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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0016

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1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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kostet bei sich ergebendem schlechtem Bau-
grunde die Fundamentirung eines so grofsen
Baues allein schon mehr als das Doppelte von
dem, was im Voranschlag vorgesehen war; wohl
mag hie und da eine Vereinfachung eintreten,
aber meist geschieht dies auf Kosten der So-
lidität und der künstlerischen Ausführung, und
diese Ersparnisse werden doppelt und dreifach
aufgewogen durch eine Reihe „unvorhergese-
hener Ausgaben", für die in Bausch und Bogen
wohl eine Summe im Bau-Etat vorgesehen war,
die aber dann in der Regel als viel kostspieliger
in der Ausführung sich erweisen.

Vielleicht hatte man einen Baufonds von
30 bis 40 000 Mk.; die Gemeinde kann auch,
wenn Alle nach ihren Kräften beisteuern, 10 bis
20 000 Mk. noch zum Baue spenden. Dafür
hätte man ganz wohl eine durchaus einfache
und doch würdige, für die Seelenzahl hin-
reichende Kirche, möglicherweise unter Be-
nutzung des alten Thurmes, ausführen können.
Man wollte aber durchaus „etwas Schönes" her-
stellen, oder man liefs sich durch den reichen
Plan des Architekten und den ebenso mageren
Kostenanschlag desselben bestechen und ent-
schlofs sich, wenn auch mit schwerem Herzen
dazu, eine Kirche zu bauen, die dann auf etwa
100000 Mk. veranschlagt war. Der alte Thurm
wird abgerissen, denn der neue ist viel „schöner",
und man tröstet sich damit, das Baumaterial
lasse sich ja wieder verwenden. Der Abbruch
kostet aber ebensoviel, als das Material werth
ist, da das Meiste sich doch als unbrauchbar
erweist. Der Baugrund ist nicht günstig; zum
Unglück sind auch vielleicht seit der Zeit, da
der Kostenanschlag zuerst aufgestellt worden,
die Preise der Baumaterialien in die Höhe ge-
gangen, kurz, es stellt sich bald heraus, dafs
die 100 000 Mk. bei Weitem nicht reichen, und
wenn der Bau zur Nothdurft fertig gestellt ist,
beziffert sich die Bausumme vielleicht auf 120,
ja auf 150000 Mk. Wie viele Fälle dieser Art
konnten wir nicht namhaft machen, wenn uns
der Gedanke nicht abhielte: nomina sunt odiosa!
Nun will natürlich Keiner die Schuld tragen.
J er me,nt> er habe immer vor einem so kost-
sP'ehgen Baue gewarnt, er sei von Anfang an
dagegen gewesen, er habe es ganz genau vor-
hergesehen, wie es kommen werde u s. w. Von
grofsem Glücke kann die Gemeinde noch nach-
sagen, wenn durch solchen Ausgang des Kirchen-
baues nicht Feindschaften entstehen, die den

Frieden ganzer Familien untergraben. Fast selbst-
verständlich ist es, dafs bei derartigem Ausgang
der Dinge die Opferwilligkeit der Gläubigen stockt.
Jedermann weifs, dafs für Nichts unlieber gegeben
wird, als für die Abtragung von Schulden, nament-
lich wenn die Meinung herrscht, dieselben seien
unnöthiger Weise oder aus Mangel an gehöriger
Vorsicht gemacht.

Auf solche Weise hat die Gemeinde nun eine
Kirche bekommen, die vielleicht viel gröfser
ist, als es für das Bedürfnifs nöthig wäre, die
nach Aufsen hin „viel ausmacht", im Innern aber
mit ihren weifsen Fenstern, ihren unpolychro-
mirten Wänden, ihrem armen Mobilar traurig
genug aussieht. Jetzt gibt es aber auch schon
jedes Jahr Reparaturen an dieser Kirche, nament-
lich dem vielfach so wunden Flecke, am Dache.
Die Gemeinde hat auch hierfür aufzukommen,
hat aber ihren Baufonds, aus dem sie die Kosten
für die alte viel kleinere Kirche bestritten hatte,
aufgebraucht. Jetzt gilt es auch noch, da die
Fenster oft nur provisorisch eingesetzt sind, für
definitive Verglasung zu sorgen, die Altarmensa
harrt eines würdigen Aufsatzes, die Kanzel mufs
angeschafft werden, die alte Sakristei-Einrichtung
pafst nicht mehr u. s. w. Der Fürsorge für alles
dieses stehen aber die leidigen Schulden im Wege.
Schliefslich kommt man dann zu Etwas, das
man viele Jahre lang mit vollstem Rechte von der
Gemeinde fern gehalten hat, zur Umlegung von
Kirchensteuern, und die sind dann erst recht
das Grab aller opferwilligen Begeisterung für
das Haus Gottes und seine Verschönerung.

So kann man gewifs Allen, die für einf
Verhältnisse eine Kirche zu beschaffen haben, nur
dringendst rathen, dafs sie von vornherein und
ganz energisch sich mit dem Gedanken befreun-
den, für diese einfachen Verhältnisse auch einen
einfachen Plan des Neubaues in's Auge zu fassen.
Wir sagen, von vornherein, damit nicht gleich
anfangs im Kopfe des Einen oder Andern der
verführerische Gedanke auftaucht, man dürfe doch
nicht hinter diesem oder jenem Orte zurück-
bleiben; wir sagten, energisch, damit nicht, wenn
gegen die Intention der Besteller ein das Auge
bestechender reicherer Plan entworfen worden
ist, man nicht schliefslich durch allerhand Rück-
sichten verleitet, doch sich zu dem bequeme,
was man ursprünglich gar nicht beabsichtigte.
Principiis obsta, das gilt ganz gewifs beim
Bauen in hohem Mafse.

Frankfurt.

Münzen berger,
 
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