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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Fünftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0123

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Essig, entgehen musste. „Herz der Kunst“
ist der Reklametitel, mit dem ein Berliner
Kunsthändler sich von einer dienstbeflissenen
Feder in seinen eigenen Ausstellungskata-
logen feierlichst hat belehnen lassen. Es
gibt in Berlin nur einen Kunsthändler, der
so — bescheiden und so geschmackvoll ist:
Herwarth Walden, den Mann vom Sturm.
„Herz der Kunst“ zeigte im letzten Monat
die Ausstellung eines Russen, namens Puni,
der .... Aber „Herz der Kunst“ lässt ....
stolz verkünden, „dass Herwarth Walden
sich noch nie geirrt hat“. Gewiss, bei Puni
hat er sich auch geirrt. Selbst ein halb
blinder Mensch muss sehen, dass das, wie
Glaser sich ausdrückt, der „saure Kitsch“
ist... . Nein, „Herz der Kunst“ bleibt sich
ewig treu, „Herz der Kunst“ ....
Es ist selbstverständlich, dass einer, der den
Taifun geschrieben hat, Ihnen „leider zu
früh“ gestorben ist. Denn äusser diesem
Roman haben Sie wohl keines seiner Werke
gelesen. Ich würde also sagen: Sparen Sie
sich diese journalistisch abgenutzten Prasen,
— wenn ich Ihnen einen solchen Verzicht
zumuten dürfte. Es ist eine hässliche Vor-
stellung, Sie über den Tod eines begabten
Menschen Schmerz äussern zu hören. Haben
Sie sich um den lebenden Hermann Essig
gekümmert? Den Teufel haben Sie nach
ihm gefragt. Herwarth Walden und ich
haben an einem Abend mehr für Her-
mann Essig getan, als tausend Andere, die
ihm verpflichtet waren, in Jahren.
Und damit genug von Ihrem „leider zu früh
verstorben“, das Sie Anderen nachschreiben.
Aber freilich werden Sie es kaum eilig
haben, von mir zu erfahren, worin Ihre
Fälschung bestanden habe, da Sie es so
gut wissen wie ich. Und es tut auch nichts
zur Sache, ob es der Puni-Katalog war,
wie man nach Ihrer Darstellung annehmen
muss, oder ein anderer Katalog, aus dem
Sie bewusst falsch zitieren. So falsch, dass
man zweifeln könnte, ob Sie auch wirklich
aus jenem Katalog zitieren wollten, in dem
ein vor Jahren erschienener Aufsatz des
Kunstschriftstellers L. H. Neitzel abgedruckt
war. Und doch können es nur diese Sätze
gewesen sein:
„So sei Der Sturm zuerst ein Herz, worin
das ungebrochene Leben stürmisch schlägt.
Ein Herz, aus dessen Kammern und Vor-
höfen wundervolle Reichtümer an Kunst-

begeisterung und heiterem Schaffen leuchten.
Ein Herz und viele Menschen .... Herz
und Glaube sind der weiche Kern des
Sturm . . . .“
Und nun, Herr Westheim, lesen Sie nach,
was Sie aus diesen Sätzen gemacht haben
und lassen Sie mich hören, wodurch Sie
sich berechtigt glaubten, Neitzels Sätze so
grob zu entstellen, dass sie sich von einer
Fälschung durch nichts unterscheiden. Ihre
Wut darüber, dass Neitzels Aufsatz auch
ein Lexikon der Schimpfworte enthielt,
mit denen die deutschen Kunstkritiker einst
die neue Kunst empfangen hatten, diese
Wut ist keine ausreichende Entschuldigung.
Auch dann nicht, wenn Sie einige dieser
Schimpfworte als Ihr geistiges Eigentum
erkannt haben sollten, aus der schrecklichen
Zeit, da Sie noch für kein Kunstblatt zu
sorgen hatten. Aber ohne diese Textent-
stellung konnten Sie sich freilich eine
Ehrenkränkung des Sturm oder Waldens
kaum versprechen. Und auch das ist eine
Westheimiade, dass Sie erst ein Zitat nach
Belieben verändern müssen, um einmal
auf einem Dutzend Zeilen etwas Satirisches
zuwege zu bringen. „Herz der Kunst ist
der Reklametitel, mit dem ein Berliner
Kunthändler sich von einer dienstbeflissenen
Feder feierlichst hat belehnen lassen.“
Wenn nur der Mitarbeiter des Kunstblatts,
L. H. Neitzel, für diese Beleidigung Sie nicht
gelegentlich mit dem Stock behandelt. Sie
trauen wohl einem Kunstschriftsteller keine
eigene Meinung mehr zu? Und „feierlichst“
liess man sich belehnen? Und „belehnen“?
Sie wissen ja garnicht, was „belehnen“ be-
deutet! Nein, Herr Westheim, das sind
alles die unüberlegten journalistischen Re-
densarten, vor denen ich Sie schon so oft
gewarnt habe. Sie bringen damit Ihre
schwächliche Satire um die letzte Wirkung
und schädigen Ihr Ansehen — sozusagen.
Aber im Ernst, ich glaube nicht, dass Herr
Neitzel so viel Geduld mit Ihnen haben
wird wie ich. Weil er schon vor fünf
Jahren mehr von der neuen Kunst verstand
als Sie in den nächsten zehn Jahren be-
greifen werden, schimpfen Sie ihn eine
„dienstbeflissene Feder“ und lassen ihn in
der Frankfurter Zeitung blödes Zeug reden,
das ihn lächerlich machen soll. Sehen Sie
sich beizeiten vor. Schreiben Sie ihm,
klären Sie ihn auf und bitten Sie ihn um

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