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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0125
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der kluge Alfons unter dem Schutze der hh. Michael und Georg. Ihnen weiht er
zwei feste Türme der Neuen Burg. Ferdinand I stürmt dagegen die Urstätte des
Heiligen auf dem Gargano, wofür denn Pontano, der ihn begleitete, in die Beschrei-
bung der unerhörten Gräuel des Königs das Idill der Grotte des Heiligen einflicht.
Um diese Zeit tritt also der Erzengel, der anderseits von Flandern aus in Spanien
heimisch geworden war, wieder in den Vordergrund, und aus dieser Zeit mögen
die beiden Tafeln stammen. Auf der ersteren (0,70 b : 0,80 h) ist er in der Hüfte
abgeschnitten auf Goldgrund gemalt. Ein schwarzer Brokatmantel mit rotem
Futter ist über der rechten Schulter in die Höhe genommen. Darunter erblickt
man die schwarze Rüstung. Die Rechte legt das Schwert anscheinend auf einen von
der Linken gedrehten Schleifstein. An den Schultern sitzen sehr hohe Flügel mit
hellem Schulterstück. Das Ganze ist so übersudelt, daß sich über seinen Stil nichts
sagen läßt. — Nicht viel besser ist sein Nachbar (124547. 0,46 b : 1,0 h). Vermut-
lich ist es gar kein Michael, sondern der hl. Adrian; denn es ist ein Ritter, der in
der Linken das Schwert, in der Rechten einen Ambos mit darauf liegendem Hammer
hält. Zu seinen Füßen kauert ein Löwe1).
Überblicken wir, was sich uns als Ergebnis unserer Wanderung durch die
neapolitanische Malerei flandrischer Eigenart darstellt, so finden wir, daß es eine ein-
heimische flandrisch-neapolitanische Schule nicht gegeben hat, sondern daß es sich
hier um die flandrisierenden Spanier handelt, die unter den Aragonen in Neapel
wirken. Von Meistern, wie Colantonio und Vinzenz Korso wissen wir nur, daß sie
die neue Technik des Malens, wie sie von Flandern aus sich verbreitete, gekannt
haben müssen, nicht, was sie gemalt haben. Zweifelhaft ist, ob sie Neapolitaner
waren. Beschränkten sie sich auf die Nachahmung der Nordländer, so werden
sich ihre Leistungen nicht viel von denen des Meisters der elf Tafeln unterschieden
haben. Immerhin wäre Colantonios Verdienst bedeutend genug, wenn er wirklich
Antonello von Messina in der neuen Kunst des Malens unterrichtet hätte. Daß es
an Vorbildern, die unmittelbar von Flandern eingeführt wurden, nicht gefehlt hat,
steht unzweifelhaft fest. Ebenso sicher ist es, daß die flandrische Art durch spanische
Künstler im Dienste der Aragonen oder über Sizilien nach Neapel gekommen sein
muß. Immerhin blieben sie hier ein fremdes Element, das sich mit der heimischen
Art nicht verschmolz. Diese, von jeher unselbständig, lehnt sich denn auch mit
größerer Vorliebe und in weit umfangreicherem Maßstabe an die italienische Kunst
1) Eine von Serra erwähnte zweiteilige Tafel des NM., die oben den hl. Michael den
Teufel erschlagend sowie den hl. Georg im Kampfe mit dem Drachen darstellt, unten
Kristus mit dem Lamm, habe ich ebensowenig gefunden, wie eine andere, die oben die Kreu-
zigung, unten eine Gottesmutter zeigt, der Beschreibung nach sich also auch in den spanisch-
flandrischen Kreis einreihen würde. — Das früher auch zur neapolitanisch-flandrischen
Schule gerechnete kleine Bild im NM., das ein gotisches Kirchen-Inneres darstellt, im Vorder-
gründe mit einer sitzenden Gottesmutter und einem Jesuskinde, das mit Beihülfe einiger
Heiliger sich in einem Bilderbuche belustigt, ist als ein Jugendwerk des Oberdeutschen
Konrad Witz erkannt.
 
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