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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 30.1912

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Schön, Theodor: Herzogin Maria Augusta von Württemberg, [22]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27735#0020

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16

schen ihren mehr nus den Qnellen
der Wollust hergeflossenen Schul-
den und denen der Herzog rnn des Kriegs
und anderer Kalamitäten Willen zu con-
trahiren genötigt war, ein merklicher
Unterschied obwaltet.

Auf Grund solcher einseitiger, von
konfessioneller Gehässigkeit diktirten Aus-
sagen über Herzogin Maria Augusta ist
noch bis in die neueste Zeit über die un-
glückliche Herzogin gerichtet worden.

Nennt doch die in Calw und Stutt-
gart 1893 erschienene württemb. Kirchen-
geschichte S. 480 Maria Augusta „sitten-
los", ohne auch nur mit einem einzigen
Worte dieses harte Urteil über diese Für-
stin zu begriinden, offenbar nur auf Grund
der Lbronigue ^canckalsuse des 18. Jahr-
hunderts.

Eben dieselben Leute, welche das
lustige, heitere, harrnlose Treiben des
Karnevals für eine Sünde erklärten und
leider auch heute erklären, haben sich unter-
standen. Maria Augusta sittenlos zu nen-
nen, haben den geineinsten Klatsch für
geschichtliche Wahrheit ausgegeben. Mit
dem gleichen Unrecht hat man Maria
Augusta, die, frommen Sinnes, die Pflich-
ten gegen ihre, die katholische Kirche er-
füllt hat, bigott und fanatisch genannt.
Maria Augusta hatte ihre Fehler, wie
alle Menschen. Sie konnte ihre Herrsch-
sucht und ihre Heftigkeit nicht zügeln.
Dieses teilt sie aber mit vielen, die in
Pracht und Glanz aufwachsen, denen
von Jugend auf jeder Wunsch ersüllt
wird, die von früh auf an Schmeicheleien
gewohnt sind. Neben diesen Fehlern, die
zugegeben werden müssen, zeigt aber
Maria Auqusta eine Reihe schöner, guter
Seiten. Da ist vor allem zu nennen die
treue Sorgfalt, mit der fie die Erziehung
ihrer Söhne überwachte, ihr reger Sinn
für Wissenschaft und Kunst — sie hielt
sich einen eigenen Hofmaler Weißkopf.
Dabei war sie leutselig, freundlich gegen
Hoch und Gering, wohltätig gegen die
Kirche und deren Diener. Trotz vieler
Schicksalsschläge, die fie getroffen hatten,
trotz vieler Kämpfe und Anfeindungen
bewahrte fie ihr heiteres Gemüt bis in
ihr Alter. Sie war eine große Freun-

din der Jagd, wie so viele fürstliche Da-
men im Rococco-Zeitalter. Die Freudcu
der Tafel verschmähte sie nicht Gerne
versammelte sie geistreiche witzige Män-
ner um sich, was natürlich auch wiever
zum Klatsch Anlaß bot. Jn deren Kreise
ließ sie oft ihrer heitern Laune alle Zügel
schießen, wodnrch sie sich auch Feinde
machte und Klatsch verursachte. Sie war
nicht mehr die Fürstin in Mitten von
Untergebenen, sondern nur eine Frohe
unter Frohen. Dabei war sie entschieden
dichterisch begäbt, sowohl in deutscher als
französischer Sprache. Leicht flossen ihr
improvisirt die Verse aus der Feder.
Auch redegewandt war sie, sehr belesen
und verfügte über ungewöhnliche, wissen-
schaftliche Kenntnisse.

Jhre Liebe zu ihren Kindern, speziell
zu ihrer Tochter, von der sie sich nicht
trennen konnte — denn daß sie aus
Eigennutz dieselbe nicht von sich geben
wollte, ist sicher nicht richtig — führte zu
einem Zusammeustoß mit ihrem Sohne
Herzog Karl Eugen, der von seiner Mut-
ter neben vielen guten Seiten, so Freude
an den Wissenschaften und Künsten auch
deren Fehler, Herrschsucht und Heftigkeit
geerbt hatte. Sie wurde so ein Opfer
ihres Selbstbewußtseins, ihrer leideuschaft-
lichen Energie und stürmischen Raschheit
uud starb als Staatsgefangene in Göp-
pingen, gerade wie ihre Tochter Augusta
Elisabeth Maria Louise, seit 3. Sept.
1753 mit dem Bruderssohn der Mutter
Fürst Karl Anselm v. Thurn und
Taxis (geb. 2. Juni 1733, i 13. Nov.
1807) am 4. Juni 1787 in dem damals
württembergischen Schloß zu Hornberg
gestorben ist.

Das vorstehende Lebensbild wird
hoffentlich das Bild der Herzogin Maria
Augnsta dauernd reinigen von den Flecken,
welche confessioneller Haß, Böswilligkeit
und Kritiklosigkeit ihr angeheftet haben,
und für alle Zeiten feststellen, daß diese
Ahnfrau des königlichen Hauses Württem-
berg zu deu bedeutendsten Frauengestalten
zählt, welche jemals auf dem Tron des
Hauses Württemberg gesessen haben und
daß das Haus uud Land Württeniberg
mit Stolz anf dieselbe zurückblicken kann.
 
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