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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0015

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1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

langweiligen Deckplatten einen reicheren Ab-
schlufs in Haustein fänden. Nur zu leicht gibt
der Architekt solchem Drängen nach und fügt
dann Allerlei seinem ersten Plan hinzu, was gar
nicht mit dem architektonischen Ganzen des-
selben im Einklang steht. Anderseits macht es
mancher Baumeister selbst von vornherein nicht
viel anders; er sieht zu wenig auf architekto-
nische Zusammengehörigkeit und Durchbildung,
sondern vielmehr auf das, was er „die rechte
Wirkung" seines Baues nennt, er hat in seinen
Skizzenbüchern hier ein hübsches Portal, dort
einen interessanten Giebel, eine reiche Thurm-
spitze, einen originellen Dachreiter, ein schönes
Fenstermotiv sich notirt und möchte das Eine
oder Andere doch gar zu gerne „anbringen".

Jenes Portal aber findet sich vielleicht an
einer alten Kirche, die doppelt so reich gehal-
ten ist, als die seinige, jene Thurmspitze ent-
spricht im Original genau einem reichen Unter-
satze, jener Dachreiter erhob sich auf einem
steilen reich mit Dachfenstern und Gauben ver-
sehenen Dache, jenes Fenstermotiv ist einem
Bau entnommen, der ganz in Haustein gehalten
ist. Dort, wo diese einzelnen Vorbilder sich
am Original fanden, stimmen sie zum Ganzen
und wirken im Einzelnen mächtig dazu bei,
den Gesammteindruck zu einem grofsartigen zu
machen; an der neuen Kirche aber, für die von
vornherein eine nicht zu überschreitende Bau-
summe festgesetzt war und die in Folge dessen
schlicht und einfach gehalten werden müfste,
erscheinen sie als willkürlich aufgesetzt und an-
geklebt. Hier gilt in ganz eminenter Weise der
alte Satz: „In der Beschränkung zeigt sich der
Meister".

Ein für beschränkte Verhältnisse komponir-
ter Plan soll einfach erdacht, aber auch einfach
durchdacht sein. Es müssen die einzelnen Theile
des Baues zu einander und zum Ganzen stim-
men, wenn derselbe wirklich dem alten Stil ent-
sprechen soll. In vortrefflichster Weise haben
dies die alten Baumeister verstanden; sie haben
Kathedralen, Stiftskirchen, Klosterkirchen, Stadt-
und Landkirchen in demselben Stil und dem-
selben Geiste in grofser Zahl erbaut und doch
jeder Art ihre Besonderheit aufgeprägt. Das
Reichste wie das Einfachste ist bei ihnen eben
demselben Geiste entsprossen, und wir müssen
durchaus bemüht sein, dieses Geheimnifs der
alten Kunst wohl zu verstehen und zu würdigen.
Eine schlichte Dorfkirche, mit mäfsig hohem,

von unten bis oben einfachem Thurm, mit Gie-
beln, deren ganze Zierde vielleicht blos in
einem Fenster besteht, mit schmucklosem Chor-
abschlufs, mit ganz gewöhnlichen Strebepfeilern,
mit Fenstern vielleicht ohne alles Mafswerk,
kann in dem wohlthuenden Zusammenstimmen
ihrer ganz einfachen Formen wie ihrer natür-
lichen und ungezwungenen Schlichtheit unver-
gleichlich schöner und würdiger wirken, als ein
viel gröfserer, komplizirterer und viel reicherer
Bau, dem diese Eigenschaften eben fehlen, und
der sich dadurch von vornherein als ein Werk
charakterisirt, das blofs in gewissen Einzelheiten
Anschlufs an alte Vorbilder verräth; verhältnifs-
mäfsig hat es viel mehr gekostet, es haftet ihm
aber an der Charakter des mühsam Ersonnenen,
des Komplizirten, kurz des Gemachten.

Wie alle Kunst überhaupt geheimnifsvoll
wirkt und man diese Wirkung dem Gemüth
und der Phantasie nicht vordemonstriren kann,
so ist es auch bei der Architektur. Je mehr da
ein Meister sein Wissen gewissermafsen zeigen
möchte, je sichtbarer aus seinem Werke die
Tendenz zu gefallen und das Auge auf sich zu
ziehen hervorleuchtet, desto geringer ist dessen
künstlerischer Werth und destoweniger wird es
auf die Dauer zusagen.

Aufser der künstlerischen Erwägung werden
wir aber auch einer materiellen Rücksicht hier
unsere Aufmerksamkeit zu schenken haben. Wo-
her kommt es, dafs in unserer Zeit so oft kirch-
liche Gemeinden durch Kirchenbauten auf viele
Jahre hinaus mit drückenden Schulden belastet
werden, dafs dann zu allen möglichen und un-
möglichen Arten des Kollektirens übergegangen
werden mufs und dafs die Freude, mit der das
schöne Werk des Kirchenbaues begonnen wurde,
schliefslich in das Gegentheil umschlägt? Wenn
eine Gemeinde ohne ausreichenden Baufonds
einen Plan für die neue Kirche acceptirt, der
weit über die Verhältnisse hinausgeht, dann be-
ruhigt man sich wohl gern mit der Zusage, dafs
in der Ausführung noch Manches sich werde
vereinfachen, oder dafs durch vortheilhafte Sub-
missionen oder durch unentgeltliche Fuhren etc.
Vieles sich werde ersparen lassen, und beginnt
den Bau, ohne genau berechnet zu haben, wie
viel er fertig kosten wird und welche Mittel im
äufsersten Fall in's Auge gefafst werden dürfen.

In der Regel aber folgen dann Täuschungen
auf Täuschungen: der Kostenanschlag war kei-
neswegs präzis und Alles umfassend; vielleicht
 
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