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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Kruzifixus, Christus- und Engelsdarstellungen am Werdener Reliquienkasten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0198

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299

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

300

genommene Platte mifst nun 48 mm; es fehlt
aber der obere Steg. Hierfür mit Einschlufs
des Sägeschnittes ein Mafs von 2 mm ange-
nommen, ergibt für die Armbreite eine Ab-
messung von 48 + 2 = 50 mm, also voll-
ständigste Uebereinstimmung. Auch die beider-
seitigen Darstellungen passen genau zusammen,
Allerdings fehlt zu dem Fische, der sich auf
dem Querbalken über dem ausgestreckten
Arme zeigt, auf dem Mittelstück der zuge-
hörige Kopf. Dafs ein solcher aber vor-
handen gewesen ist, das bekunden die noch
deutlich wahrzunehmenden Abbruchsteilen. Er
findet aber aufserdem auf der anderen Seite
ein noch wohlerhaltenes Gegenstück. Weiter
pafst der Arm des Querbalkens genau an den
Armansatz auf dem Mittelbilde. Die als Schwert
bezeichnete Waffe endlich
findet ebenfalls auf diesem
Mittelstück ihre Ergänzung.
Dieselbe läfst zugleich klar
erkennen, dafs hier eine
Lanze in der ihr charakte-
ristischen Form dargestellt
ist. Da der dem Manne zu-
gewendete Theil derselben
somit nicht die Spitze, son-
dern den Schaft der Lanze
bildet, so fällt auch die
Annahme dahin, dafs der
Mann sich die Waffe durch
die Brust stöfst. Aus dieser
Feststellung ergibt sich die Erklärung für den
Inhalt des Bildwerkes.

Es kann in dem Lanzenträger nur der Kriegs-
knecht erkannt werden, der dem Heiland mit
dem Speere die Seite öffnet. Seine Stellung
zur Rechten des Gekreuzigten entspricht der
üblichen Anordnung. Der Grund dafür, dafs
der Kriegsknecht auf dem Boden liegend
dargestellt wurde, ist darin zu erblicken, dafs das
Bild in dem Kreuzbalken selbst, also in einem
eng umgrenzten Rahmen untergebracht werden
mufste. Die Haltung des die Hände flehend
erhebenden, die Lanze senkenden Mannes
erinnert dabei auffallend an die Legende,
welche den Soldaten erblinden und durch
das der Wunde des Herrn entströmende Blut
wieder sehend werden läfst. Auch der Um-
stand, dafs der Lanzenschaft durchbrochen
dargestellt ist, würde sich dieser Symbolik ganz
anpassen.

Fiff. 2. Seitenansicht.
(Vi der natürlichen Gröfse-)

In Fig. 4 ist nun eine Rekonstruktion des
Bildwerks gegeben, in welcher das den rechten
Arm des Gekreuzigten enthaltende Stück des
Querbalkens dem Mittelstück angesetzt worden
ist. Eine Ergänzung hat dabei nur insofern
stattgefunden, als der fehlende obere Steg bei-
gefügt und ebenso auf dem Mittelstücke der
fehlende Fischkopf eingezeichnet worden ist.
Darf die Rekonstruktion dieser Seite des
Querbalkens als eine völlig sichere gelten,
so sind wir dagegen bei der rechten Seite in
einem Hauptpunkte der Darstellung ohne feste
Stütze. Die Ergänzung ist aber gleichwohl
vorgenommen worden, weil sich nur auf diese
Weise von der Gesammtgestaltung ein an-
schauliches Bild gewinnen liefs. Ich habe
mich im Wesentlichen darauf beschränkt, ein
Spiegelbild der erhalten ge-
bliebenen Seite des Quer-
balkens zu geben. Wenn das
verlorene Stück auch in Ein-
zelheiten davon abgewichen
sein mufs, so kann es aber
keinem Zweifel unterliegen,
dafs die allgemeine Anord-
nung damit im Wesentlichen
zutreffend wiedergegeben ist.
Abgesehen von dem Arme,
der durch das Ansatzstück
auf den senkrechten Balken
genau fixirt ist, erscheint
es zunächst klar, dafs der
auf der anderen Seite über dem Arme ange-
brachte Fisch hier sein Gegenstück hatte. Die
Abmessungen des auf dem Mittelstücke von
ihm erhalten gebliebenen Kopfes passen aber
nicht ganz zu dem Rumpfe des Fisches
auf der anderen Seite des Querbalkens.
Sie sind erheblich kleiner, weisen also da-
rauf hin, dafs hier ein Fischkörper von
schlankerer Form eingezeichnet gewesen ist.
Es stimmt damit überein, dafs die Ueber-
tragung des Kreuzstücks als Spiegelbild in der
durch den Armansatz des Gekreuzigten be-
dingten Höhenlage etwas zu viel nach oben
hinaufrückt. Bei dem in Verlust gekommenen
Stück des Querbalkens ist also der Raum ober-
halb des Armes etwas schmaler, unterhalb
desselben etwas breiter gewesen. Für eine
in die Einzelheiten gehende Ergänzung der
Figur liegt dagegen kein Anhalt vor; die-
selbe hat sich deshalb lediglich auf eine
 
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