je sechs Profeten in Halbfiguren mit den breiten Schriftrollen. Ober-
halb ihrer Reihen entwickeln sich dann die verschiedenen Ordnungen der himmlischen
Heerscharen; sie setzen sich über die Decke von 1520 hinfort. Den krönenden Schluß
 
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