Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0183

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
319

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

320

Die folgende Szene führt uns das Blutbad
innerhalb der heiligen Stadt vor Augen. Die
sechs Feldobersten des Königs Nebucadnezar
vernichten mit hocherhobener Axt die Bewoh-
ner — Greise, Weiber und Kinder —, während
die Auserwählten und Bezeichneten, in zwei
Gruppen geschieden, dem blutigen Schauspiel
zusehen.

Die Zerstörung Jerusalems durch die Baby-
lonier erscheint hier als Vorbild des Verderbens,
welches die Gottlosen beim Weltgerichte ereilen
wird: Die sich von Gott abgewandt, werden
dem ewigen Tode anheimfallen, die ihn aber
bekannt, und deren Stirn das Zeichen des
Lebens, das Kreuz, trägt [Offenb. Joh. XIV, 1],
versammelt werden am Throne des Lammes.
In eben diesem Zeichen wird auch der bischöf-
liche Segen ausgetheilt.

Die zwei kleineren Gemälde am Fufse der
gegenüberstehenden grofsen Darstellung (das
dritte ist bis auf eine Figur zerstört) sind eben-
falls vorbildlichen Inhalts. Das erste derselben
führt uns Gideon vor Augen, zu der aus den
Wolken hervorragenden göttlichen Rechten em-
porschauend. Er ist als Greis aufgefafst. In der
Rechten hält er über einer goldenen Schaale ein
Fell als Beutel zusammengeprefst, in der Lin-
ken ein Spruchband mit der Inschrift: Si ros
in (solo) vellere fueril, et in omni terra siccitas,
sciam, quod per manum meam, (sicut locutus
es,) liberabis Israel. [Jud. VI, 37.] „Wird Thau
sein auf dem Felle allein und auf dem ganzen
Boden Trockenheit, so will ich daran erkennen,
dafs Du durch meine Hand, wie Du gesprochen
hast, Israel erretten wirst."

Wie die trockene Hur nach dem befruch-
tenden Thau lechzt, um ihre Früchte hervor-
spriefsen zu lassen, so sehnt sich das durch
Sünde verderbte Menschengeschlecht nach dem
Heiland, der es von ihr erlösen und durch
seine göttliche Lehre befähigt machen soll, für
das eigene ewige Heil selbst mitzuarbeiten.
Diese Aufgabe aber zu lösen, gelingt nur durch
Beachtung der Gebote des Herrn, in gläubigem,
ehrfurchtsvollem und gehorsamem Hören auf
Gottes Ruf.

Darauf bezieht sich das zweite Bild, welches
uns Moses zeigt, wie ihm die Erscheinung |e-
hova's im flammenden Dornbusche wird. Ersterer
ist in Pilgertracht, mit kurzem Untergewand,

Mantel, Mütze und Wanderstab, Gott in den
Mantel gehüllt, das Haupt von strahlendem
Kreuznimbus umgeben, dargestellt, die Rechte
erhoben, die Linke ein zusammengerolltes Spruch-
band haltend. Die göttliche Erscheinung schwebt
über einem achtstämmigen Dornenstrauch, der
von lodernden Flammen umgeben ist.

Wie der Herr Moses seine Befehle für die
Pilgerschaft ertheilte, so müssen auch alle Gläu-
bigen, als Erdenpilger zur ewigen Heimath, den
Anordnungen des Allmächtigen sich willig fügen,
dem Feuer der göttlichen Liebe nahen, um von
ihm entzündet und umgewandelt zu werden zu
wahrhaften Kindern Gottes.

Vorstehendes dürfte zur Genüge dargethan
haben, da<s dem Bildercyklus ein in ikonogra-
phischer ein symbolisch und moralisch gleich
bemerkenswerthes, und für die frühe Zeit der
Entstehung des Kunstwerkes hervorragendes
Programm zu Grunde gelegen hat. Es besitzt
dieselbe Tiefe der Auffassung, welche allen Wer-
ken des hl. Bernward und seiner Schule eigen
ist, die uns in den Erzthüren, dem Taufbecken
und Kronleuchter des Domes, der Christussäule
und der Decke der St. Michaelskirche entgegen-
tritt, eine Auffassung, die selbst für die Kunst-
bestrebungen unserer Tage noch Anhalt bieten
kann, namentlich, wenn es sich um die bildne-
rische Gesammt-Ausschmückung monumentaler
Kirchenbauten der Vergangenheit handelt.

Wie schon erwähnt, ist die Deutung des
Bildercyklus erst nach Auffindung der Inschriften
im verflossenen Jahre möglich geworden. Zu
bedauern ist, dafs unter diesen Umständen eine
Wiederholung desselben an dem Gewölbe der
unteren Vorhalle über den Bernward'schen Thü-
ren bei den bereits vorgeschrittenen Wieder-
herstellungsarbeiten im Dome nicht mehr an-
gängig war; zu wünschen ist, dafs das, was uns
von dem Deckengemälde in Resten erhalten,
nicht ungesehen in der dunkeln und feuchten
St. Laurentiuskapelle dem Verderben entgegen-
geht, sondern mit andern dort lagernden Kunst-
werken des alten Domes, eine bessere, für die
Besichtigung geeignetere Aufstellung, sei es im
Diöcesanmuseum, sei es auf dem oberen Kreuz-
gange, erhielte.

Mögen diese Zeilen hierzu die Anregung
gegeben haben!

Köln. F. C. Heim an n , SlatUbauralh.
 
Annotationen