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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

DOI issue:
Zehntes Heft
DOI article:
Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [6]: Dichtung zwischen Menschen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0220

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Er ist nicht gekommen.
Er ist gekommen, ün diesmal habe ich
mich nicht getäuscht.
Mir kannst Du doch die Wahrheit sagen.
Anna.
Wie treu und wahr seine Augen sind.
Armes Mädel.
Jetzt werde ich mein Leben leben.
Auch er wird Dich verlassen
Kennst Du ihn
Du kennst ihn nicht
Er liebt keine Frau wie Dich der Baron.
Welcher Baron
Den Du liebst.
Ich kenne keinen Baron
Wie soll ich Dir helfen, wenn Du mir
nicht vertraust
Ich vertraue Dir. Darum sollst Du mich
zu ihm begleiten.
Zu wem
Du bist klug und gut. Du wirst uns beiden
helfen.
Sie kommen zu mir
Sie mögen mich nicht mehr.
Wie ich Sie geliebt habe
Nun mögen Sie mich nicht mehr.
Ich bin der ärmste Mensch
Sie lieben nur, was Sie besitzen
Ich kann nicht teilen
Ist es menschlich nicht zu teilen
Menschlich ist es
Ist es göttlich nicht zu teilen
Mensch bin ich
Göttlich ist die Liebe
Mensch bin ich
Und kannst nicht halten, was Du teilst. Und
kannst nicht teilen, was Du hältst
Alles oder Nichts
Du bist der ärmste Mensch
Stolz bin ich in meiner Armut. Glücklich
bin ich in meiner Armut.
Für einen armen Menschen komme ich.
Ich helfe, der sich helfen lässt
Für eine arme Liebende komme ich
Reich sind alle Liebenden.
Arm sind alle Liebenden, da sie nicht teilen
können. Ich aber bin reich. Eine Tänze-
rin bin ich auf der Strasse. Meine Liebe
springt von Herz zu Mund, von Mund zu
Herz, ich gebe teile fliesse halte fliesse
teile gebe. Nichts besitze ich, nichts kann
ich besitzen, nichts will ich besitzen. Denn
göttlich ist die Liebe.

Dass Du nicht mehr geben kannst.
Nur Arme wollen besitzen. Reiche ver-
schwenden.
Stolz bin ich in meiner Armut. Glücklich
bin ich in meiner Armut.
Im Garten harrt eine einsame Frau. Werdet
reich, indem Ihr Eure Armut teilt
Wie kommt sie zu Dir.
Sie kommt zu Dir, meine Schwester.
Sie, Deine Schwester. So werde ich auch
Dich in ihr wiederfinden.
Meine Liebe ist Erinnerung. Erinnerung
ist meine Liebe. Ihr Flügelschlagen weht
in aller Herzen. Erinnerung lebt weit über
alle Tode. Erinnerung lebt weit über alle
Liebe. Denn Leben stirbt und Liebe tötet.
Erinnerung lebt weit über Tod und Liebe
Du musst uns helfen. Du wirst uns helfen.
Eine Tänzerin bin ich auf der Strasse. Ihr
aber müsst gehen und stehen und bleiben
und besitzen.
Friedel
Mein Name ist Erinnerung.
Ich bin so müde. Kann ich nicht immer
bei Ihnen bleiben.
Nein
Ich habe es so fest geglaubt. Immer habe
ich es gehofft. Wenn ich einst müde bin,
kann ich immer bei Ihnen bleiben.
Unmöglich
Du liebst mich
Ich liebe Dich
Warum willst Du mir nicht Dein Leben
geben.
Weil ich in der Erinnerung lebe.
Und ich bin Dir nichts.
Jedes'Leben ist eine Erinnerung, und jede
Erinnerung ist ein Menschenleben. Und
jedes zweite Leben. Und jedes dritte Leben.
Und das unendliche Leben Erinnerungen
an^eine Erinnerung.
Aber ich will Dich besitzen, nun ich müde
bin.
Besitz ist keine Liebe.
So bin auch ich nur ein Mensch unter
Menschen.
Vermessen ist es, unmenschlich zu sein.
Vermessener ist es, menschlich zu sein.
Unvermesslich sind wir Menschen.
Wo soll ich Ruhe finden
Im Vergessen
Ich will nicht vergessen. Erinnerung ist
Glück für andere.

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