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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Fünftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0126

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der Campendonks Werke jahrelang durch
den Sturm ausgestellt wurden, ist er end-
lich so vollkommen durchgesetzt worden,
dass selbst Sie ihn anerkannten und Zing-
lers Kabinett ihm ein vorteilhaftes Anerbie-
ten machen konnte. Diese Hartnäckigkeit
würde ich noch keinen ekelhaften Betrieb
und keine Frechheit nennen. Aber Ihnen,
Herr Westheim, scheint es zuviel gewesen
zu sein. Sie nennen Campendonk einen
Künstler, „den Der Sturm schon der Pro-
paganda nach, die er jahrelang für ihn
gemacht hat, nicht zu den Unwichtigsten
gezählt haben dürfte,“ „Schon der Propa-
ganda nach!“ Sie sind ein sonderbarer
Mensch. Entweder denken Sie verkehrt
ar
oder Sie schreiben verkehrt. Sie schlagen
den Esel und meinen den Sack. Dem Sturm
wollen Sie eins versetzen, aber Sie treffen
Ihren eigenen Schützling, wenn Sie die
Reproduktion seiner Holzschnitte eine Pro-
paganda nennen. Sie verraten, wie Sie
damals über diese Holzschnitte gedacht
haben, und Campendonk könnte Sie wegen
dieser verächtlichen Bezeichnung zur Rede
stellen, wenn er riskieren wollte, es mit
seinem Propagandisten Westheim zu ver-
derben. Mir wird er es nicht zugeben, dass
die Reproduktion seiner Holzschnitte und
seine Ausstellungen im Sturm eine Frechheit
und ein ekelhafter Betrieb gewesen seien.
Vielleicht ist er so liebenswürdig, uns eine
Aufklärung zu geben, unter welchen Um-
ständen man Ausstellungen und Reproduk-
tionen so titulieren darf.
Seeshaupt, 16. 1. 21.
Herrn William Wauer.
Sehr geehrter Herr.
.... Der Austritt aus dem Sturm geschah
. . . . lediglich, weil ich mich mit der
Produktion mancher neu hinzugekommener
Sturmkünstler nicht einverstanden erklären
konnte und ich das Empfinden hatte, dass
ich nunmehr auch die Verbindung . . . lösen
musste. — Am wenigsten einverstanden war
ich mit den Arbeiten von Ihnen und Nell
Walden, und zwar nicht aus dem Grunde,
weil Sie Plastiken machten und Frau N.W.
Bilder malte; dagegen hätte ich gewiss nicht
protestiert, aber mir schien es nicht ange-
bracht zu sein, dass allererste Versuche
von Leuten, welche bis dahin der bilden-
den Kunst . . . vollkommen fernstanden,
vom Sturm in einer für mein Gefühl über-

DiBLJOTflEK
L BERLIN
triebenen Weise propagiert wurden. Diese
Propaganda war es, welche mich erboste ...
Hochachtungsvoll Campendonk.
Was wollen wir zu diesen Aufklärungen
sagen, Herr Westheim? Noch haben wir
die Wahl. Wenn es Campendonk im Sturm
nicht mehr gefiel, warum sollte er ihm
nicht entlaufen? Glauben Sie, ich hätte
darüber auch nur eine Zeile geschrieben?
Nicht einmal wegen der paar Unwahrheiten,
die der Brief enthält. Denn es ist nichts
als Rederei, dass Der Sturm für Wauer
und Nell Walden eine übertriebene Pro-
paganda gemacht habe. Die Rederei wird
zum Geschwätz, wenn Campendonk hinzu-
fügt: „Für mein Gefühl übertrieben“, und
sie wird zum Gefasel, wenn dieses Gefühl
auch noch erklärt werden soll: „dass aller-
erste Versuche von Leuten, die bisher der
Kunst fernstanden . . . .“ Jetzt nämlich,
Herr Westheim, sind wir auf dem Grund.
Endlich wissen wir, was ein ekelhafter
Betrieb und eine Frechheit ist. Allererste
Versuche — aber ich will nicht kleinlich
sein. Ich will Campendonk auf diese Worte
nicht festnageln. Er hat es offen heraus-
gesagt, dass er mit Wauers und Nell
Waldens Bildern nicht einverstanden war.
Sie gefielen ihm nicht, diese sechs Zeich-
nungen Wauers und die eine Zeichnung
Nell Waldens. Und da entlief er dem
Sturm. Zu Zingler’s Kabinett in Frankfurt
am Main, das ihm vertragliche Garantien
gab, niemals einen allerersten Versuch in
die Nähe seiner Bilder zu hängen, zu stellen
oder zu legen. Das ist ein Standpunkt.
Der Campendonk hält etwas auf sich und
seine Nachbarschaft. Schund mag rechts
und links von ihm hängen, nur keine aller-
ersten Versuche. Er hat ja auch mit Ihnen,
Herr Westheim, einen Vertrag geschlossen,
dass Sie im Kunstblatt keine allerersten
Versuche reproduzieren. Sie haben es ihm
mit leichtem Herzen versprochen, weil Sie
nicht wissen können, ob ein allererster Ver-
such etwas taugt oder nicht. Es war ein
Standpunkt. Die sieben Zeichnungen ge-
fielen ihm nicht. Warum, geht Wauer
nichts an. Aber wenn er durchaus will,
soll er es erfahren: weil es allererste Ver-
suche waren. Ich will zum zweiten Mal
nicht kleinlich sein, „Allererste Versuche“
nennt man Bilder, die — sagen wir —
die Campendonk nicht gefallen. Ein aller-

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