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man einige Worte, unter denen „JONA“ ganz deutlich ist. Die gotische
Majuskel dieser Inschrift steht im Einklänge mit dem spätgotischen Geäste,
das sich auf der Rückseite [beziehungsweise Kehrseite] des Eichenbrettchens
gemalt vorfindet. Rückseite wie Vorderseite sind weiß gegründet und in
sorgsamer Weise malerisch geschmückt. Nach der Weise altniederländischer
Altarflügel ist die eine Seite bunt, die andere in Steinfarbe ausgeführt. Die
Rückseite unseres kleinen Altarflügels zeigt in grisaillenartiger Färbung einen
aufrechtstehenden heiligen Bischof in einer Nische, die oben in leicht ge-
drücktem Halbkreise geschlossen ist. Den Bogen füllt reiches gotisches
Geäste, das vorhin schon erwähnt wurde. Beide Seiten sind fein durch-
gebildet, so daß man wohl eine Verunstaltung der Rückseite bedauern muß,
welche durch das Hinschreiben von Inventarnummern vor Zeiten verschuldet
worden ist. Das Jonas-Bild wird man in die Zeit um 1500 zu versetzen
haben. [Das Bildchen stammt nachweisbar aus der kaiserlichen Galerie.]
Um etwa ein halbes Jahrhundert später ist eine altniederländische
Landschaft des seltenen Lukas Gassel entstanden. Das Bild ist datiert und
mit Gassels Monogramm versehen. In den alten Katalogen und Inventaren,
die sich für verschiedene Sammlungen aus dem vorigen Jahrhunderte er-
halten haben, wird man nicht selten die Gepflogenheit antreffen, gewisse
große Namen für alle möglichen Bilder gewählt zu sehen, wenn diese nur
irgendwie derselben Richtung angehören. Wie es mit diesen Tizians und
Raffaels bestellt ist, weiß man ja. Auch der Name Brueghel ist so ein Sack,
in den alles mögliche hineingestopft wurde. Nicht wundern kann es uns
also, auch die vorliegende Landschaft als einen „Brueghel“ im alten Inventar
verzeichnet zu finden. Das Künstlerzeichen aber darauf (L G zu einem
Monogramm vereinigt), ganz abgesehen von der Malweise, zwingt zu einer
präziseren Benennung, die keine andere als: Lukas Gassel sein kann. Das
Bild ist in mehrfacher Beziehung interessant, nicht nur durch die Datierung
„ . ANO . 1550 .“, die über dem Handzeichen steht, sondern auch durch
die Figuren, die hier einen anderen Charakter haben als auf dem mono-
grammierten Bilde von 1544 in der Brüßler Galerie und auf dem von 1548
in der Wiener Galerie. Sehen wir uns zunächst das niedrige Breitbildchen,
das auf Eichenholz gemalt ist, näher an. Eine hügelige Landschaft breitet
sich vor unserem Blicke aus. Vordergrund höher als der Mittelgrund. In
der Ferne eine lange Bergkette. Ein Dorf mit einem Schlößchen liegt im
Tale. Ganz vorn gegen links einige Figuren: Christus mit zwei Jüngern und
eine kniende weibliche Gestalt, wohl Magdalena. Ziemlich wohl propor-
tionierte Formen, die leider durch Putzversuche gelitten haben. Ganz rechts,
auf dem Wege etwas weiter zurück, ein Hirt, der einen weißen Widder
oder ein Lamm auf den Schultern trägt. Am Fuße eines Baumes ganz links
im Vordergründe gewahrt man eine Brombeerhecke. Die erwähnten Kleinig-
keiten sind nicht gleichgültig, da sie Analoga zu dem Gemälde des Gassel
in der Wiener Galerie bilden. Auch auf diesem erscheint im Mittelgründe
der Hirt mit dem Lamm auf den Schultern, und der Vordergrund weist die
Brombeerstaude auf. Was die Figuren des Vordergrundes betrifft, so sind
sie hier auf dem Bilde von 1550 entschieden besser geraten als auf dem
Brüßler Bilde von 1544 und auf dem Werke von 1548. Vielleicht haben
wir einen Fortschritt des Künstlers in dieser Tatsache zu erkennen. Auf
dem frühesten Bilde des Gassel, das ich kenne, auf der biblischen Land-
man einige Worte, unter denen „JONA“ ganz deutlich ist. Die gotische
Majuskel dieser Inschrift steht im Einklänge mit dem spätgotischen Geäste,
das sich auf der Rückseite [beziehungsweise Kehrseite] des Eichenbrettchens
gemalt vorfindet. Rückseite wie Vorderseite sind weiß gegründet und in
sorgsamer Weise malerisch geschmückt. Nach der Weise altniederländischer
Altarflügel ist die eine Seite bunt, die andere in Steinfarbe ausgeführt. Die
Rückseite unseres kleinen Altarflügels zeigt in grisaillenartiger Färbung einen
aufrechtstehenden heiligen Bischof in einer Nische, die oben in leicht ge-
drücktem Halbkreise geschlossen ist. Den Bogen füllt reiches gotisches
Geäste, das vorhin schon erwähnt wurde. Beide Seiten sind fein durch-
gebildet, so daß man wohl eine Verunstaltung der Rückseite bedauern muß,
welche durch das Hinschreiben von Inventarnummern vor Zeiten verschuldet
worden ist. Das Jonas-Bild wird man in die Zeit um 1500 zu versetzen
haben. [Das Bildchen stammt nachweisbar aus der kaiserlichen Galerie.]
Um etwa ein halbes Jahrhundert später ist eine altniederländische
Landschaft des seltenen Lukas Gassel entstanden. Das Bild ist datiert und
mit Gassels Monogramm versehen. In den alten Katalogen und Inventaren,
die sich für verschiedene Sammlungen aus dem vorigen Jahrhunderte er-
halten haben, wird man nicht selten die Gepflogenheit antreffen, gewisse
große Namen für alle möglichen Bilder gewählt zu sehen, wenn diese nur
irgendwie derselben Richtung angehören. Wie es mit diesen Tizians und
Raffaels bestellt ist, weiß man ja. Auch der Name Brueghel ist so ein Sack,
in den alles mögliche hineingestopft wurde. Nicht wundern kann es uns
also, auch die vorliegende Landschaft als einen „Brueghel“ im alten Inventar
verzeichnet zu finden. Das Künstlerzeichen aber darauf (L G zu einem
Monogramm vereinigt), ganz abgesehen von der Malweise, zwingt zu einer
präziseren Benennung, die keine andere als: Lukas Gassel sein kann. Das
Bild ist in mehrfacher Beziehung interessant, nicht nur durch die Datierung
„ . ANO . 1550 .“, die über dem Handzeichen steht, sondern auch durch
die Figuren, die hier einen anderen Charakter haben als auf dem mono-
grammierten Bilde von 1544 in der Brüßler Galerie und auf dem von 1548
in der Wiener Galerie. Sehen wir uns zunächst das niedrige Breitbildchen,
das auf Eichenholz gemalt ist, näher an. Eine hügelige Landschaft breitet
sich vor unserem Blicke aus. Vordergrund höher als der Mittelgrund. In
der Ferne eine lange Bergkette. Ein Dorf mit einem Schlößchen liegt im
Tale. Ganz vorn gegen links einige Figuren: Christus mit zwei Jüngern und
eine kniende weibliche Gestalt, wohl Magdalena. Ziemlich wohl propor-
tionierte Formen, die leider durch Putzversuche gelitten haben. Ganz rechts,
auf dem Wege etwas weiter zurück, ein Hirt, der einen weißen Widder
oder ein Lamm auf den Schultern trägt. Am Fuße eines Baumes ganz links
im Vordergründe gewahrt man eine Brombeerhecke. Die erwähnten Kleinig-
keiten sind nicht gleichgültig, da sie Analoga zu dem Gemälde des Gassel
in der Wiener Galerie bilden. Auch auf diesem erscheint im Mittelgründe
der Hirt mit dem Lamm auf den Schultern, und der Vordergrund weist die
Brombeerstaude auf. Was die Figuren des Vordergrundes betrifft, so sind
sie hier auf dem Bilde von 1550 entschieden besser geraten als auf dem
Brüßler Bilde von 1544 und auf dem Werke von 1548. Vielleicht haben
wir einen Fortschritt des Künstlers in dieser Tatsache zu erkennen. Auf
dem frühesten Bilde des Gassel, das ich kenne, auf der biblischen Land-