Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3


Jahrg. IX, Nr. 31/32 vom 11. Ausust 1935

DIE WELTKUNST

Holländischer Kunstsommer 1935

1. S)as neue ^ßoymans IKuseum und die Termeer ./lusslellung

Höchstes, doch nicht zu hohes Lob spendet,
''er sagt, daß die anläßlich der Eröffnung
.es neuen Museum Boymans in Rotterdam
^gerichtete Vermeer-Ausstellung in ihm
e'Hen ihrer würdigen Rahmen gefunden hat.

der Alten und der Neuen Welt zerstreut sind,
rundet sich. Auch wer die — selbst durch
amerikanische Einsendungen nicht überbiet-
baren — Werke Vermeers aus dem Rijks-
museum (hier als Leihgaben ausgestellt) und

Das neue Museum Boymans in Rotterdam
(Phot. J. Vlieger)


Has neue Museum, ein im engsten Einver-
nehmen zwischen dem Direktor H a n n e m a
"nd dem Architekten van der Steur ge-
schaffener Bau, befriedigt in gleicher Weise
ästhetische Forderungen und Wünsche mu-
sealer Zweckmäßigkeit. Der Rohziegelbau,
'a schlichtesten Formen gehalten, kennt
keine Prunksäle, doch viele mittelgroße und
kleinere Räume, in denen die ausgestellten
Schätze, und namentlich die Gemälde, zur
vollen Wirkung kommen. Neuartige Ober-
licht- und Seitenlicht-Beleuchtung — viele
holländische "Bilder verlangen letzteres —
Werden glücklichst vereint, und selbst der
kühne Versuch, alle Bilder gegen weiß-
gekalkte Wände zu hängen, darf als im all-
gemeinen geglückt be-

dem Mauritshuis (nicht
geliehen) oder das le-
sende Mädchen in Dres-
den kannte, oder den
vielleicht den Gipfel-
punkt von Vermeers
Schaffen darstellenden
„Maler und sein Modell“
(aus der jetzt in einem
Saale der Staatsgalerie
in Wien zu unvergleich-
licher Wirkung gelan-
genden Czerningalerie)
vor Augen hat, wird
dankbar für das hier
Gebotene sein. Denn
fast ein Drittel des Le-
benswerkes des Meisters
sieht er hier vereint.
Ueberaus interessant,
wenngleich nicht völlig
überzeugend, ist die Zu-
schreibung einer „Mag-
dalena am Fuße des
Kreuzes“, ein Bild von
edler, van Eyckischer Einfachheit, zu gut
fast für eines der Jugendwerke (deren
„Fleckigkeit“ ihm fehlt), und mit einem fast
zu feinen Gesicht des Mädchens für den gro-
ßen Meister, dessen, oft etwas blöde drein-
blickenden weiblichen Modelle erst durch
seinen Pinsel und nicht durch natürlichen
Liebreiz geadelt wurden. Wie sehr Vermeer
(in anderem Sinne als Frans Hals) der Gegen-
pol Rembrandts war, nicht nur in der Art
der Vergeistigung — dem Grüblerischen
steht hier freundliches Sichversenken gegen-
über —, sondern auch bei diametral ent-
gegengesetzten Auffassungen über die Rolle
des Lichtes, spürt man vor dieser Auslese.

.Zeichnet werden. So hin-
ten sie ja seinerzeit oft
in der Stille des hollän-
dischen Bürgerhauses.
Vortreffliche Hängung
der Bilder ergänzt die
durch Beleuchtung und
Hintergründe gewonne-
nen Möglichkeiten. Kein
Zweifel, der mit so vie-
lem Verständnis und mit
licht allzu großen Mit-
teln geschaffene Bau be-
deutet, auch wenn man
Kroße Worte vermeiden
Will, wenn nicht gerade-
zu einen Wendepunkt,
So doch einen wichtigen
Meilenstein in der Ge-
schichte des Museums-
kaues.
Die Bestände des Mu-
*8Ums wurden durch
Hne vieljährige Leihga-
be der ganzen Samm-
lung Koenigs — der
Gemälde mit u. a. ihren
'ier Werken von Hiero-
nymus Bosch und zwan-
zig von Rubens, und der
"^erschöpflichen Fülle
von Zeichnungen aller
Reifen und Schulen —
Sehr bereichert. Diese,
'n nicht allzu langer Zeit
zusammengebrachte
Sammlung ist ein Be-
weis — die von Baron
’hyissen liefert einen
"•deren —, daß es auch


G

Verständnis des

Werke zählt die

Ausstellung

unserer Zeit möglich
'M, Sammlungen blei-
bender Bedeutung auf-
Zübauen, vor allem, wenn
d'e erforderlichen Mittel
?"rch höchstes persönliches
’ammlers ergänzt werden.
Rund anderthalbhundert
’ er Kürze halber „Vermeer-Ausstellung“ ge-
''"nnte Schau. Neben Vermeer und Fabritius
Mnd es Pieter de Hooch und Emanuel de
’Vitte (dieser nur bedingt dem Delfter Kreise
■''zuzählen), sowie andere Delfter Meister
jjüd Vertreter von Schulen, die auf Delft
Nafluß besaßen oder, umgekehrt, von Delft
‘-•'infliißt wurden, die hier ein geschlossenes
bild von den Leistungen dieser Schule einer
■'leinen holländischen Stadt geben. Noch nie
•irden so viele Vermeers, so viele Fabritius
''"f einmal gezeigt — dank den Leihgaben
yi's allen Teilen der Welt. Der auch durch
"r°ße Galeriereisen nicht leicht zu gewin-
v?äde Eindruck des Gesamtschaffens Von
Geistern, deren wenige Dutzend Werke in

abriel Metsu, Interieur
Sammlug Lady Beit, London
: Museum Boymans, Rotterdam
(Phot. A. Frequin)

Zwischen beiden, zwischen Rembrandt
und Vermeer stand, ohne daß man je den
Eindruck des Eklektizismus erhielte, Carei
Fabritius, von dessen so geringem, gesicher-
ten Lebeniswerk hier ebenfalls mehr als ein
Dutzend Bilder zu sehen ist.
Daß Pieter de Hooch in einigen seiner
besten Werke (Frauenfiguren) Vermeer fast
gleichkommt, ist bekannt genug. In anderen,
nicht Vermeer-artigen, in den stillen und
stimmungsvollen häuslichen Szenen schuf er,
wie auch diese Ausstellung zeigt, das Voll-
endetste, was auf diesem Gebiet geleistet
wurde, und was viel Mittelmäßiges vergessen
läßt. Auch hier sind neben ausgezeichneten
einige weniger vortreffliche Werke zu sehen,
die, in harter Lichtgebung oder etwas un-
glücklicherer Zeichnung der Figuren, schon
die Effekthascherei späterer Werke oder


Antike Rahmen

PAUL TIECKE
Restaurierungen aller Art

R ahmen-Kopien

Berlin W62, LUizowplaiz 11

Tel.: Kurfürst Bl 1762

Gleichgültigkeit schwä-
cherer Stunden voraus-
ahnen lassen.
Eine, doch keines-
wegs die einzige, Offen-
barung, die diese außer-
ordentliche Ausstellung
bringt, ist die erst nach
ihr voll zu würdigende
Persönlichkeit Emanuel
de Wittes. Gewiß, es ist
bekannt genug, daß er
noch anderes gemalt hat
als lichtdurchflutete
Kirchenräume mit von
rückwärts gesehener fi-
gürlicher Staffage und
Fischmärkte. Hier findet
man ihn als Meister von
Einzel- und Gruppen-
Porträts, von Meeresbil-
dern, als Meister auch
in der Wiedergabe
abendlicher Beleuch-
tung; ja sogar ein Stück
bei Kerzenlicht und eine
offene Waldlandschaft
zeigen seine Vielseitig-
keit.
Um diese Werke
gruppieren sich diejeni-
gen anderen Meister,
wie der freundliche
Boursse, der in seinen
besten Werken hinter


einem guten de Hooch Jan Vermeer, Schreibende Dame
nicht viel zurück- Ehern. New York, Slg. Pierpont Morgan, jetzt Knoedler & Cie.

stehende Janssens Elin- Ausstellung:
ga, der naive Vrel und
der in seinen Sujets bisweilen, in seiner
Farbengebung fast immer raffinierte Ochter-
velt. Sie alle zu nennen, ist unmöglich; eine
Ausnahme sei nur für die beiden Meister-
werke Metsus gemacht, des Briefschreibers
und der Briefleserin, beide aus der Samm-
lung Lady Beit. Besseres hat Metsu nie ge-
schaffen (s. Abb.). Dr. M.
Bericht über die Rembrandt-Ausstellung in Amster-
dam folgt.
Alte Meister
Unter den in diesem Sommer in Amster-
dam stattfindenden Ereignissen auf dem Kunst-
gebiet jst die bedeutende Ausstellung alter
Kunst bei der Firma M e n s i n g & Sohn
hervorzuheben, die als Hauptwerk die Kreuz-
abnahme von El Greco aus der Sammlung
Comtesse de la Beraudiere (Parisi) enthält
(s. Abb.). Dieses bedeutende Bild des Mei-
sters erscheint damit zum erstenmal in der

Museum Boymans, Rotterdam
(Phot. A. Frequin)
ebenso sicher nicht von Perugino herrührt,
von dem es Züge trägt, in Einzelheiten der
Malerei außerordentliche Qualitäten auf-
weist, schließlich auch Merkmale der marchi-
gianischen Schule zeigt, und schließlich weil
die Frage auftaucht, wer in Umbrien im
Jahre 1500 dieses Gemälde hatte schaffen
können, wenn nicht Raffael. Raffael war im
Jahre 1500 siebzehn Jahre alt. Es ist bekannt,
daß er in diesem Alter bereits kleine Bilder
uns hinterlassen hat, deren genaues Datum
zwar nicht feststeht, die aber kurz vor 1500
entstanden sein müssen. Dr. Bertini Calosso
gilt als außerordentlich vorsichtig; eine Ver-
gleichsprüfung läßt sich im Augenblick nicht
durchführen. Am einwandfreiesten könnten
Stilvergleichung zwischen dem Altarbild von
Castiglion del Lago mit der Krönung aus
dem Jahre 1501 Aufschluß und Sicherheit
geben. —th

Oeffentlichkeit. Vor kurzem wurde versucht.

das Bild für das Prado-Museum zu erwerben,
jedoch wurde das Gebot von der Besitzerin
abgelehnt, dia sie das Bild nicht zu verkaufen
wünscht.
Um dieses Werk gruppieren sich in der
Ausstellung Arbeiten von Perugino, Gossa,
d<as berühmte Porträt des Marten Looten von
Rembrandt aus der früheren Sammlung Hol-
ford, jetzt im Priviatbesitz des Herrn Men-
sing, zwei Hauptwerke des Seeschlachten-
Malers Willem van de Velde d. J., u. a. Die
Bildnis-Maler sind vertreten mit Arbeiten
von Ferdinand Boi, Elias Pickenoy, Coirn. de
Vos, Luttichhiuys, die Landschafts-Maler mit
Jacob und Salomoin Ruysdael und Gerbrandt
van den Eeckhout.
Speziell hervorzuheben sind zwei hervor-
ragende Bildnisse von Lucas Cranach d. J.:
Kurfürst August von Sachsen und seine Ge-
mahlin Anna.

Quadriennale wird
selbständiges Amt
Mussolini hat soeben den Generalsekretär
der Quadriennale, O p p o , empfangen und
sich über die Verwaltungsergebnisse der
großen Kunstausstellung berichten lassen.
Oppo konnte feststellen, daß unter Zusam-
menzählung aller Arten von Besuchern eine
Menge von 350 000 Personen die Ausstellung
besucht haben; mit regulären Billets sind
250 000 Personen als Besucher festgestellt
worden. Der Verkauf an Bildern hat ins-
gesamt, d. h. eingerechnet die Käufe, die der
Staat, die Städte und die Galerien vorgenom-
men habens rund den Wert von 1 Million
Lire erreicht. Insgesamt sind bis zur Stunde-
420 Werke verkauft worden. Auf der 1. Qua¬

driennale waren insgesamt 290 Werke um-
gesetzt worden. Mussolini hat seine Befrie-
digung über die Ergebnisse ausgesprochen;
aber er hat betont, daß die weitere Entwick-
lung der Quadriennale nur dann möglich sein
wird, wenn die Verwaltung in ein selbstän-
diges Amt umgewandelt wird, wie es bei der
Bienihale von Venedig der Fall ist. Die
juristische Anerkennung der Ausstellungs-
leitung als selbständiges Amt bringt nicht
großes Tafelgemälde,
das aus dem Jahre 1500
datiert ist und die Jung¬
frau mit dem Jesuskind
auf einem Throne zeigt.
Zu ihren Seiten stehen
Antonius Abbas und Ma¬
ria Magdalena. Das Bild
war in der Parochial-
kirche des kleinen Or-
tes aufbewahrt und be-
fand sich in einem
außerordentlich gefähr¬
deten Zustande. Dr. Ber¬
tini Calosso hat dieses
Bild von dem Spezia¬
listen Cellini säubern
und in einzelnen Mal¬
schichten sichern lassen.
Er schreibt die Tafel
Raffael zu. Diese Zu-
schreibung wird bei der
Betrachtung des Gemäl¬
des, das eine gewiß nicht
unbekannte, aber reich-


Der Raffael
von Castiglion del Lago
Der Kunstsuperintendent von Umbrien,
Dr. Bertini Calosso, hat soeben die ita-
lienische Kunstwelt mit der Nachricht in
Aufregung versetzt, in Castiglion del Lago in
Umbrien die früheste datierte Arbeit Raffaels
gefunden zu haben. Es handelt sich um ein

lieh primitive und grobe
Komposition mit der ge-
nau in die Mitte gesetz-
ten Madonna und den

Greco, Beweinung Christi
Sammlung Comtesse de la Beraudiere, Paris
Ausstellung: Mensing & Sohn, Amsterdam
(Photo Mensing)

scharf neben den Thron
gestellten Heiligenfiguren zeigt, wohl als
kühn angesehen werden können. Die Zu-
schreibung aber ist erfolgt, weil das Ge-
mälde fraglos in Perugia entstanden ist,

nur fiskalische Erleichterungen mit sich, son-
dern stellt eine Garantie für die Kontinuität
dieser italienischer wichtigsten Ausstellung
dar.
 
Annotationen