Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

DOI Artikel:
Buchner, Otto: Die metallenen Grabplatten des Erfurter Domes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0112

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
175

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

176

lassen, sodafs sie, statt auf der Fufsleiste der
Inschrift zu stehen, gewissermafsen in der Luft
schwebt. Schon aus diesem Grund ist anzu-
nehmen, dafs der Gufs nicht aus Erfurt stammt,
sondern von auswärts.

Allem Anschein nach kommt das Denkmal
aus einer süddeutschen Kunststätte. Nur dort
konnte in Deutschland um die Jahrhundert-
wende ein Werk von solcher Klarheit und Ab-
gewogenheit entstehen. In der Tat findet sich
denn auch in den Domen zu Bamberg und
Würzburg eine Reihe von Grabplatten, die
sichtlich der gleichen Werkstatt entstammen.
Es sind dies in der Nagelkapelle des Bam-
berger Doms die Platten des Georg von
Aufsefs, f 1492, des Grafen Berthold von
Henneberg, f 1495, und des Johannes
Stein, f 1505. Im Würzburger Dom reihen
sich als verwandt an die Denkmäler des Georg
von Giech, f 1501, Martin von der Khere,
fl507, Albert von Bibra, f 1511, und des
Petrus von Aufsefs, ■}■ 1522. Hierzu gehört
auch eine, nunmehr von ihrer Umrahmung ge-
trennte Einzelfigur eines Geistlichen an der
Westwand des Kapitelhauses und das sogen.
Denkmal des Richard von der Khere, -j-
1583, welch letzteres höchst wahrscheinlich bei
der Befestigung an der Wand einen garnicht
zugehörigen Inschriftrand und damit Namen er-
halten hat. Vgl.Repertorium 1901, S.38,Anm.6.

Sind im grofsen Ganzen die obengenannten
Würzburger Platten im Faltenwurf und Behand-
lung der Brokatgewänder reicher gebildet, so
entsprechen die Bamberger Platten in der Zeich-
nung bis fast auf die einzelnen Linien dem
Erfurter Denkmal des Stein. Georg von Aufsefs
hält ebenfalls ein Gebetbuch; die strenge Anlage
der Gewandung, besonders die Gebundenheit
des unteren Saumes, läfst gar keinen Zweifel
darüber, dafs für das eine wie das andere Werk
der gleiche Entwurf verwendet wurde. Zudem
sind die Figuren selbst nur um 1 cm in der
Höhe verschieden. Eine ganz genaue Kopie
dagegen scheint die Platte des Grafen Berthold
von Henneberg zu sein; selbst die charakteri-
stische Knickfalte am Knie fehlt nicht. Abge-
sehen von Wappenverschiedenheiten und Zutat
von Baldachinen ist bei allen diesen Werken
die Übereinstimmung in Anlage und Gesamt-
charakter ganz erstaunlich und nur erklärlich
durch die Annahme des fabrikmäfsigen Be-
triebes einer reichbeschäftigten Giefserhütte.

Inmitten dieser Plattengruppe steht das Er-
furter Werk darin etwas vereinzelt da, dafs es
im Detail am einfachsten gehalten ist. Viel-
leicht hängt es damit zusammen, dafs es zeit-
lich mit an der Spitze der Reihe steht. Noch
fehlt der reiche Wappenschmuck der übrigen
Denkmäler, noch sind die Vierpässe der Ecken
ganz schlicht gegliedert, noch fehlt auch der
Schmuck der Gewänder mit Brokatmustern.
Dadurch, dafs es sich einer ganzen Reihe von
Monumenten eingliedern mufs, sinkt natürlich
seine Bedeutung, aber auch das nur bedingt,
denn es entstammt ohne Zweifel der Peter
Vischerschen Giefshütte.

Hier sind fabrikmäfsig zu ziemlich geringen
Preisen zahlreiche Grabdenkmäler für Dom-
herren etc. ausgeführt worden. Schon Bode
(»Deutsche Plastik« S. 143) wies „mit gröfster
Wahrscheinlichkeit" diese Werke Vischer und
dessen Söhnen zu, was Justi in seinen Vischer-
Studien (Repert. 1901) schlagend bewies durch
Vergleichung der verwendeten Brokatmuster.
Aber selbst wenn diese neuen wichtigen For-
schungen nicht vorlägen, würde doch aus
stilkritischen Gründen die Erfurter Platte in
das Werk Vischers einzugliedern sein. Denn
es ergeben sich unverkennbare und naheliegende
Verwandtschaften, sowohl in der Technik wie
in der Auffassung der Persönlichkeit, mit be-
zeichneten Werken des Meisters.

Mit dem zeitlich nahestehenden Denkmal
des Bischofs Johann IV. von Breslau,
1496 gefertigt, hat das des Stein etwas „Un-
lebendiges" in Kopf, Augen und Händen ge-
meinsam. Wie dort, so scheint auch hier der
Körper zu gedrungen, der Kopf zu tief in den
Schultern steckend und die Oberarme etwas
zu kurz. Kein Wunder, dafs Lübke (P. Vischer)
in dem Werk ein „tieferes Verständnis der
Form" vermifste, ein etwas scharfes Urteil, das
jedoch auch dem Denkmal des Stein gegenüber
angewandt werden könnte. Doch mag zur Ent-
schuldigung Vischers dienen, dafs er, der
Besseres leisten konnte, dort, wo er an be-
stimmte festformulierte Aufgaben gebunden war,
wie sie die Grabplatten boten, nur das gab,
was vom Besteller verlangt wurde. Typisch
hierfür sind ja die Platten der drei Bamberger
Bischöfe Heinrichs III., Veits I. und
Georgs IL, die in der Gufstechnik und auch
der Gröfse wie Vorstufen der Denkmalsreihe
der Domherren in ihrer fabrikmäfsigen Ver-
 
Annotationen