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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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Nr. 1
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Binder, Bruno: Die Kunst in Steiermark
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https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0028

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18

DIE KUNST IN STEIERMARK.
Von Bruno Binder, Graz.
Die Tür zur Steiermark ist Wien. Die Entwicklung unseres Kunstlebens
in den letzten Jahrzehnten ist ein Beweis dafür. Immer lernte Graz die neuen
künstlerischen Strömungen erst über Wien kennen. Was schon draußen ab-
gelehnt wird, ist in Graz überhaupt unmöglich. Dieses Hinter-der-Welt-
Stecken hat viele Künstler früher oder später schon aus dem Land gebracht,
selten aber einen herein geführt, denn Graz kann für einen Künstler nie
einen Erfolg bedeuten, auch wenn er das Beste leisten würde, ebensowenig
heute von unserer Stadt ein Anstoß zu einer neuen Bewegung je ausgehen
könnte. Die Provinz kennt keine Leidenschaften, keine exzentrischen Lebens-
schicksale oder wilde Boheme. Die Stadt und ihre Menschen leben in einem
ruhigen Rhythmus, der Jahre hindurch sich gleichbleiben kann. Da gibt es
keinen Wettkampf um den Stil wie in der Großstadt, der selbst die Größten
nicht zur Ruhe kommen läßt, denn in der Welt des großen Kapitals will
man Sensationen, Bewegungen, hinter dem Semmering lebt man aber noch
nach dem Muster der guten alten Zeit. Öffentlichkeit und die Stadtleute
haben wenig Sinn für die bildenden Künste, man geht lieber zehnmal in
ein und dasselbe Theaterstück als einmal in eine Ausstellung. Nur die
älteren Herren von der Kunst, die sozusagen zum Stadtinventar gehören,
erfreuen sich größeren Ansehens, und das gilt auch mehr ihrer Person als
ihrer Kunst, um die man sich weniger kümmert. Hier gelten noch familiäre
Beziehungen. Die können sogar einen „Erfolg“ entscheiden. Unsere Künstler
sind fast durchweg Professoren, das heißt, sie sind angestellt. Man dient
der Kunst mit stiller inniger Liebe, für die man die Feierstunde des Tages
aufbehält. Jeder von ihnen hat schon seine bestimmten Kunden, wie seine
bestimmten Farben und sein bestimmtes Kaffee. Man begibt sich nicht in das
Gedränge, das um die Anerkennung der großen Welt buhlt, gibt sich zu-
frieden, ist im Land bekannt und von seinen Leuten geschätzt. Nur Zoff,
Pauluzzi, Pamberger, Gollob, Damianos und Kirchsberg kommen noch nach
Wien, wo sie als geschätzte Gäste immer sehr willkommen sind.
Den Grundstock der steirischen Künstler bilden die „Epigonen“ der
alten Schulen, wie eines Alt, Defregger, Lichtenfels usw.
Eine Studie über die steirischen Künstler beginnt man am besten mit
Daniel Pauluzzi, der abseits von jeder künstlerischen Tradition steht. Er
sucht nach dem Einfachsten in Form und Farbe. In der Landesgalerie hängt
von ihm das großzügige Werk „Das Weib“, vielleicht nicht gerade sein
bestes, es zeigt ihn aber als tiefernsten Künstler, der seine Bilder erlebt.
Vor allem liebt er gern heiße Visionen einer faustischen Leidenschaft und
wenn er diese auch nur mit einem Farbflecken verraten kann. Wie Pam-
berger, Marussig, Damianos und Gruber hat der Krieg auch Pauluzzi zum
Kriegsmaler gemacht. Von ihm darf man erwarten, daß er über die Dar-
stellung des Tatsächlichen hinaus, die Epik dieses Kriegs zu schildern ver-
suchen wird, die Synthese dieses gewaltigen Dramas festhält. Daß ein Künstler
mit so großen Qualitäten in der Provinz zurückblieb, kann nur seiner Welt-
befangenheit zugeschrieben werden.
An die zweite Aufgabe der Kunst der Gegenwart, an die Darstellung
der sozialen Bewegung, wagt sich mit viel Geschick einer der Jüngsten:
 
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