Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

DOI Artikel:
Effmann, Wilhelm: Kruzifixus, Christus- und Engelsdarstellungen am Werdener Reliquienkasten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0196

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
295

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

29Ö

aufgetragene Rankenmuster aus dem Ende des
XIV. Jahrh. aufweist.8) Auf dieselbe Periode
weisen auch die Beschläge des Deckels hin.
Es ist damit wohl auch die Zeit festgelegt,
in der die Beinplatten ihre jetzige Anordnung
erhalten haben. Dafs diese nicht die ursprüng-
liche ist, das bekundet die unregelmässige,
vielfach recht rohe Vertheilung der verschie-
denen, des öftern auch verstümmelten, Platten.
Mit diesem Vorbehalte wird man der Ueber-
lieferung, welche den Kasten zu dem hl. Lud-
gerus, dem Gründer des Werdener Klosters in
Beziehung setzt, zustimmen dürfen. Besitzt
die Tradition darin eine Stütze, dafs Ludger
längere Zeit in York zugebracht hat,4) so fin-
det sie auch bei den Archäologen, welche in
den Bild-
werken
nordische
Arbeiten
des VIII.
oder des
IX.Jahrh.er-
blicken, Zu-
stimmung.
Die Bild-
werke las-
sen, so
heifst es im
Kataloge

der Kölner
kunsthisto-
rischenAus-

stellung vom Jahre 1876, „auf ein sehr hohes
Alter (vielleicht Zeit des hl. Ludgerus) und nor-
mannischen Ursprung schliefsen".5) In dem Kata-
log der Ausstellung der kunstgewerblichen Alter-
thümer in Düsseldorf 1880 wird angegeben, dafs
das Werk „auf skandinavischen Ursprung hinweist
und bis in die Zeit des hl. Ludgerus zurück-
reichen kann, mit dem die Tradition es in Ver-
bindung bringt."6) „Skandinavischen Ursprung
vermuthet" auch der Verfasser des Katalogs zur
Ausstellung westfälischer Alterthümer und Kunst-

3) Vgl. Ausstellungskatalog der kunstgewerblichen
Alterthümer in Düsseldorf 1880, Nr. 988, S. 248.

4) Ludger lag unter Alkuins Leitung zu York
4Vj Jahre lang theologischen Studien ob und wurde
dort auch im Jahre 767 zum Diakon geweiht. Vgl.
Diekamp »Die Vitae s. Liudgeri,« (Münster 1881)
S. IX.

') Nr. 1324 S. 130.
°) a. a. O.

Fig. 1. Vorderansicht. (V4 der natürl. Grölse.)

erzeugnisse, Münster 1879, der als Entstehungs-
zeit jedoch seltsamerweise das XII Jahrh. an-
nimmt. 7) Als irische oder angelsächsische Ar-
beiten aus dem VIII. oder IX. Jahrh. endlich
figuriren die Platten in der Beschreibung der
Kunstdenkmäler des Kreises Essen.3) Wenn
die Bildwerke wirklich erst im IX. Jahrh. ent-
standen sind, so würde die Annahme nahe
liegen, dafs das Reliquiar durch einen aus
dem Norden stammenden Mönch nach Wer-
den gekommen ist. Ein bestimmter Grund,
die Ueberlieferung in Zweifel zu ziehen, liegt
indefs nicht vor; die gröfsere Wahrscheinlich-
keit spricht vielmehr dafür, dafs, wie die
Tradition es will, der Erwerb auf den heili-
gen Ludgerus und die Herstellung der Bild-
werke so-
mit auf das
VIILJahrh.
zurückgeht
Von den
Platten
sind, soweit
sie figürli-
che Dar-
stellungen
[ enthalten,
drei auf der
Vorderseite
angebracht.
Eine vierte

befindet
sich auf dem

linken Seitenstück. Die (für den Beschauer)
linksseitige der an der Vorderseite des Kastens
befindlichen Platten mifst 106 mm in der
Höhe bei einer Breite von 51 mm; die mitt-
lere Tafel hat eine Abmessung von 155: 47,
die rechtsseitige endlich eine solche von
95 : 62 mm. In den Kunstdenkmälern des
Kreises Essen heifst es darüber folgender-
mafsen: 1. „Christus bartlos mit Kreuznimbus,
beide Hände flach zur Seite erhebend, langes
Gewand bis zum Knie, unten zwei Drachen,
oben zwei Greife. 2. Christus, bärtig, stehend,
Gewand bis zur Mitte des Oberschenkels, unter

') Nr. 910, S. 76. Nicht minder auffallend ist
es, wenn die dem VI. Jahrh. angehörige Werdener
Elfenbeinpyxis dort ebenfalls als eine Arbeit des
XII. Jahrh. erscheint.

3) Vergl. die dort gegebene Zusammenstellung ver-
wandter Arbeiten.
 
Annotationen