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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Bergner, Heinrich: Befestigte Kirchen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0139

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207

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

208

Verbindung beider nur durch eine sehr schmale
Thtir hergestellt ist.

Für die Weiterentwicklung des primitiven
Typus war es dann von entscheidender Be-
deutung, dafs der mittlere Pfeiler trommelartig
ausgehöhlt, durch centrisch gestellte Pfeiler
ersetzt, seine Kuppel durchbrochen und über
die Oeffnung ein ähnlich aufgelöster Pfeiler ge-
setzt wurde, der schlotförmig das Dach durch-
brach und zugleich als Luginsland dienen
konnte. In Oesterlarsker auf Bornholm ist
der erste Schritt auf diesem Wege gethan. Sechs
im Kreis angeordnete plumpe Viereckpfeiler tra-
gen dieKuppel, welche noch keine Durchbrechung
zeigt. Wesentlich vorgeschritten ist dagegen
die Kirche in Bjernede (Seeland) (Fig. 2).
Hier stützen vier ins Quadrat gestellte Pfeiler den
mittleren Schlot, der durch die zwei folgenden
Geschosse hindurchgeht und, ins Achteck um-
gesetzt, aus dem Dache hervorragt. Die ursprüng-
liche Luke ist dadurch höchst sinnreich in den
Kern des Bauwerkes verlegt, gestattet den direkten
Aufzug von Material bis zum obersten Geschofs
und gewährt den Vortheil, dafs ein schon in
das Erdgeschofs eingedrungener Feind noch
wirksam beschossen werden kann. Denn die
enge Spindeltreppe in der Wanddicke liefs sich
leicht verrammeln.

Rundkirchen dieses Typs finden sich noch
in Nyker, Voxtorp, Hagby, Värdberg,
Skörstorp, Solna und Branma und aus
einem Bischofsverzeichnifs geht hervor, dafs zur
Zeit des Bischofs Bengtum 1150 Rundkirchen in
Westergötland vorhanden waren. Auf deutschem
Boden kann nur die Kapelle in Düggelte bei
Soest genannt werden, eine zwölfeckige Anlage
mit (späterer) Apsis, doch ohne Obergeschofs,
aus dem Anfang des XII. Jahrh. Hier tragen
vier Rundpfeilerden mittleren,alsGlockenthurm
benutzten Schlot, während der Umgang durch
12 Säulen gleichsam zweischiffig gemacht und
durch Tonnen mit Stichkappen überwölbt ist.
Spuren von Befestigung fehlen ganz. Lübke
spricht die Kapelle wohl richtig als ursprüngliche
Taufkirche an.2) Später diente sie den um-
liegenden Höfen als Gotteshaus. Die Michaels-
kirche in Schleswig hat durch spätere Ver-
änderungen sehr gelitten. Der Grundrifs kann
als Dreiviertelkreis mit drei Apsiden ergänzt

Fig. 2. Kirche zu Bjernede.

2) W. Lübke »Die mittelalterliche Kunst in West,
phalen.« (Leipzig 1853.) S. 225 f. u. Taf. XIV.

werden. Auch hier
trennen 12 Pfeiler den
Umgang von dem mitt-
leren Räume, über
dessen Aufbau nichts
bekannt ist. In der
gesammten Disposition
steht den nordischen
Rundkirchen ferner die

Michaelskapelle in
Fulda nahe.

Die Weiterbildung
des Schemas auf dieser
Stufe wurde durch tech-
nische und liturgische _JI
Rücksichten bestimmt.
Einmal bot sich den
nordischen Baukünst-
lern das vom Süden
vordringende Kreuz-
gewölbe als bequemere
Wölbungsform, wel-
ches jedoch leichter in einen gradlinigen Grund-
rifs einzufügen war. So tritt statt des Kreises
das Oktogon (in Storehedinge und Wisby),
schliefslich auch das Quadrat (Ledoie auf See-
land) auf. Andererseits mufs angenommen wer-
den, dafs auch im Obergeschofs sich Gläubige
sammelten, um durch die Luke die Messe anzu-
hören. Denn bei der Heiligengeistkirche in
Wisby ist der wichtige Schritt gemacht, „dafs
der Chor vermittelst einer Wanddurchbrechung
mit dem oberen Geschofs des Oktogons ver-
bunden wurde". Hiermit ist „das Prinzip der
Doppelkirchen völlig ausgereift". Die Karls-
kapelle in Nymwegen kann unmittelbar als
eine „Spielart der Rundburgen" hier ange-
schlossen werden. Bei ihr ist nur die Zwischen-
decke des innern Oktogons beseitigt. Und die
Aachener Pfalzkapelle darf als eine „Superlativ-
form" der Nymwegener angesehen werden. Zur
Auflösung der Kreis- und Oklogonform hat
übrigens die eindringende Kreuzgestalt centraler
Kirchen wesentlich beigetragen. Doch klingt
auch in dieser Klasse die alte Tonart fort. So
war die Ulrichskirche in Goslar im Ober-
geschofs wieder in das Oktogon übergeführt
und wahrscheinlich mit einem Kernthurm ver-
sehen, während die Liebfrauenkirche in Kal-
iundborg mit fünf Zinnenthürmen, einem über
der Vierung und vier auf den Kreuzenden, be-
wehrt ist.
 
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