zu solcher Überzeugung verholfen hat.
Freilich waren Sie damals noch ein ganz
kleiner Junge und machten von dem Vor-
recht der Jugend Gebrauch, auf den Händen
zu laufen und sich in dieser übermütigen
Stellung Kandinskys Bilder anzusehen.
Heute stehen Sie mit Ihren zwei Beinen
fest auf dieser wankenden Erde und
sprechen über Kandinsky, als ob Sie vor
ihm Respekt hätten, — was ich weder
tadle noch lobe. Ich verlange nicht, dass
Sie noch heute auf Kandinsky so lästerlich
schimpfen wie ehemals. Ich tadle Sie,
um es Ihnen zum hundertsten Mal zu sagen,
weil Sie fortfahren, Ihre Mei-
nungsänderung zu verschwei-
gen oder zu verschleiern. Jetzt
soll es aussehen, als ob Ihr früheres un-
überlegtes Drauflosschimpfen auf wohlbe-
dachte und tiefbegründete Bedenken aufge-
baut gewesen sei, die Sie noch heute teilen.
Hätten Sie vor neun Jahren so geschrieben
wie jetzt, so wären Sie zwar immer noch
nicht zu loben gewesen. Aber man hätte
sich damit begnügt, Sie zu denjenigen
zu zählen, die Kandinskys Grösse nicht be-
greifen können, die nicht einseben, dass
seine Kunst kein „romantischer Subjektivis-
mus ist, der im Vagen bleibt“. Der Ro-
mantiker und der Subjektivist sind nämlich
Sie und Ihr Sehen und Empfinden bleibt
im Vagen stecken. Musikkritiker pflegen
auch nicht sehr musikalisch zu sein, aber
sie können wenigstens Noten lesen. Sie
können nicht einmal das und so hat Ihr
ganzer Artikel, der so stolz begann und so
bedächtig verfasst war, nur nekrologische
Bedeutung. In siebenzig Jahren, wenn Sie
nach menschlicher Berechnung das Zeitliche
verflucht hat, wird Einer in der Schule
aufgerufen und gefragt werden: Woher
stammt die Redensart: Urteilen wie ein
Westheim? Und dann soll er das Jahr
nennen, in dem Westheim anfing, sich zu
Kandinsky zu bekehren. Aber der arme
Kerl hat vergessen, im Konversationslexikon
nachzusehen und nun muss er hundertmal
zuhause schreiben: Im Jahre 1921 fing
Westheim an, sich zu Kandinsky zu be-
kehren. Und diesen Fluch trägt er mit
sich durchs Leben und verfasst zwölf Jahre
später eine Doktordissertation über die
Entstehung des Ausdrucks „Ein Westheim“,
nebst einem Anhang über die Schimpfworte
in Ihren Schriften unter besonderer Be-
rücksichtigung des Wortes „Betrieb“. Er
wirds schwer haben, der arme Junge, wenn
er erst bis in die Fussnote Ihres Artikels
hinuntergestiegen ist, dorthin, wo Sie an-
fangen, jede Haltung zu verlieren. Er wirds
schwer haben, wenn er an den Satz kommt:
„Der Betrieb, den der Sturm jahrelang mit
Wauer, Nell Walden usw. gemacht hat, ist
rnänniglich bekannt.“ Wenn nur Sie oder
Herr Campendonk endlich sagen wollten,
wer dieser Künstler „usw.“ ist. Raus mit
der Sprache, Ihr trefflichen, wackeren
Burschen. Und was „rnänniglich“ bedeutet,
weiss ich schon gar nicht. Wahrscheinlich
haben Sie den Satz im fünfzehnten Jahr-
hundert geschrieben. Ihr beide, Sie und
Herr Campendonk, Ihr schreibt Frechheit
und Leichenfledderer, rnänniglich oder es
gibt von Kandinsky, wenn irgend ein Bild
i in Euer Gehirn nicht hineinpasst. Hat man
Sie zu fragen, was für Bilder ausgestellt
werden dürfen? Was geht Sie, Herr West-
heim, der Sturm an? Gar nichts — äusser,
dass Sie heute ohne die Arbeit, die Qualen
und Entbehrungen und ohne die Einsicht,
die beispiellose Erkenntnis von Kunst-
werken, die Walden seit zehn Jahren im
Sturm der ganzen Welt gezeigt hat, heute
entweder verhungern müssten oder noch
törichteres Zeug schreiben würden als Sie
jetzt schon tun. Neid, Neid, Herr West-
heim, Neid treibt Sie zu der Verzweiflung
fortgesetzter Verdächtigungen. Neid und
die Überzeugung Ihrer Wertlosigkeit. Sehen
Sie sich vor, dass Sie mir nie unter die
Augen kommen. Ich würde nicht blöde
sein und Ihnen zu kosten geben, was die
Künstler, die Ihre Schützlinge sind, von
Ihnen denken, sagen und verbreiten. Viel
unterscheidet es sich nicht von dem, was
ich von Ihnen sage. Und ich würde noch
einmal nicht blöde sein und Ihnen für die
„dienstbeflissene Feder“, die Sie mich
tituliert haben, eine Rechnung vorsetzen,
die auf Ihrer Seite keine Schulden übrig
liesse. Es gibt keinen Hallunken, der Ihnen
glaubt, dass ich eine „dienstbeflissene“
Feder sei oder führe, — da mich Ihr ewiges
Gliche schon anwidert Und niemand weiss
besser als Sie, dass ich aus innerster Über-
zeugung so denke wie ich schreibe. Ich
diene niemandem und schütze Künste und
Künstler gegen Sie. Was ich behaupte,
Freilich waren Sie damals noch ein ganz
kleiner Junge und machten von dem Vor-
recht der Jugend Gebrauch, auf den Händen
zu laufen und sich in dieser übermütigen
Stellung Kandinskys Bilder anzusehen.
Heute stehen Sie mit Ihren zwei Beinen
fest auf dieser wankenden Erde und
sprechen über Kandinsky, als ob Sie vor
ihm Respekt hätten, — was ich weder
tadle noch lobe. Ich verlange nicht, dass
Sie noch heute auf Kandinsky so lästerlich
schimpfen wie ehemals. Ich tadle Sie,
um es Ihnen zum hundertsten Mal zu sagen,
weil Sie fortfahren, Ihre Mei-
nungsänderung zu verschwei-
gen oder zu verschleiern. Jetzt
soll es aussehen, als ob Ihr früheres un-
überlegtes Drauflosschimpfen auf wohlbe-
dachte und tiefbegründete Bedenken aufge-
baut gewesen sei, die Sie noch heute teilen.
Hätten Sie vor neun Jahren so geschrieben
wie jetzt, so wären Sie zwar immer noch
nicht zu loben gewesen. Aber man hätte
sich damit begnügt, Sie zu denjenigen
zu zählen, die Kandinskys Grösse nicht be-
greifen können, die nicht einseben, dass
seine Kunst kein „romantischer Subjektivis-
mus ist, der im Vagen bleibt“. Der Ro-
mantiker und der Subjektivist sind nämlich
Sie und Ihr Sehen und Empfinden bleibt
im Vagen stecken. Musikkritiker pflegen
auch nicht sehr musikalisch zu sein, aber
sie können wenigstens Noten lesen. Sie
können nicht einmal das und so hat Ihr
ganzer Artikel, der so stolz begann und so
bedächtig verfasst war, nur nekrologische
Bedeutung. In siebenzig Jahren, wenn Sie
nach menschlicher Berechnung das Zeitliche
verflucht hat, wird Einer in der Schule
aufgerufen und gefragt werden: Woher
stammt die Redensart: Urteilen wie ein
Westheim? Und dann soll er das Jahr
nennen, in dem Westheim anfing, sich zu
Kandinsky zu bekehren. Aber der arme
Kerl hat vergessen, im Konversationslexikon
nachzusehen und nun muss er hundertmal
zuhause schreiben: Im Jahre 1921 fing
Westheim an, sich zu Kandinsky zu be-
kehren. Und diesen Fluch trägt er mit
sich durchs Leben und verfasst zwölf Jahre
später eine Doktordissertation über die
Entstehung des Ausdrucks „Ein Westheim“,
nebst einem Anhang über die Schimpfworte
in Ihren Schriften unter besonderer Be-
rücksichtigung des Wortes „Betrieb“. Er
wirds schwer haben, der arme Junge, wenn
er erst bis in die Fussnote Ihres Artikels
hinuntergestiegen ist, dorthin, wo Sie an-
fangen, jede Haltung zu verlieren. Er wirds
schwer haben, wenn er an den Satz kommt:
„Der Betrieb, den der Sturm jahrelang mit
Wauer, Nell Walden usw. gemacht hat, ist
rnänniglich bekannt.“ Wenn nur Sie oder
Herr Campendonk endlich sagen wollten,
wer dieser Künstler „usw.“ ist. Raus mit
der Sprache, Ihr trefflichen, wackeren
Burschen. Und was „rnänniglich“ bedeutet,
weiss ich schon gar nicht. Wahrscheinlich
haben Sie den Satz im fünfzehnten Jahr-
hundert geschrieben. Ihr beide, Sie und
Herr Campendonk, Ihr schreibt Frechheit
und Leichenfledderer, rnänniglich oder es
gibt von Kandinsky, wenn irgend ein Bild
i in Euer Gehirn nicht hineinpasst. Hat man
Sie zu fragen, was für Bilder ausgestellt
werden dürfen? Was geht Sie, Herr West-
heim, der Sturm an? Gar nichts — äusser,
dass Sie heute ohne die Arbeit, die Qualen
und Entbehrungen und ohne die Einsicht,
die beispiellose Erkenntnis von Kunst-
werken, die Walden seit zehn Jahren im
Sturm der ganzen Welt gezeigt hat, heute
entweder verhungern müssten oder noch
törichteres Zeug schreiben würden als Sie
jetzt schon tun. Neid, Neid, Herr West-
heim, Neid treibt Sie zu der Verzweiflung
fortgesetzter Verdächtigungen. Neid und
die Überzeugung Ihrer Wertlosigkeit. Sehen
Sie sich vor, dass Sie mir nie unter die
Augen kommen. Ich würde nicht blöde
sein und Ihnen zu kosten geben, was die
Künstler, die Ihre Schützlinge sind, von
Ihnen denken, sagen und verbreiten. Viel
unterscheidet es sich nicht von dem, was
ich von Ihnen sage. Und ich würde noch
einmal nicht blöde sein und Ihnen für die
„dienstbeflissene Feder“, die Sie mich
tituliert haben, eine Rechnung vorsetzen,
die auf Ihrer Seite keine Schulden übrig
liesse. Es gibt keinen Hallunken, der Ihnen
glaubt, dass ich eine „dienstbeflissene“
Feder sei oder führe, — da mich Ihr ewiges
Gliche schon anwidert Und niemand weiss
besser als Sie, dass ich aus innerster Über-
zeugung so denke wie ich schreibe. Ich
diene niemandem und schütze Künste und
Künstler gegen Sie. Was ich behaupte,