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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Sechstes Heft
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Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [2]: Dichtung zwischen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0135

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Bin ich müde, werde ich weiter und weiter
vertrieben.
Ruhen Sie sich hier in meinem Hause.
Ich habe kein Geld. Ruhe ist kostbar.
Meine Fenster sind weit geöffnet. Und mein
Paradiesvogel aus dem Osten schwingt im
Geäst meines Mondbaumes. Sein Gezweig
umrankt das Kreuz. Glas spiegelt das
Schwingen.
Alle Gärten blühen neben meiner Strasse.
Mein Herz schwingt im Schweben meiner
Füsse. Meine Arme kreuzen meinen Leib.
Meine Augen sind weit geöffnet. Mein Herz
wacht strassab, strassab.
Hinter dem Hause verliert sich die Strasse.
Wenn einer fühlte, was ich möchte.
Ich will Dich auf meinen Schoss nehmen,
dass Dein Herz im Schweben ruhe.
Fühlt einer, was ich möchte. 0, ich bin
eine Tänzerin auf der Strasse. Blüht aus
Deinem Schoss ein Mondbaum, schweigt
Dein Paradiesvogel zur Nachtwach meines
Herzens. Dreissig Mark kostet die kostbare
Stande.
Pass auf, ein Wagen.
Die Strasse verliert sich hinter dem Haus.
Fährt der Wagen zurück, meine Füsse jagen
vorauf, meinem Schweben vorauf, meine
Kniee zittern in Deinem Schoss.
Das Bett ist unberührt. Haben Sie nicht
geschlafen.
Ich wachte in Ruhe neben dem Bett auf
der Erde.
Ihre Augen sind Klagen in alle Helle.
Ihre Augen sind Helle in meine Klagen.
Und klagt die Tänzerin auf der Strasse
Immer kommen Wagen, denen ich weichen
muss.
Das Leben führt zurück.
Ich eile voran bis zum Rande.
Sie können dem Leben nicht ausweichen.
Immer führt es zurück.
Glauben Sie an Gott.
Ich glaube an die Menschen.
Ich verachte die Menschen.
Sie glauben an sich*
Ich verachte mich. Weil alle Menschen
das Leben achten.
Leben ist Menschsein.
Sie sind von einem anderen Sterne.
Mein Stern ist die Erde. Ein Stern ist die
Erde. Man muss unter sich sein können.
Ich kann nicht leben auf der Erde.

Noch sind Sie fremd dem Leben.
Wenn mich doch einer lieben könnte.
Noch sind Sie fremd der Liebe.
Wenn ich doch alle lieben könnte.
Sind Sie Kind. Sind Sie Frau
Eine Tänzerin bin ich auf der Strasse.
Bleiben Sie.
Ich schwebe.
Ich halte Sie.
Haltlos bin ich.
Ich zwinge Sie.
Wenn einer wüsste, was ich möchte.
Komm auf meinen Schoss.
Ich liege auf der Erde.
Schoss ist die Erde.
Nun, hast Du Dir heute endlich die Uhr
gekauft.
Ich habe es mir anders überlegt. Wozu
kontrolliert man eigentlich die Zeit.
Zum Zeitvertreib.
Die Zeit vertreibt sich von selbst.
Nur, wenn man sie sich vertreibt.
Dir fällt es schwer. Du treibst Dich genug
dazu herum.
Das macht die Liebe mit ihrem Triebe.
Ich danke.
Friedel hofft jeden Tag auf ihren Sieg.
Mich ekelt es vor dieser Gemeinheit.
Du bist noch weit zurück mein Lieber.
Ich finde es unmoralisch, dass eine Frau
meinetwegen leiden soll.
Du verstehst Dich eben nicht auf Weiber.
Ich liebe die Schönheit der Frau.
Davon wird sie nicht satt, mein Lieber.
Ich werde stets die Frauen vor Euch Roh-
lingen schützen.
Frag mal eine Frau ehrlich. Je roher desto
besser.
Ich kenne keine Frauen.
Deine Kleine ist wohl geschlechtslos.
Ich habe keine Kleine.
Du kannst mir doch nicht einreden, dass
Du den guten Mond so stille angehst.
Willst Du mir helfen.
Ich habe Praxis in allen Lebenslagen.
Du darfst mich nicht auslachen.
Welche Karre hast Du denn verfahren.
Drei Tage warte ich vergebens.
Nur die Weiber laufen lassen, wenn sie untreu
sind, desto schneller kommen sie zurück.
Ich kann nicht ohne sie leben.
Du hast ja keine Ahnung, was Leben ist.
io7
 
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