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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0079

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125

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

126

nicht wesentlich verändern; dagegen ist es von
Bedeutung für den historischen Charakter des
Londoner Bildes, dafs gleich neben der Kreu-
zigung sich Judas Ischariot an einem Baume
erhängt hat; den Beweggrund seiner That zeigt
der unter ihm auf dem Boden liegende Geld-
beutel an, aus welchem die Silberlinge hervor-
rollen. Die Zusammenstellung dieser beiden
Ereignisse konnte auf das antike Gefühl nur ab-
stofsend und widerlich wirken, und das um so
mehr, je älter das Bild ist, je lebhafter sich noch
im Volksbewufstsein eben dieser antike Geist er-
halten hatte, welchem ganz andersartige Dar-
stellungen verehrungswerth dünkten. Was für
welche ? — Indem wir hierauf antworten, wird
der historische Sinn der beiden ältesten Kreu-
zigungsbilder noch deutlicher werden. Antiker
Auffassung nach erschien nur das Lebensvolle
und Machtvolle anbetungswerth; dem entsprach,
wie man die Götter gebildet hatte. Gleiche An-
schauung blieb auch den Christen noch Jahr-
hunderte lang eigen. Daher konnte die Hin-
richtung Christi durch das Kreuz, die schmach-
vollste aller Strafen, nicht sogleich ein litur-
gisches Bild abgeben. Aber gerade diesem
Ereignisse wohnte gleichsam das Geheimnifs der
christlichen Lehre, die Erlösung, vor Allem inne,
und das suchte sich auch im Bilde darzustellen.
Die formale Ausdrucksweise der Erlösung
begann mit den verschiedenen konventionellen
Zeichen des Monogrammes Christi.2) Die älteste
Form ist das einfache X = Xgtoios, um 268
oder 279 findet sich dem Ä ein / also ^=lrjaovg
XQtaios hinzugefügt und seit 298 giebt es die
Form ^ = Iqaovg, XPiaiog, bei welcher die
ersten beiden Buchstaben des Wortes Xqiotos
zur gröfseren Deutlichkeit genommen worden
sind. Die rein konventionelle, nur den Einge-
weihten verständliche Darstellung der Erlösung
wird seit den Tagen des grofsen Konstantin,
als die christliche Lehre sich nicht mehr unter
derlei Geheimformen zu verbergen brauchte,
auch durch das viel deutlichere Kreuzzeichen
wiedergegeben. Zuerst wird es allein dargestellt,
aber auf das Reichste mit Edelsteinen geziert;
diese crux gemmata tritt dann in Verbindung
mit dem apokalyptischen A und Q, des Weiteren
mit dem Lamm in verschiedenen die Kreuzigung
immer deutlicher machenden Vereinigungen,

2) Umständlich .auseinandergesetzt bei Stock-
bauer »Kunstgeschichte des Kreuzes«.

ferner sogar mit der jugendlichen Figur Christi,
der jedoch noch nicht dem Kreuze angeheftet
ist, sondern es im Arme hält. Schliefslich er-
scheint das Kreuz mit dem darüber schweben-
den Brustbilde des Heilandes und mit sym-
bolischen bezw. allegorischen, wo nicht gar
historischen Beigaben (Schacher, Maria it. s. w.).
Wenn nunmehr nach dieser langen Entwicklung
um 600 zögernd der einem Kreuze wirklich an-
geheftete Christus dargestellt wird, um die Welt-
erlösung zu bezeichnen, so ersieht man wohl,
dafs dieses Bild doch nicht die Exekution der
Kreuzigung Christi geschichtstreu wiedergeben
konnte. Die Erinnerung an die Schmach der
Kreuzesstrafe, eine Strafe, welche erst seit dem
V. Jahrh. aufser Uebung gekommen war, würde
zu lebhaft wach gerufen sein und eine uner-
träglich abstofsende Wirkung auf die Beschauer
wäre damals noch die Folge gewesen. Aber
möglich wurde das Bild des Gekreuzigten jetzt,
nachdem, Dank dem die Sitten mildernden Ein-
flüsse der christlichen Lehre, die Kreuzigung
auch ohne jedes Verbot abgekommen war und
damit auch jenes entsetzliche Odium zu ver-
blassen anfing. In welcher Weise entsprechen ,
dem nun die ersten wahren, d. h. die Erlösung
bedeutenden Cruzifixe und wie unterscheiden
sie sich von den beschriebenen Kreuzigungs-
bildern? — Den ältesten sieht man auf einem
Bilde in der Handschrift des Mönches Rabulas
aus dem Kloster Zagba in Mesopotamien von
586. Wäre um diese Zeit die historische Auf-
fassung noch möglich gewesen, so würde an
dieser Stelle, wo es mehr auf den geschicht-
lichen Vorgang, als auf ein liturgisches Inter-
esse angekommen sein dürfte, Christus gleich
den beiden Schachern neben ihm nackt und
nicht in einem langen Kleide dargestellt sein.
Es spricht hierfür auch die Zufügung der vielen
geschichtlichen Nebenfiguren, der trauernden
Frauen, des Speer- und Schwammhalters, der
würfelnden Kriegsknechte u. s. w. Indessen gibt
dieses Bild doch erst den Uebergang von der
historischen zur liturgischen Auffassung und des-
halb fehlt auch noch das Trittbrett unter den
nebeneinander herabhängenden Füfsen.— Schon
ganz anders der Christus auf dem Brustkreuze,
welches Papst Gregor d. Gr. um 600 der Longo-
bardenfürstin Theodolinde schenkte und welches
an sich einen liturgischen Charakter seines
Bilderschmucks verlangt. Christus ist nicht nur
bekleidet, sondern steht mit ausgebreitet ange-
 
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