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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Buchner, Otto: Werke des mittelalterlichen Bronze-Gusses im Erfurter Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0099

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155

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

156

Beatrix und Adelheid II, gefertigt rund um
1130, (vergl. Ad. Goldschmidts Unter-
suchungen im Jahrbuch der kgl. preufs. Kunst-
Sammlungen, 1900, S. 225 ff.) hat der Wolf-
ram das Heraustreten der Kniee und un-
schöne Vorstehen des Leibes gemeinsam.
Weiter kommt als datierbares Monument zum
Vergleich in Betracht die obenerwähnte Grab-
figur Friedrichs von Wettin (t 1152).
Früher als Ausgang des XL Jahrh. darf also
die Entstehung des Wolfram nicht angenommen
werden. Für diese Datierung spricht vor allem
die Gewandbehandlung.

Merkwürdig ist die Unfreiheit, wie dort
die Kleidung auf dem
Körper sitzt. Man hat an-
scheinend im XII. Jahrh.
die Figuren nur in allge-
mein grofsen Flächen mo-
delliert und dann in an-
deutender Weise die Ge-
wandung in ziemlich pa-
rallelen und strengen Stri-
chen in das Material selbst
hinein geritzt, statt etwa
die Gewandung auf oder
über zu modellieren und
plastisch aufzutragen. Diese
Eigenart zeigt vor allem
noch der Unterkörper
Wolframs. Der Oberkör-
per selbst ist anscheinend
vorgeschrittener, aber nur
anscheinend, indem der
Künstler, um eine Stoff-
Differenzierung zu errei-
chen, stärkere Plastik suchte. Aber er er-
reichte nur eine weiche, wulstige, recht un-
klare und unbestimmte Behandlung, die leicht
zu Spiralbildungen neigt. Das hat aber seine
Begründung. Es galt, die Gufsnähte — die
Figur besteht aus einzelnen Stücken — zu
verdecken. Ein Teil mufste in den andern
geschoben werden. Daher die Wulste am
Unterrand der Jacke, an Ärmeln und Hals-
ausschnitt, die vielleicht dem Giefser erst
Veranlassung gaben, um sie nicht auffällig
erscheinen zu lassen, sie auch auf die benach-
barten Gewandteile, vor allem die Ärmel, aus-
zudehnen. Der Wolfram verkörpert also den
Übergang von der Manier, die Gewandlinien
nur einzuritzen, in eine neue Richtung, die
mit stärkeren plastischen Wirkungen und Be-

Abb. 3.

wegungen arbeitend, mit dem Ende des
XII. Jahrh. in Sachsen siegreich einsetzt und
die alte Starrheit und den Schematismus der
Gestaltung überwindet. Der Wolfram nähert
sich schon jener neuen künstlerischen Be-
wegung, als deren erstes bedeutenderes Bronze-
werk die Grabplatte des Bischofs Ludolf
oder Wichmann zu Magdeburg in Betracht
kommt, deren Datierung zwischen 1192 und
1205 schwankt. Mit den Magdeburger Güssen
steht der Wolfram anscheinend in enger Be-
ziehung und entstammt, wenn nicht der gleichen
Hand, so doch der gleichen Werkstatt-Tradi-
tion. Zu seiner genaueren Datierung ergeben
sich also die Termine von
1152 bis 1205. In dieser
Zeit mufs das Werk in
einer sächsischen Giefserei
entstanden sein.

Das wird auch nahe-
gelegt beim Vergleich mit
dem leider heute zu
schlecht beleuchteten und
ungünstig aufgestellten ro-
manischen Altar-Auf-
satz, der möglicherweise
einst im alten romanischen
Dom einTympanon füllte.
Das interessante, bei Tet-
tau S. 91 nur ganz unge-
nügend abgebildete Werk
zeigt deutlich alle Merk-
male des XII. Jahrh. Doch
scheint es noch strenger
und herber als der Wolf-

Bronze-Rcliqutar. TT . . . . , , . .

ram. Und doch ist bei der
nahen stilistischen Verwandtschaft garnicht un-
möglich, dafs beide Denkmale zeitlich einander
sehr nahe stehen und dafs die gröfsere Freiheit
des Wolfram nur bedingt ist durch den Zwang
für den Künstler, statt in harten Stein hinein-
arbeiten, hier erst ein Guss-Modell aus Wachs
fertigen zu müssen. Jedenfalls bewegt sich der
Aufsatz künstlerisch in den Bahnen der Sächsi-
schen Plastik, wie sie die Skulpturen zu Qued-
linburg, Hildesheim, Kloster Groningen, Gern-
rode und Magdeburg (Bischof Friedrich) in
einer ganz bestimmten Entwickelungs-Phase
vertreten. Letztere in musterhafter Klarheit
umrissen und die weitere Entwickelung der
Sächsischen Plastik mit überzeugender Klarheit
dargestellt zu haben, ist Adolph Goldschmidts
(siehe oben!) grofses Verdienst.
 
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