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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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Der Maler und Radierer Ferdinand von
Lütgendorff, 1785—1858 Sein Leben und seine
Werke von W. Leo Frhr. v. Lütgendorff. Keller
in Frankfurt a. M. 1906. (Preis Mk. 8.)
Das Denkmal, das hier der Enkel dem Großvater
setzt, hat dieser wohlverdient, denn er war ein tüch-
tiger Künstler, namentlich Porträtist, und ein vielseitiger
Techniker, der Öl- und Miniaturgemälde, Radierungen
und Lithographien ausführte. Sein kürzerer oder
längerer Aufenthalt in Erlangen, Prag, "Wien, Preß-
burg, München, Würzburg, Straßburg, Mülhausen
usw. brachte dem vornehmen sympathischen Maler
(der besonders in München und Wien seine Ausbildung
erlangt hatte) mit manchen durch Geburt und Stellung
hervorragenden Männern geistlichen und weltlichen
Standes, namentlich in Österreich und Ungarn, in Ver-
bindung. So groß war sein Ansehen als Bildnismaler,
daß seine Proträts nach Hnnderten zählen, und so enorm
war seine Produktivität auch auf anderen Gebieten,
namentlich dem der religiösen Malerei, daß das am
Schlüsse beigegebene, nach den Zeitfolgen (1800—1858)
der Entstehung geordnete Verzeichnis seiner sämt-
lichen Gemälde, Radierungen, Lithographien usw.
3028 Nummern umfaßt. — Daß bei den biographischen
Angaben über diese Verbindungen auch zahlreiche
Notizen unterlaufen, die einen zeitgeschichtlichen und
kulturhistorischen Wert haben und für Sammler von
Kunstblättern schätzenswert sind, möge nicht uner-
wähnt bleiben. — Die wenigen eingehefteten Abbil-
dungen vermitteln von der Malweise des Meisters
wenigstens eine annähernde Vorstelluug. D.

Michel Angelo. Ein Beitrag zu seinem Seelen-
leben von Oswald Roeder. — Curt Wigand
Berlin-Leipzig 1907.
Unter diesem Titel verbirgt sich eine Verdächtigung
des bekanntlich unverheiratet und gegen die Frauen
sehr zurückhaltend gebliebenen Künstlerheros, als ob
er perversen Neigungen gefrönt habe. Diese Ver-
dächtigung, die nicht in einer rücksichtslosen Form
vorgebracht wird, sucht der Verfasser abzuschwächen
durch die von ihm als wissenschaftliches Ergebnis ge-
priesene Anschauung, daß solche Neigung nicht, wie
bisher angenommen wurde, ein Laster sei, sondern
nur die Äußerung einer abnormen Gehirnbildung. Zu
ihrer Begründung wird das Leben des ernsten, ein-
samen, frommen Meisters, namentlich in seinen Be-
ziehungen zur männlichen Jugend peinlich untersucht;
aber wir möchten den Gerichtshof sehen, der auf solche
Gründe hin ein anderes Urteil hätte, als das eines un-
bedingten Freispruches. — Die Anhänger der neuen
psychiatrischen Theorie mögen den Bewunderern des
erhabenen Künstlers die Vorliebe für ihren Heros
durch solche befangenen Untersuchungen, wenn sie
auch nicht übel gemeint sein sollten, nicht zu beein-
trächtigen versuchen! tj.

Paul Gerhardts Lieder und Gedichte. Heraus-
gegeben von Wilhelm Nelle. Schloeßmann in
Hamburg 1907. (Preis geb. Mk. 4.)
Als etwas verspätete Festgabe zum dreihundertsten

Geburtstage Gerhardts erscheint diese Sammlung seiner

133 Lieder und Gedichte, die 395 Seiten umfaßt.
Sie ist nach verschiedenen Gesichtspunkten in „Kirchen-
jahr, Sakramente, Glaube, Kreuz und Trost, Lob und
Dank, das Leben des Hauses, Naturleben, Krieg und
Frieden, die letzten Dinge", übersichtlich geordnet,
jedes Gedicht mit dem Entstehungsjahr bezeichnet wie
mit der Angabe dei Melodie. — Neben dem Allbe-
kannten begegnet hier manches Ungeläufige, neben den
vorzüglichsten Leistungen manch schwaches Produkt,
aber in der Zusammenstellung liegt ein besonderer Reiz,
ein anerkennenswertes Verdienst. — Die aus 34 Seiten
bestehende Einleitung: „Der Dichter und seine
Dichtung" macht mit dem Lebenslauf bekannt, der
trotz mancher Aufklärungen noch Dunkles bietet. Die
„Saatzeit" (1607—1647) wird gebildet durch die
Jugend (Gräfenhainichen und Grimma), durch die Studien
(Wittenberg 1628-1642), und die Wartezeit (Berlin

— 1647); die „Erntezeit" bezeichnet die Fülle dichte-
rischer Kraft (—1653), Amt und Haus (Mittenwalde

— 1657), die Höhe des beruflichen Wirkens (Berlin

— 1662), den Abschluß der dichterischen Tätigkeit
(1667— 1669),denstillenLebensabend(Lübben— 1676).

— Dem gemütvollen, sinnigen Dichter fehlte es nicht
an Prüfungen, und ihren Widerhall meint man zuweilen
aus seinen Gedichten zu vernehmen. rj_

Textil Sammlung J. Spengel, München-Wart-
hof. Auktion in München in der Galerie Helbing.
Dienstag den 4. bis Donnerstag den 6. Juni 1907.
Dieser Auktionskatalog in Folio mag hier
besondere Erwähnung finden, weil er eine ungewöhnlich
große und mannigfaltige Sammlung alter Gewebe
und Stickereien an der Hand von zirka 150 vor-
züglichen Abbildungen (im Text und auf 26 Tafeln)
in wissenschaftlicher Beschreibung durch Konservator
Dr. W. A. Schmidt vorführt. — Von 1—127 reichen
die, fast sämtlich gemusterten, Samte des XV.—
XVHI. Jahrh., von 128—585 Brokate, Damaste etc.,
die mit dem XII. Jahrh. (arabisch-sizilianische Manu-
faktur) einsetzen und bis an die Schwelle des
XIX. Jahrh. die Entwickelung ziemlich lückenlos
illustrieren, so daß nur die altorientalische Industrie
unvertreten ist; 586 — 793 die Stickereien vom

XV. bis ins XVHI. Jahrh.; 794—872 die Spitzen
in Klöppel-, Näh-, Häckel-, Strick- und Filettechnik,
sowie die Posamenterien vom XVI. bis ins XLX. Jahrh.;
873—890 orientalische Stoffe und Kleider; 891—935
Nachtrag aus den letzten Jahrhunderten. — Der
Schwerpunkt dieser nur durch vieljährige Mühewaltung
und tüchtige Sachkenntnis erreichten Kollektion liegt
in den vornehmlich italienischen Erzeugnissen des

XVI. und XVII. Jahrh.; als etwas auffällig mag nur
erscheinen, daß die in den letzten Jahrzehnten so zahl-
reich ausgegrabenen ägyptischen Stoffe des rV. bis
VHI. Jahrh. in die Sammlung gar nicht aufgenommen
sind. — Da jede Nummer durchweg korrekt beschrieben
ist (statt: Kappe eines Velum [595] zu setzen: eines
Pluviale!), durchschnittlich jede sechste Nummer ab-
gebildet, so bietet der Katalog eine bequeme Anleitung
zum Studium der Textilien, deren Mustern zugleich viele

dankbare Motive zu entnehmen sind.

Schnütgen.
 
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