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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Kruzifixus, Christus- und Engelsdarstellungen am Werdener Reliquienkasten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0197

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297

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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seinen Füfsen zwei Drachen, oben zwei Greite.
Die Arme (abgeschnitten) waren ehemals seit-
wärts flach ausgestreckt. 3. Engel, bärtig mit
ausgebreiteten Flügeln, die Hände erhoben, zu
seinen Füfsen zwei Drachen." Von der auf
der einen Schmalseite befindlichen Darstellung
wird dann weiter gesagt: „Vor einer manns-
hohen Hand ein Mann, der vorübergebeugt,
sich das Schwert durch die Brust stöfst."
Dieses Bildwerk nun und, in Verbindung da-
mit, die Mittelfigur sind es, an die in erster
Linie die hier zu gebenden Ergänzungen an-
knüpfen. Dieselben bieten zugleich einen
Beitrag zu einem, nach dem kompetenten
Urtheile von Kraus allerdings noch in weiter
Ferne stehenden, die Kreuzigungsbilder um-
fassenden Sammelwerke.a)

Zunächst sei bemerkt, dafs im Mittelbilde
die Drachen nicht unter den Füfsen des Herrm
sondern zu Seiten desselben, die ganze Höhe
der Unterschenkel einnehmend, angeordnet sind-

9) „Es ist längst", so bemerkt Kraus in seinem an
die Besprechung des Kreuzes von St. Trudpert an-
knüpfenden Aufsatze „ZurKunstgeschichte desKreuzes'
(in der Beilage Nr. 41 der »Allgemeinen Zeitung« 1895),
„ein Desiderium der mit dem Studium der christlichen
Archäologie und Kunstgeschichte befafsten Kreise,
dafs alle diese Denkmäler, soweit sie überhaupt in
Europa erreichbar, und auch die untergegangenen, soweit
uns zuverlässige Kunde von denselben geblieben ist, in
einem Gesammtkodex vereinigt und damit die not-
wendige Grundlage zu einer trotz aller Vorarbeiten
und 'aller, zum Theil recht lobenswerthen Versuche
noch immer ausstehenden Kunstgeschichte und Archäo-
logie des Kreuzes vereinigt werden möchten. Erst
wenn ein solcher Thesaurus vorliegt, läfst sich der
Gegenstand nach allen in Betracht kommenden Ge-
sichtspunkten verfolgen und erschöpfend behandeln.
Diese Gesichtspunkte sind sehr verschiedener Art.
Sie gehören theils der Kulturgeschichte im weitesten
Sinne, theils der inneren Kirchengeschichte, theils der
Kunstgeschichte an. Und hier theilen sich wieder die
Ikonographie und die Technik in das Interesse, welches
die Kunstwissenschaft an der Entwicklung des Kreuzes
und des Kruzifixes hat. —■ Wir sind noch weit ent-
fernt von der Verwirklichung der auf Herstellung
einer derartigen Sammlung gerichteten Wünsche —
Absichten kann man kaum sagen, denn ich wüfste
nicht, wer sich gegenwärtig mit der Sammlung eines
so unermesslichen Materials befassen wollte oder
könnte. Unterdessen mufs jeder Beitrag zu einem
künftigen Sammelwerke dieser Gattung willkommen
geheifsen und als nützlicher Baustein begrüfst werden."
Eine instruktive, trefflich orientirende Uebersicht
über die Kunstgeschichte des Kreuzes gibt Kraus
in seiner «Geschichte der christlichen Kunst« 2. Band
(Freiburg i. B. 1897) S. 310 ff.

Aufser den Greifen zu Häupten der Figur
zeigen sich aber als weitere Thierbilder noch
zwei Fische, die aufwärts gerichtet zur Brust-
höhe des Gekreuzigten emporreichen. Weiter
ist hinzuzufügen, dafs die Darstellung auch mit
einer Inschrift versehen ist; aus drei in die
Arme des Kreuznimbus eingetieften Buchstaben
R-E-X. bestehend, bildet sie die auf ein
einziges Wort beschränkte Titelinschrift, die
den Gekreuzigten als den Herrn und König
bezeichnet.

Von gröfserer Wichtigkeit ist dann aber
die Feststellung, dafs der eine der fehlenden
Kreuzarme noch jetzt, und zwar an dem Reli-
quienkasten selbst, erhalten ist.

Es ist das jene Platte, die vor einer manns-
hohen Hand einen sich das Schwert durch die
Brust stofsenden Mann vorstellen soll. Es
darf gegenüber dieser Deutung zunächst darauf
hingewiesen werden, dafs dieselbe einen Auf-
schlufs über den Gegenstand der Szene nicht
gibt, einen Sinn derselben auch nicht erkennen
läfst. Weist dies darauf hin, dafs in der Dar-
stellung kein selbständiger Vorwurf zu erblicken,
dieselbe vielmehr als ein Theilstück aufzufassen
ist, so ist damit auch dem Suchen nach der Her-
kunft und Zugehörigkeit des Bildwerks die Rich-
tung gewiesen. Ein Blick auf dasselbe zeigt, dafs
sichnichtnur eine Hand, sondern auch ein grofser
Theil des Armes auf der Platte befindet. Des
Weiteren gibt sich dann dieser Arm durch das
der Hand eingeprägte Wundmal als Zubehör
eines Kruzifixus zu erkennen. Ist es nun da-
durch, zumal das Wundmal auf das genaueste
mit den Zeichen übereinstimmt, die bei der
Christusfigur die Wundmale darstellen, schon
nahegelegt, an einen der unserem Bildwerke
fehlenden Arme zu denken, so erheben eine
Reihe weiterer Merkmale diese Annahme zur
vollen Gewifsheit. Hierhin gehört zunächst
der Umstand, dafs die Abmessungen des Kreuz-
armes und des Mittelbildes an der entsprechen-
den Stelle genau übereinstimmen. Wie die Ab-
bildungen zeigen, sind die sämmtlichen Figuren-
platten von einem schmalen Steg umrandet.
Dieser Steg fehlt bei dem Mittelbilde an den
Stellen, wo ehemals die Arme ansetzten. Die
Höhe dieses fehlenden Stegstreifens beträgt
47 mm. Die Kreuzarme müssen somit ein-
schliefslich der beiden 1,5 mm messenden
Stege eine Breite von 47 + 2 • 1,5 = 50 mm
gehabt haben. Die als Kreuzarm in Anspruch
 
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