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Nobilissima1) eine gute Übersicht über die Lehrer und Leistungen der Neapler
Akademie gibt, auf die wir den wißbegierigen Leser verweisen.
Daß unter den Leitern unser Landsmann Tischbein, dem neuerdings eine gute
Einzelschrift gewidmet worden ist, weitaus die bedeutendste Rolle spielt, ist zwar für
unser nazionales Empfinden erfreulich, wie wir denn auch mit Dankbarkeit der Tätig-
keit Hackerts, Angelika Kauffmanns, Kniepps, Anders usw. gedenken: allein
diese Talente nordischer Art bestimmen ebensowenig die Malerei Neapels wie sie ihr
zu einer neuen Blüte verhelfen können. Sie kommen nicht als Suchende, die ihre künst-
lerischen Ideale mit stärkerem bodenständigen Empfinden durchsetzen wollen, um dar-
aus etwas Neues, in seiner Art weiter Wirkendes zu schaffen, sondern sie sind leh-
rende Geber mit künstlerisch abgeschlossenen Idealen, ausgebildetem Können und
fremder Lebensanschauung. Was Wunder, daß die nicht eben übermäßig fruchtkräftigen
Keime, die sie in den seit Jahrhunderten durch künstlerischen Raubbau ausgesogenen
Boden Neapels senken, zu keiner Entfaltung kommen? Ihre Kunst, selbst nur eng
umgrenzt und ohne ursprüngliche Kraft, empfängt nichts mehr von der Erde, in die
man sie pflanzt, und kann sich nicht mehr mit tiefgreifenden Wurzeln in einem
lockeren Boden festsaugen, so daß daraus eine neue Wunderblume ersprießen könnte,
die etwa von deutscher wie italienischer Art das Beste böte. Es ist eine fremde, höfisch
gepflegte Kunst auf artfremdem Boden, dabei internazional gefärbt, wie es mit der Mode,
ja, wie es mit allen Kulturströmungen innerhalb eines bestimmten Gebietes der Fall ist.
Als eine klassizistisch fremde Pflanze bildet daher die akademische Malerei und was
auf sie in wirrem Durcheinander der Kunst der Achtzehnhundert in Neapel noch folgt,
keinen Gegenstand mehr für unsere Untersuchung. Denn, wenn auch in den früheren
Epochen Neapel stets von der Fülle des ihm aus der Fremde Zufließenden mitlebte,
so wurde doch dies Fremde bis zu einem gewissen Grade auf Neapler Boden hei-
misch und entwickelte sich in seiner Weise fort, ohne freilich jemals aus eigener
Kraft eine ragende Höhe zu erreichen.
SCHLUSS
Wie die Geschichte der Malerei Neapels mit den fremden Meistern von Rom und
Florenz — Kavallini und Jotto — einsetzte, so endet sie mit dem für unsere Zeit
großartigen Werke eines Fremden: den Fresken des deutschen Malers Hans von
Marees in der Bücherei des zoologischen Institutes im Nazionalgarten vom Jahre
1873. Ist es nicht bezeichnend, daß sie in Neapler Kunstkreisen so gut wie unbe-
kannt, jedenfalls aber bis heute ohne den allergeringsten Einfluß geblieben sind?
Und doch ist es unnötig, über ihren künstlerischen Wert noch ein Wort zu sagen:
dem stillen Kenner längst vertraut und dem Kunstfreunde bekannt als der großartige
1) IX, 71—77, 110—111, 125—126, 141—143. X, 1—5, 22—26, 53—56, 105—107, 124—
126, 138—141.
Nobilissima1) eine gute Übersicht über die Lehrer und Leistungen der Neapler
Akademie gibt, auf die wir den wißbegierigen Leser verweisen.
Daß unter den Leitern unser Landsmann Tischbein, dem neuerdings eine gute
Einzelschrift gewidmet worden ist, weitaus die bedeutendste Rolle spielt, ist zwar für
unser nazionales Empfinden erfreulich, wie wir denn auch mit Dankbarkeit der Tätig-
keit Hackerts, Angelika Kauffmanns, Kniepps, Anders usw. gedenken: allein
diese Talente nordischer Art bestimmen ebensowenig die Malerei Neapels wie sie ihr
zu einer neuen Blüte verhelfen können. Sie kommen nicht als Suchende, die ihre künst-
lerischen Ideale mit stärkerem bodenständigen Empfinden durchsetzen wollen, um dar-
aus etwas Neues, in seiner Art weiter Wirkendes zu schaffen, sondern sie sind leh-
rende Geber mit künstlerisch abgeschlossenen Idealen, ausgebildetem Können und
fremder Lebensanschauung. Was Wunder, daß die nicht eben übermäßig fruchtkräftigen
Keime, die sie in den seit Jahrhunderten durch künstlerischen Raubbau ausgesogenen
Boden Neapels senken, zu keiner Entfaltung kommen? Ihre Kunst, selbst nur eng
umgrenzt und ohne ursprüngliche Kraft, empfängt nichts mehr von der Erde, in die
man sie pflanzt, und kann sich nicht mehr mit tiefgreifenden Wurzeln in einem
lockeren Boden festsaugen, so daß daraus eine neue Wunderblume ersprießen könnte,
die etwa von deutscher wie italienischer Art das Beste böte. Es ist eine fremde, höfisch
gepflegte Kunst auf artfremdem Boden, dabei internazional gefärbt, wie es mit der Mode,
ja, wie es mit allen Kulturströmungen innerhalb eines bestimmten Gebietes der Fall ist.
Als eine klassizistisch fremde Pflanze bildet daher die akademische Malerei und was
auf sie in wirrem Durcheinander der Kunst der Achtzehnhundert in Neapel noch folgt,
keinen Gegenstand mehr für unsere Untersuchung. Denn, wenn auch in den früheren
Epochen Neapel stets von der Fülle des ihm aus der Fremde Zufließenden mitlebte,
so wurde doch dies Fremde bis zu einem gewissen Grade auf Neapler Boden hei-
misch und entwickelte sich in seiner Weise fort, ohne freilich jemals aus eigener
Kraft eine ragende Höhe zu erreichen.
SCHLUSS
Wie die Geschichte der Malerei Neapels mit den fremden Meistern von Rom und
Florenz — Kavallini und Jotto — einsetzte, so endet sie mit dem für unsere Zeit
großartigen Werke eines Fremden: den Fresken des deutschen Malers Hans von
Marees in der Bücherei des zoologischen Institutes im Nazionalgarten vom Jahre
1873. Ist es nicht bezeichnend, daß sie in Neapler Kunstkreisen so gut wie unbe-
kannt, jedenfalls aber bis heute ohne den allergeringsten Einfluß geblieben sind?
Und doch ist es unnötig, über ihren künstlerischen Wert noch ein Wort zu sagen:
dem stillen Kenner längst vertraut und dem Kunstfreunde bekannt als der großartige
1) IX, 71—77, 110—111, 125—126, 141—143. X, 1—5, 22—26, 53—56, 105—107, 124—
126, 138—141.