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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0123

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1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

208

sehen Zierkunst zu unvergleichlicher Wirkung
vereinigen, läfst dem Eintretenden keinen Zwei-
fel, dafs hier der Schlüssel und die Bestimmung
des Ganzen liegt: in seiner Mitte ein königl.
Mausoleum aufzunehmen. Die Königin, schlicht
in ihrem Privatleben, von halb militärischer, halb
aszetischer Strenge, hatte sehr hohe Begriffe von
dem kostbaren Pomp, welchen die Repräsen-
tation des Staats und der Krone fordere.

Verdriefslichkeiten mit dem Kapitel, das
sich der beabsichtigten Erhebung der neuen
Kirche zur Colegiata, neben der Kathedrale,
wiedersetzte, hatten schon 1477 die Uebergabe
von S. Juan an den Franziskanerorden zur Folge
gehabt. Die Eroberung Granada's führte dann
auf den Gedanken, die geweihte Ruhestätte von
Toledo weg an diesen Ort des gröfsten Erfolges
ihrer Regierung zu verlegen, in die Hauptstadt
des Reiches, das sie der Kirche und Spanien
wiedergewonnen hatten. Man wählte den Platz
an der Ostseite der alten Moschee, nun S. Maria
de la O, die erst im vorigen Jahrhundert ab-
gebrochen worden ist, um dem jetzigen Sagrario
Platz zu machen. Die grofse Kathedrale ist im
Jahre 1521 an der Nordseite unserer Kapelle
und der Moschee begonnen worden.

Wenn nun heute die Capilla Real zu Gra-
nada dem von Toledo Kommenden nur ein
matter Nachklang jenes älteren Baugedankens
dünkt, so mufs freilich in Anschlag gebracht
werden, dafs uns ihre jetzige Gestalt von dem,
was sie im Jahrhundert ihrer Vollendung war,
kaum noch einen Begriff giebt. Leider ist im
XVII. und XVIII. Jahrh. das Innere fast völlig
erneuert worden. Wände und Gewölbe wurden
übertüncht, die alten Altarwerke entfernt. Aus
dem XVI. Jahrh. stammt noch das Gitter des
Maestre Bartolome, ein glorreicher Schmuck der
Kapelle; sowie der den beiden Johannes ge-
weihte Retablo mayor, den Philipp Vigarny, ein
Bildhauer aus der Diöcese Langres in Burgund,
im Stil der Frührenaissance 1527 entwarf. Seiner
Form nach war dieses schöne Werk schwerlich
im Sinne des Baumeisters, er verdeckt die in
der Kämpferlinie umlaufende Inschrift.

Wir haben noch eine Notiz über die Kirche
(aus dem Jahre nach ihrer Vollendung) von dem
venetianischen Gesandten Andrea Navagero, der
Kaiser Karl V. auf dessen Hochzeitsreise nach
Granada gefolgt war (28. Mai bis 7. Dezember
1526). Damals war das Denkmal der Stifter
aus carrarischem Marmor und im Stil der

Renaissance bereits aufgestellt; der schwer zu
befriedigende Italiener nennt es assai bella —
per Ispagna. Zu beiden Seiten des damaligen
Hochaltars sah Navagero zwei Bildnisse des
königlichen Paares, dal naturale e in pittura.
Sind hiermit bemalte Statuen gemeint, so wird
man beide wohl in den, fälschlich Philipp der
Schöne und Johanna benannten, knieenden Sta-
tuen der Sakristei wiedererkennen dürfen. Statt
ihrer sieht man heute am Fufse des Vigarny-
schen Retablo die beiden Statuen Philipps und
Johanna's, der Eltern Karl V. Die Vertauschung
ist offenbar unter dessen Regierung vorgenom-
men worden. Wenn man diese dort für Ferdi-
nand und Isabella erklärt, so verräth man damit
eine auffallende ikonographische Unsicherheit.

Der Gesandte erwähnt auch die beiden Seiten-
altäre des Crucero, über denen wir jene Mem-
lincs fanden. „Auf zwei Altären, welche tiefer
stehen, zu beiden Seiten des Hochaltars, ist auf
einer Pala die Königin mit allen ihren Töch-
tern, und in der andern der König mit dem
Prinzen Johann; tutti dal naturale." Diese Ge-
mälde sind spurlos verschwunden.

Es ist nun wohl anzunehmen, dafs unsere an
der Rückseite jener Schreinsthüren befestigten
Tafeln die Reste der Retablos dieser beiden
Altäre sind. Wahrscheinlich waren die beiden
Marienbilder Mittel- und Hauptstücke, die Pie-
tas, Christus im Sarkophage nahmen die Mitte
der Predella ein, zwischen den kleinen Heiligen-
figuren. Auch an den Altären zweier kleinen
Kapellen im Schiff sind noch solche alte Tafel-
bilder erhalten, diesmal aber in die modernen
Retablos aufgenommen, oder eingeflickt worden.
Dieses führt auf die Annahme, dafs Anfangs
alle Altäre mit vieltafeligen bemalten Retablos
in gothischem Aufbau ausgestattet waren.

Ueber dem Altar der Kapelle S. lldefonso
sieht man noch in der unteren Ecke links ein
flandrisches Madonnenbild (82 x 58 cm) von
einem unbekannten Zeitgenossen Memlincs.
Maria hält das auf ihrem Schofs sitzende Jesus-
kind mit beiden Händen umfafst, ein Engel
reicht letzterem die Nelke, ein anderer singt
von einem Notenblatt. In dem halbrunden
Giebel des modernen Retablo sind in roher
Weise, zum Theil durch den Rahmen verdeckt,
untergebracht: ein Salvator, Brustbild, wahr-
scheinlich von der Hand des Dierck Bouts, und
fünf kleine Täfelchen: die Legende von der
Casula des heiligen lldefonso, und die vier
 
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