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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Schubring, Paul: Die primitiven Italiener im Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0244

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379

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

380

des Petrus, mit hellem Rot und leuchtendem
Gold, die weifse Schärpe mit schwarzen Kreuzen
besetzt. Das Bild bildete ursprünglich wohl
den Aufsatz einer größeren ancona; es mag
um 1400 gemalt sein.

Die Pisaner Schule des Trecento kann sich
durchaus nicht mit der in Siena vergleichen
Alle Bemühungen Supinos, in seinem Buch
über den Campo Santo (Firenze, Alinari) eine
bedeutende Pisaner Lokalschule im Anschlufs
an Jacopo Traini zu konstruiren, sind als ge-
scheitert anzusehen. Es bleibt ja sonderbar
genug, dafs eine Stadt, die in ihrem Campo
santo die bedeutendsten Fresken des ganzen
Trecento birgt, keine eigene Schule gehabt
haben soll. Und doch ist es eine Thatsache.
Wir können das an einem Punkt genau nach-
weisen. Als 1378 Andrea da Firenze die drei
oberen Rainerfresken beendet hat, wird er
entlassen — vermuthlich weil er nicht genügte,
oder er ging freiwillig, weil er in Florenz
die spanische Kapelle zur Ausschmückung er-
hielt. 15) Nun sucht man nach einem Künst-
ler, der die Legende des Rainer fertig male.
Man bittet zuerst Barnaba da Modena, der sich
damals schon in Genua aufhielt; er kommt
nicht. Dann wendet man sich an Antonio
Veneziano, der die Erwartungen glänzend
rechtfertigt. Beide sind Nichtpisaner; warum
wandte man sich nicht an Einheimische? Man
denke sich, in Florenz wäre diese Aufgabe frei
gewesen — wieviel Hände hätten sich ge-
rührt ! Wäre der Meister des trionfo della
morte ein Pisaner, also Jacopo Traini, wie Su-
pino will, so wäre es räthselhaft, wie etwa zwanzig
Jahre später in Pisa alle Malkunst erloschen
sein sollte. Wie bescheiden müssen die An-
sprüche der Pisaner gewesen sein, wenn ein
Turino Vanni aus Rigoli am Ende des Jahr-
hunderts dort „blühen" konnte. Man sehe
sich das Bild im Louvre an, das stolz signirt
ist: Turinus Vanniis de Pisis me pigsit. Es
fehlt alles, was irgendwie fesseln könnte. Es
fehlt der Raum, der Thron, die Tiefe in dem
Madonnenbild. Die Gestalten sind fett und
öde; weder Zierlichkeit noch Gröfse. Das mit
dem Hemd bekleidete bambino segnet mit der
Rechten und hält in der Linken zwei sehr
heterogene Gegenstände: ein Rothkehlchen und

16) Den Nachweis, dafs diese spanische Kapelle
erst nach 1378 ausgemalt worden ist, hoffe ich an an-
derer Stelle bald fuhren zu können.

eine Rolle mit der schweren Theologie der
Aquinaten : ratione cuncta gubernatio. Weiter
kann man die Gedankenlosigkeit doch nicht
treiben.

Man sieht, Pisa hat seine Rolle damals
längst ausgespielt. Das XI.—XIII. Jahrh. sind
seine goldene Zeit; im XIV. führt Siena, im
XV. Florenz.

Ganz besonders selten sind venezianische
Trecentotafeln. Venedig berauscht sich damals
noch ausschliefslich am Mosaik und Glas. Mifs-
trauisch gegen jeden Import, stolz auf seine
Wasserisolirung und auf seine grofse Ver-
gangenheit, gestattete es z. B. dem jahrelang
in Padua thätigen Giotto, um den sich ganz
Italien rifs, auch nicht einen Pinselstrich. Die
tüchtigen Veroneser, Altichiero und die Seinen,
sind nicht über die Lagune gedrungen. Als 1365
die Hauptwand des grofsen Saals im Dogen-
palast bemalt werden soll, ist kein einheimischer
Freskomaler aufzufinden; Guariento wird wohl
oder übel berufen. Ein so Hochbegabter wie
Antonio Veneziano verläfst Venedig, da es
ihm hier an Aufträgen fehlt. Was Venedig
an Madonnenbildern damals leistete, zeigen
die beiden Madonnen des Stefano (?) und Lo-
renzo Veneziano. Die erstere Nr. 405 (1541)
ist von 1353, die andere, ohne Nummer (über
1150 hängend) hat die volle Bezeichnung:
MCCCLXXII mese Sepiebris Laurecius de Ve-
neiis pisit.

Wer hätte 1353 in Florenz noch solche
altfränkischen Madonnen zu malen gewagt, wie
die des sog. Stefano? Alles ist noch Symbol
und nichts ist wirklich. Kein Körper, keine
Gesten, keine Handlung. Dafür viel Gold,
viel Feierlichkeit, viele Muster. Nichts blüht,
alles ist erstarrt in goldener Feierlichkeit.

Dagegen ist Lorenzo warm, blühend, leuch-
tend; er modellirt mit dem Licht. Seine Ma-
donna sitzt unter einem zierlichen Tabernakel,
dessen Architektur mit Balkon und Loggia,
mit Thürchen und Thürmchen eine echt vene-
zianische Architektur zeigt, wie sie ähnlich auf
einer Verkündigung in der Sammlung R. von
Kaufmanns in Berlin wieder kehrt. Freilich
bleibt auch dieser Lorenzo noch ganz im De-
korativen stecken.

Ueber den heiligen Ludwig von Toulouse
(Nr. 55 resp. 1152) hat E. Bertaux bereits in
der »Revue d.d.m.« 1900 geschrieben; er gehört
der Neapeler Schule um 1360 an.
 
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