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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Bergner, Heinrich: Befestigte Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0156

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235

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. — Nr. 8.

236

auch vereinzelt durch vorgekragte Gufs- und
Schiefserker bewerkstelligt. In Dienstädt bei
Kranichfeld, S. W., ist diese Konstruktion in
Stein ausgeführt und zwar nur nach der Süd-
und Nordseite. Der mittlere Theil der Mauer
setzt hier im Innern merklich ab, sodafs die
Auflager eines Holzbodens bequem eingezogen
werden konnten. Nach aufsen ist ein mit
Schlitzen und Gufslöchern versehener Erker um
40 cm vorgekragt, leider seiner bezeichnenden
Details fast vollkommen beraubt. In Hausen
b. Arnstadt scheint dieser ebenfalls zweiseitige
Erker in Holz ausgeführt worden zu sein, denn
die grofse Mauerlucke ist nach Abbruch des-
selben einfach mit
Fachwerk ausgefüllt
und nach aufsen ver-
schalt. Da begreif-
licher Weise die be-
festigten Thürme am
meisten vernachlässigt,
überarbeitet und ver-
unstaltet worden sind,
so ist es kein Wun-
der, dafs die dürftigen
und versteckten Reste
leicht ganz übersehen
werden. Gerade bei so
unscheinbaren Mauer-
durchbrechungen und
Vorsprüngen werden
nur Wenige an die ehe-
malige wahrhafte Be-
deutung denken.

Eigenartig ist freilich die Beobachtung, dafs
die zinnengekrönte Plattform wie in Einhausen
und sonst noch in gothischer Zeit erneuert
worden ist und dafs sich daneben schon in
romanischer Zeit eine Thurmendigung findet,
welche keine Spur von Befestigung mehr zeigt.
Es ist die bekannte mit einfach runden oder
gepaarten Fenstern nach allen vier Seiten und
der abgetreppten Giebelaufmauerung wie in
Siiddeutschland, oder dem Zeltgiebeldach wie
in den Rheinlanden. Die Erklärung kann nur
darin liegen, dafs in einzelnen Gegenden und
Orten unter günstigen lokalen Umständen dem
Thurme die schwere Rüstung abgenommen
werden konnte.

III.
Von befestigten Kirchenschiffen ver-
mag ich nur zwei mir näher bekannte Beispiele

Fig. 15. Kirche zu Reinstädt.

zu erläutern. Das erste ist die Kirche zu
Reinstädt, S.A. (Fig. 15). Hier steht zu-
nächst südlich an Schiff und Chor angerückt
ein quadratischer Thurm, der im Untergeschofs
als Sakristei eingerichtet und vom jetzigen Chor
durch eine Spitzbogenthür zugänglich ist. Ueber
dieser Thür ist ein steinerner Auftritt vorge-
kragt, welcher offenbar den alten, gedeckten
Zugang zum folgenden Thurmgeschofs trug.
Dieses hat mehrere runde und schlitzförmige
Schiefsscharten und ist erst 1473 vollendet wor-
den. Das rechtwinklig anstofsende Schiff, im
Mauerwerk vielleicht noch aus romanischer
Zeit, ist an drei Seiten vollständig mit einem
Zinnenkranz umgeben,
der durch einen Hohl-
kehlensims etwas vor-
tritt und mit dem drit-
ten Thurmgeschofs
durch eine Thür ver-
bunden ist. Die West-
front hat das Haupt-
portal, doch ist dieses
durch eine Pechnase,
welche mit schräg
gegen die Mauer an-
laufenden Steinplatten
gedeckt ist, und durch
zwei seitliche schmale
Schiefsscharten in mitt-
lerer Höhe der Wand
und eine dritte seit-
liche fast ängstlich ge-
sichert. Der Dachstuhlx

mit mehreren Inschriften und der Jahres-
zahl 1423 läfst einen 1,50 m breiten Umgang
frei. Das Traufwasser wurde durch Wasser-
speier in den Ecken abgeleitet. Der Thurm
hat, nach dem ringsumlaufenden Sockelgesims
zu urtheilen, einst frei gestanden, nördlich
daran und gegen die Axe des Schiffes um
1 m verschoben, ist ein hoher und weiter spät-
gothischer Chor angebaut. Wie vordem der
Chorschlufs und überhaupt die innere Ein-
richtung war, entzieht sich jeder Vermuthung-
Jedenfalls erhielt sich die Kirche in dem wehr-
haften Zustande bis 1617, wo die Zinnen aus-
gesetzt und der Wehrgang durch Hülfssparren
unter das Dach gezogen wurde.87)

37) Timler, »Ztschr. des Ver. f. Thür. Gesch.
u. A.« XIX. 110.
 
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