Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

DOI Heft:
Siebentes Heft
DOI Artikel:
Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [3]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0160

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

nach einem Plan gelebt und Du siehst
selbst, wie weit ich es gebracht habe.
Ich sehne mich aus der Enge fort.
In der Enge liegt das Glück geborgen. Wie
soll man sich in der Weite zurecht finden.
Du bist sehr klug, Ernst. Aber manchmal
verzweifle ich an der Klugheit.
Das ist eben die Klugheit, nicht zu ver-
zweifeln.
Wenn ich doch einmal so recht kindisch
sein könnte.
Ich schätze es an Dir, dass Du so sehr
vernünftig bist. Mit der Logik hapert es
ja noch manchmal. Doch bedenke ich wohl,
dass Du eine Frau bist.
Du musst mich viel küssen, Ernst
Das werden wir uns für die Feierstunden
des Lebens aufsparen. Es gibt keinen Ge-
nuss ohne Oekonomie.
Ich werde sehr sparsam sein, Ernst. Ich
allein habe es von Mutter gelernt. Aber mit
der Liebe darfst Du nicht sparen.
Sieh mal, liebes Kind, ich als Arzt kenne
die sogenannte Liebe ganz genau. Schliess-
lich ist sie doch nur ein simpler physio-
logischer Vorgang. Es wird ihm nur all-
gemein eine zu grosse Bedeutung beige-
messen.
Hätte ich doch viel, viel Geld
Ich bin mir nicht bewusst, Dir einen Vor-
wurf gemacht zu haben
Masslos würde ich verschwenden. Du
brauchtest nichts zu arbeiten, könntest ganz
der Wissenschaft leben und der Kunst.
Arbeit ist des Bürgers Zierde, hat der grosse
Dichter gesagt, und das ist Wahrheit. Wir
wollen frei und offen der Wahrheit ins Ge-
sicht schauen, mein Lieb
Es wäre entsetzlich, wenn Friedel doch
recht hätte
Wer ist das
Die verlorene Tochter
Auch in den vornehmsten Familien kommen
solche Unglücksfälle vor. Aber die Familie
ist heilig. Ich schätze Deine Frau Mutter
und Deinen Herrn Vater bereits so, dass
ich unbedingt auf ihrer Seite stehe.
So darfst Du nicht über Friedel reden
Das Wort dürfte wohl doch nicht richtig
gewählt sein. Warum weinst Du
Ich fürchte mich vor dem Leben. Plötzlich
Hysterie. Beruhige Dich, Kind. Ich werde
Dir als Arzt helfen, sie zu bekämpfen
Nun habt Ihr Euch ordentlich abgeküsst

Herr Baron
Anna in Tränen. Dazu hast Du doch in
der Ehe Zeit genug
Bist Du glücklich mein Kind
Mutter
Wohin. Wohin
Ein kleiner hysterischer Anfall, hochver-
ehrte gnädige Frau. Es ist in diesem Fall
am besten, den Patienten ganz sich selbst
zu überlassen.
Anna ist sonst so vernünftig
Ich bin ja kein Arzt, aber wenn ich an
Deiner Stelle und in Deinem Alter gewesen
wär, ich hätte meine Braut lieber ordentlich
abgeküsst.
Sie nehmen es ihr nicht übel, Herr Doktor.
Es stürmt alles so auf sie ein. So etwas
können nur Frauen verstehen.
Hochverehrte gnädige Frau, ich werde Ihr
Fräulein Tochter glücklich machen. Das
ist eines meiner Lebensziele. Aber die
Wissenschaft hat mich durchaus zum Me-
thodiker gemacht
Wir dürfen Sie doch heute zum Abend-
essen erwarten. Nur im engsten Kreise.
Die nächsten Verwandten
Ich bin glücklich, Ihre hochverehrte Familie
kennen zu lernen. Aber Sie dürfen sich
meinetwegen keine Umstände machen. Ich
darf mich wohl von Anna verabschieden.
Gehen Sie in ihr Zimmer. Hier den Gang
geradeaus. Liebesleute müssen alles allein
unter sich abmachen.
Guten Tag, meine Damen
Ich stelle mich Ihnen als glücklicher Bräu-
tigam und zukünftiger Schwager vor
Besten Glückwunsch
Viele Glückwünsche
Meine Anwesenheit hat Sie doch hoffentlich
nicht vertrieben
Sie überschätzen sich
Seien Sie nicht hart zu mir, Fräulein Erna.
Ich werde mich Ihnen beiden stets als
Bruder zeigen
Wir haben uns Ihretwegen schon anschreien
lassen
Ich bin mir nicht bewusst, Ihnen irgend
wie zu nahe getreten zu sein
Wir wüssten auch nicht, wie Sie das machen
sollten
Sie werden mich jetzt bald näher kennen
lernen

i 28
 
Annotationen