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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 30.1912

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)28

kleinere MitteUungen.

Wasscrsnöten in Mm.

Von P. Beck in Ravcnsburg.

Ileberschwemlnungcn von der Donau sind
in II lm infvlge der Frühjahrs- und Herbstrcgen
nnd hauptsüchlich infvlge des Schnecganges von
der bci Ulm in-die Donau einmündenden Jllcr
her, einem ziemlich ivilden Gebirgsflussc, in Ver-
bindung mit ihrem raschen Laufe nichts Unge-
wvhnliches, wenn sie auch in neuerer Zeit durch
die foctgcsehten Strombauten und Correktionen
iveniger gefährlich und raschcr sich verlaufen.
Aus früherer Zeit kennt inan uainentlich dic
Ueberschwemmungen der Jahrc 1141, 1531, 1589,
in welch' letztgenanntem Jahre bei dem Gnns-
tor Alles flüchten mußte, und 16i6 als fchreck-
Uch. Die schädlichsten Ueberschwemmungen im
18. Jahrhundert waren in dcn Jahren 1710,
1740, 1760, 1778 nnd 1784. Jn den Jahren
1740 u. 1784 war die Donau anßerdem zuge-
froren, was sonst noch in den Jahren 1491,
1514, 1668, 1602, 1670, 1677 u. 1755 der Fall
gewesen sciu soll; i. I. 1568 dermaßen, daß
nian vom Gänstor unter der Donaubrücke hin-
durch bis an das „Teufelsstcglc" (Kvbelsteg)
gehen konnte. Jm vorigen Iahrhundert gab es
Ueberschwemniungen u. A. am 14. Januar 1840,
nm 30. März 1815 (niit dem höchsten Wasser-
stande von 5,5 ni); am 1. Jauuar 1847, am 19.
September 1853. nm 28.Z29. Oktober 1880 und
Endc des Jahres 1882. Zu den ärgsten Ucbcr-
schwennnungen zählte die vom 28 Febr. 1784,
welche noch von einem starken in der Jller ge-
bildeten Eisstvße begleitet war und bei welcher
auch die Briicke über die sogen. „kleine Donau"
weggerissen wurde. Es gibt davvn ein — anch
colvrirt ausgegebenes — radirtes Blatt vou dcm
Ulmcr Maler C. N. (odcr F. M.?) Kleemann
(15V2X21 cm) niit dcr Bezeichunng: „Vorstel-
lung von der den 28UI 1784 durch das An-
schwellen der Douau bci Ulm erfolgten Ueber-
schweinmung." Dersclbe Kleemann hatte von
dieser Begebcnheit ein später im Besitz des ch
Prof. Gust. Seuffer in Ulm gcwesencs Oelgemälde
<62X99 cm) niit hübscher Partieansicht der Stadt
Ulm nebst der alten Donaubrücke unter der Ve-
zeichnung gefcrtigt: „Wahrc Abbildung von der
dcn 28. Februar 1784 erfolgten grvßen Ucber-
schivemmung der Donau bei Ulm, nebft einer
wunderbareu Begebenheit (Rcttung) eines Zini-
mergesellen Math. Mich. Edelmnnn, welcher auf
einem Cisstoß die Donnu hinabgetrieben wurde.
Rechts oben die Darstelluug seiner Rettung durch
2 lllmer Schiffsleute. Wir lassen hier — zugleich
im Nachgang zu den von uns seinerzeit in Bir-
lingers Flemsnnia XVI S. 74—79 (1888) ver-
öffentlichtcn „älteren Ulmer Liedern — ein
als Flugblatt gedrucktes (4 SS., 2 Vll., 0. O.
u. I. u. Vf.) Lied aus und im Geschmack dicser
Zeit folgen, welches unter dcr Aufschrift: „Zu-
fällige Gedanken bei dem Anblick des großen
Wassers rc." über diesen Schreckenstag i»i Jahre
1784 nähere Kunde gibt:

Seht hier die Donau Haruisch frey
Wie rnuscht sie nicht bei uus vorbey:

Wie mancher glaubt, cs köiinte sein,

Daß sich die Süudfluth stelle ein.

Die Sonne schmelzt der Bcrge Schnee,
Daß Wasser thnt dem Eis sehr weh,

Es reißt sich von dcn Wänden los
Und setzt sich in der Donau Schooß.

Ganz wiithend, stolz des Wassers Kraft
Haus, Väunie, Vrücken mit sich rafft,

Die Menschen, Vieh und was da Icbt,
Vor Angst erzittcrt und erbebt.

Wie manches Haus steht ödc da,

Aus Furcht vor Wasser, das schon nah,
Dann, wann dasselbe kvmmt heran,
Niemaud demselben wehren kann.

Gott? Wclche Regung der Natur
Erkennet hier nicht deine Spur,

Der Allmacht und der Strafgericht':

Und sieh! Der Sünder hört doch nicht.

Ganz trotzcnd sieht er Feur und Naß;
Ia, er spricht kalt, was ist denn das,
Das ist natürlich, was wir sehn,

Das ist ja schon vielmal geschehn.

Viel geschehn, das ist schon recht,

So spricht erbost dcr höse Knecht;

Allein hör, daß zu deincr Pcin
Jhm Wind und Wasser dienstbar seyn.

Sprich nicht in deinem Herzen so,
Gedcnke an den Pharao,

Sein Herz war auch verstockt nnd blind,
Bis Mnnn und Roß ersvffen sind.

Dort lehrte Noah die Gefahr
Zuvor, hundert und zwanzig Iahr,

Der Sünden Menge einzusehn,

Und Gottes Strafe zu entgehn.

Iedoch sein Rath war auch umsonst,

Sie hielten es vvr blinden Dunst.

Sie lachten Noah Seincr Lchr,

Des Kastcn und auch Gottes Ehr.

Bis cndlich Noah ängstlich ricf,

Konimt, Freunde, geht mit mir zu Schiff,
Nun bricht des Herrn Zorn heran,

Kein Sündcr mehr entrinnen kann.

DicZ sag ich allen Spöttern vor,

Und wer's nicht acht, der geh' zum Thor,
Seh', wie die Brücke ruinirt,

Und draußen alles liegt verwirrt.

Gott! Ganz deinüthig liegcn wir
Als Sünder hier vor deincr Thür,

Und bitten dich demüthiglich,

Ach, hilf uns wieder gnädiglich;

Vring Segen wieder jedem Stand,

Ia, baue selbstcn unser Lnnd.

Daß die Vcrwüstung uns nicht schad',
Krön' uns aufs Neu mit deiner Gnad.

So wollen wir crlöst von Pein,

Dir hier wie dorten dankbar sein;
ppud fröhlich Dcinem großen Nanien
^in Halleluja singcn. Amen!
 
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