305
Riberas künstlerischem Takt, der seine Farben mit denen der drei anderen großen Kor-
bilder in Übereinstimmung bringt1 * *).
Meisterhaft in der Zeichnung des vollendeten Aktes, dem warmen Goldton und
Leuchtkraft des Fleisches, der Lösung des Problems des kraftlos und im Tode ge-
brochen hängenden Körpers ist der hl. Sebastian des NM. (83978. 1,25 h: 1,00 b),
der ebenfalls aus S. Martin stammt und gezeichnet ist JUSEPE DE RIBERA
ESPANOL • F • 1651. Der aus dem gleichen Jahre und von demselben Orte stammende
hl. Hieronimus in Halbfigur mit der Feder, ebenfalls gezeichnet, ist schon oben
besprochen worden. Von einer Büßenden Magdalena aus dem Jahre 1651 weiß
uns Justi zu berichten. Er nennt sie eine hl. Maria Ägiptiaca: »Ein gealtertes, einst
schönes Weib; magerer Hals; oberer Brustknochen sichtbar; ihre großen stark hervor-
tretenden Augen, der einzige Rest ihrer früheren Schönheit, nach oben gerichtet. Die
Haare nicht aufgelöst, herabgestrichen und mit einem weißen Tuche zusammengebunden;
kurze Stirn; ärmliche Kleider«. Später, sagt August L. Mayer, zweifelte Justi das Bild
stark an, .seiner Gemeinheit wegen4. Und doch ist es so echt wie nur eins der be-
sprochenen Werke, und was wichtiger ist, so gut und so wenig gemein, wie jene!
Davon hätte sich auch Mayer sehr leicht überzeugen können, denn das schöne Werk
steht unversehrt und wohlerhalten im Komohause (N. 1440. 0,88 h:0,71 b), gez.
JUSEPE DE RIBERA ESPANOL . F • 1651 (Titelbild). Es ist eine Sinfonie in Braun:
vom Blondgelbbraunen der Brotstücke auf dem Tische über das schmutzig-braungraue
Lumpentuch am Halse bis zum tiefen Schwarzbraun der Haare. Dagegen steht nur
das pastose Rot der einst so liebedürstigen Lippen, das Bernstein des einst so üppigen
Körpers, die rötlich aufgelichteten, jetzt so verdorrten Hände. Und doch ist es noch
kein altes Weib, sondern nur die in Reue verhärmte Jugend. Der Busen war einst
voll, das Gesicht mit der niedrigen Stirn, in dem der schwellende Mund jetzt zu groß,
die Nase mit den großen Löchern über der langen Oberlippe zu stark, die im Tränen-
glanze noch tiefschimmernden Augen, die sehnend aufwärts schauen, zu groß er-
scheinen, hat üppigere Tage gekannt. Der Halsknochen tritt hervor, realistisch, ja;
aber nicht unschön. Die Hände liegen gefaltet auf dem Steine vor ihr: echt riberische
Hände, vorzüglich gezeichnet, etwas flockig gemalt, rot aufgelichtet, so rot, daß man
beim großen Finger der Linken an blutige Kasteiung denken muß. Davor der Schädel,
ein Paar Stückchen gebrochnes Brot: wie immer nur das notwendigste Beiwerk.
Der Hintergrund ist von einem schwach einfallenden Lichte spärlich erhellt: sonst
kommt alles Licht von vorn. Wohl erinnert der Kopf an den der Maria Magdalena
vom Jahre 1626 in Madrid (Ak. S. Fernando): dort aber ist noch tastende Jugend,
1) Massimos Vorbereitung zum Osterfest steht ganz unter dem Einflüsse Tie-
polos. Seine Farben sind das Beste am Bilde, das sonst über seine Kraft geht Die Figuren
haben schlechte Verhältnisse, und die Größe des Formates vergrößert auch seine Fehler.
Das Ab end mal ist nicht von Veronese, auch nicht von seiner Schule, sondern ein Fabrik-
bild in Nachahmung seiner Art. Die Fußwaschung (1.) ist wegen des Reflexlichtes schwer
sichtbar; gehört sie aber dem Karacciolo, so ist er hier erträglicher als gewöhnlich.
Rolfs, Geschichte der Malerei Neapels 20
Riberas künstlerischem Takt, der seine Farben mit denen der drei anderen großen Kor-
bilder in Übereinstimmung bringt1 * *).
Meisterhaft in der Zeichnung des vollendeten Aktes, dem warmen Goldton und
Leuchtkraft des Fleisches, der Lösung des Problems des kraftlos und im Tode ge-
brochen hängenden Körpers ist der hl. Sebastian des NM. (83978. 1,25 h: 1,00 b),
der ebenfalls aus S. Martin stammt und gezeichnet ist JUSEPE DE RIBERA
ESPANOL • F • 1651. Der aus dem gleichen Jahre und von demselben Orte stammende
hl. Hieronimus in Halbfigur mit der Feder, ebenfalls gezeichnet, ist schon oben
besprochen worden. Von einer Büßenden Magdalena aus dem Jahre 1651 weiß
uns Justi zu berichten. Er nennt sie eine hl. Maria Ägiptiaca: »Ein gealtertes, einst
schönes Weib; magerer Hals; oberer Brustknochen sichtbar; ihre großen stark hervor-
tretenden Augen, der einzige Rest ihrer früheren Schönheit, nach oben gerichtet. Die
Haare nicht aufgelöst, herabgestrichen und mit einem weißen Tuche zusammengebunden;
kurze Stirn; ärmliche Kleider«. Später, sagt August L. Mayer, zweifelte Justi das Bild
stark an, .seiner Gemeinheit wegen4. Und doch ist es so echt wie nur eins der be-
sprochenen Werke, und was wichtiger ist, so gut und so wenig gemein, wie jene!
Davon hätte sich auch Mayer sehr leicht überzeugen können, denn das schöne Werk
steht unversehrt und wohlerhalten im Komohause (N. 1440. 0,88 h:0,71 b), gez.
JUSEPE DE RIBERA ESPANOL . F • 1651 (Titelbild). Es ist eine Sinfonie in Braun:
vom Blondgelbbraunen der Brotstücke auf dem Tische über das schmutzig-braungraue
Lumpentuch am Halse bis zum tiefen Schwarzbraun der Haare. Dagegen steht nur
das pastose Rot der einst so liebedürstigen Lippen, das Bernstein des einst so üppigen
Körpers, die rötlich aufgelichteten, jetzt so verdorrten Hände. Und doch ist es noch
kein altes Weib, sondern nur die in Reue verhärmte Jugend. Der Busen war einst
voll, das Gesicht mit der niedrigen Stirn, in dem der schwellende Mund jetzt zu groß,
die Nase mit den großen Löchern über der langen Oberlippe zu stark, die im Tränen-
glanze noch tiefschimmernden Augen, die sehnend aufwärts schauen, zu groß er-
scheinen, hat üppigere Tage gekannt. Der Halsknochen tritt hervor, realistisch, ja;
aber nicht unschön. Die Hände liegen gefaltet auf dem Steine vor ihr: echt riberische
Hände, vorzüglich gezeichnet, etwas flockig gemalt, rot aufgelichtet, so rot, daß man
beim großen Finger der Linken an blutige Kasteiung denken muß. Davor der Schädel,
ein Paar Stückchen gebrochnes Brot: wie immer nur das notwendigste Beiwerk.
Der Hintergrund ist von einem schwach einfallenden Lichte spärlich erhellt: sonst
kommt alles Licht von vorn. Wohl erinnert der Kopf an den der Maria Magdalena
vom Jahre 1626 in Madrid (Ak. S. Fernando): dort aber ist noch tastende Jugend,
1) Massimos Vorbereitung zum Osterfest steht ganz unter dem Einflüsse Tie-
polos. Seine Farben sind das Beste am Bilde, das sonst über seine Kraft geht Die Figuren
haben schlechte Verhältnisse, und die Größe des Formates vergrößert auch seine Fehler.
Das Ab end mal ist nicht von Veronese, auch nicht von seiner Schule, sondern ein Fabrik-
bild in Nachahmung seiner Art. Die Fußwaschung (1.) ist wegen des Reflexlichtes schwer
sichtbar; gehört sie aber dem Karacciolo, so ist er hier erträglicher als gewöhnlich.
Rolfs, Geschichte der Malerei Neapels 20