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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Kleinschmidt, Beda: Zwei mittelalterliche Elfenbeinkämme
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0037

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41

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Heribert - Kamm
eine vorzügliche

der Blattverzierung auf der Rückseite weist
auf die Metzer Schule hin, die nach Swarzenski
»eine Ausbildung des Pflanzenornamentes zu
einer von aller äußerlichen tektonischen
Gebundenheit an Initial- und Architektur-
formen losgelösten Freiheit und Selbständig-
keit von hervorragender Schönheit" zeigt,
wie sie „uns sonst nirgends begegnet*'.11)
Ein so großzügiges, elegantes Ornament, wie
auf unserm Kamme, wird man auf andern
Arbeiten dieser Zeit kaum finden.

Alles in allem darf
der
als

Arbeit der Metzer
Schule bezeichnet wer-
den, die wir indes
nicht mit Westwood
in das IX., sondern
um die Mitte des X.
Jahrh. datieren und
in die Nähe des Adal-
bero-EIfenbeins (942)
im Städtischen Muse-
um zu Metz rücken
möchten.

Weniger haben wir
über den zweiten
Elfenbeinkamm im
Kölner Kunstgewerbe-
Museum zu sagen.
Wenngleich ohne reli-
giöse Darstellungen
dürfte doch auch er
von vornherein für
den liturgischen Dienst
bestimmt gewesen sein.
Er zeigt ebenfalls eine
lyraähnliche Gestalt.
Die 50 Zähne sind

enger und feiner als bei dem Heribert-Kamme.
Eigentümlich ist die Verzierung der tief ein-
geschnittenen Handhabe. Die beiden Hörner
sind in geschickter Weise in den Vorderteil
eines phantastischen Tieres umgestaltet, das
vielleicht als ein Pegasus zu denken ist, wie
Westwood annimmt. Die streifenförmige Ver-
zierung am Halse wäre dann als Flügel zu
deuten. Der Hals des Tieres ist mit einem

Abbildung 3.

") vgl- Swarzenski, „Die karolingische Ma-
lerei und Plastik in Reims", in >Jahrb. d. Kgl. Preuß.
Kunstsammlungen« XXIII (1902) 97.

Laubgewinde verziert, das aus einer Wurzel
unterhalb des Vorderfußes hervorwächst. Den
obern Abschluß der Stirn bildet ein zopfartiger
Haarbüschel. Aus dem Maule kommt ein
Stengel mit Vierblatt, das in ein lanzettför-
miges Blatt übergeht. Der Raum zwischen
den Beinen der beiden Tiere ist mit Ranken
und Blättern ausgefüllt, die teilweise die Form
des Weinlaubes haben. Der Schnitzer unter-
ließ es nicht, auch hier seiner phantastischen
Neigung Raum zu geben: gegenüber dem
Kniegelenk des rech-
ten Pferdebeines läßt
er das Laub in einen
grotesken Kopf über-
gehen. Was den Ort
und die Zeit der Ent-
stehung dieses Kam-
mes anlangt, so meint
Bock, daß „die Orna-
mente auf einen grie-
chischen Ursprung
hinweisen und von
byzantinischen Elfen-
beinschnitzern gegen
Schluß des X. Jahrh.
angefertigt worden
sind",12) zu dieser
Hypothese hauptsäch-
lich durch den Um-
stand veranlaßt, daß
der sog. Bartkamm
Heinrichs I. im Zitter
zu Quedlinburg das-
selbe „byzantinisieren-
de Fünfblatt" zeige.
Westwood hat ihn als
Kamm Heinrichs IL
bezeichnet und dem
XL Jahrh. zugeschrie-
ben;13) während Molinier ihn früher eben-
falls ins XL Jahrh. versetzte,14) fand er später
im Ornament Anklänge an die Tutilo-Elfen-
beine und er möchte ihn deshalb am lieb-
sten dem X. Jahrh. zuweisen. Es dürfte indes
schwer halten, unsern Kamm mit den Tutilo-
Arbeiten in Verbindung zu bringen, eher
dürften manche Einzelheiten in der Ausfüh-

12) „Das heilige Köln", z. Taf. XLIV.

13) Vgl. Westwood, a. a. O. S 316

l') Molinier, „Catalogue des Ivoires du Louvre1'
(1896) p. 52.
 
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