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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schmarsow, August: Die Biblia Pauperum Weigel-Felix und der Maler Konrad Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0092

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133

1907.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

134

Nase, der große schräggestellte Mund und der
Spitzbart des Kahlkopfs. Aber ein Blick auf
den Apostel Andreas in Genf beim wunder-
baren FiscÄzug (B. XXI) oder auf den Ruderer
vorn im Nachen erklärt auch dies, wie die
edlere Bildung des Profils bei Christus am
Ufer.

Die alttestamentlichen Szenen darunter stehen
denen des Faksimile bei Weigel und Zester-
mann, von dem ich ausging, sehr nahe. Ein
thronender König sitzt in beiden, doch einmal
rechts, einmal links im Bilde, so daß sie sich
in der Mitte des Gesamtstreifens den Rücken
drehen. Links erhalten die knieenden Männer,
mit Abner an der Spitze vor David, einen
Halt durch die eingestellten Säulen und die
Stirnseite der Halle, die übereck gezeigt wird,
wie der Kerker des Petrus und fast alle Archi-
tekturstücke bei Konrad Witz. Rechts ist gar
außen ein Teil der geschlossenen Wand mit
einem Rundbogenfenster gegeben, und drinnen
die Türöffnung, durch die zwei Begleiterinnen
der Königin von Saba nachfolgen, wieder schräg
hineingeschoben. Ein Paar rechtwinkliger Öff-
nungen mit Steinkreuz zwischen der stehenden
Königin und dem thronenden Salomo, ein
Paar kleiner Fenster und ein einzelnes drittes
hüben und drüben in der Hinterwand dort
übernehmen die Weiterleitung durch den leeren
Zwischenraum, verraten uns aber zugleich, daß
sie in Farben gemalt sich besser machen und
mit den Figuren richtiger auseinandersetzen
würden, als hier in der Gleichwertigkeit der
Umrisse gezeichnet. Sie hat ein Maler gedacht,
der über den Graphiker hinausgewachsen war,
er rechnet mit den Schattentiefen, die er nicht
schraffiert. Die weiten Königsmäntel mit ihren
umränderten Schlitzen und ihrem ausgebreiteten
Faltensockel am Boden werden immer an As-
verus und Esther unter den Gemälden des
Konrad Witz in Basel erinnern, und neuer-
dings drängt das Gemälde in Kreuzenstein mit
<ler gleichen Szene wie hier, Salomo und die
Königin von Saba, zu der Erwägung des Unter-
schieds der freien Körper vor dem Teppich-
grund und der Einstellung in den Innenraum
hier, oder wie das Hereinwallen des Zuges
aufrechter Figuren zur Abwechslung mit den
Knieenden vor David gleich daneben gewählt
und betont ward. Abner und seine Leute
links erinnern an Joseph in Neapel, wenn nicht
an den Kardinal in Genf, der soviel Zeugmasse
des kostbaren Chormantels zur Schau breitet,

daß der Körper darunter zu versinken droht
(B. XXII). Alle Personen haben die schmalen
Schultern wie der hl. Petrus als Schutzpatron
neben dem Prälaten oder wie Christus am
Ufer des Sees; aber auch alle Gewänder deuten
in der Zeichnung die scharfen, oft lang-
gestreckten Grate des Faltengehänges an, denen
wir auf Gemälden des Konrad Witz überall,
z. B. bei David neben der verhängten Sitzbank
stehend, und beim jüdischen Opferpriester
begegnen (B. XXIV u. XXX).

Das zweite Blatt der neuen Abbildungen
bietet ein Beispiel aus der Passion Christi und
schließt mit dem „Gang zur Richtstätte"
unmittelbar an die Dornenkrönung an, die aus
dem Katalog Rud. Weigels bekannt war. Sie
bietet willkommene Gelegenheit, die Verwandt-
schaft mit der schwäbischen Kunst, wie etwa
Hans Multschers von Ulm, zu prüfen. Im
Augenblick aber bleiben wir im Umkreis der
Basler Malerei und sehen uns nach vergleich-
baren Leistungen bei Konrad Witz um. Da
begegnet uns in der Befreiung Petri der Engel
an der Schwelle des Kerkers, dessen vornüber
gebeugte Haltung beim Lösen des Halseisens
der sonst natürlich wieder abweichenden des
kreuzschleppenden Heilands einigermaßen nahe-
kommt, und die Engelfigur vorn am Throne
Marias (B. XXII). Das geneigte Haupt des Dorn-
gekrönten läßt sich indes mit dem des schla-
fenden Petrus einerseits und dem der blinden
Synagoge (B. XXIX) andrerseits zusammen-
bringen. In umgekehrter Richtung dagegen
zeigt sich der unter seiner kleinen Last so
unwahrscheinlich gebückt dahersteigende Chri-
stophorus (B. XXXI), der das Knäblein auf
seiner Schulter immer schwerer werden fühlt,
und bei jedem Schritt im Wasser fürchtet,
vornüber zu stürzen, so daß er unwillkürlich
die linke Hand in horizontaler Haltung aus-
streckt. Da freilich ist auch die Wiedergabe
des unedleren Gehabens in dem ganzen Mann
ein Hindernis der Übereinstimmung, die sich
mehr auf die Gesamthaltung beschränkt, und
von dieser verdeckt uns das Wasser wiederum
die entscheidensten Teile von den Knieen bis
zu den Füßen. Doch weist sein Mantel wenig-
stens noch verwandte Faltenlagen auf. Das
schräg gestellte und in allen Einzelheiten merk-
würdig spitz geschnittene Profil des Kopfes
klingt jedoch auf diesem Blatte (D. 2) mehr-
fach an, im selben Vorgang sogar beim Kriegs-
knecht mit der Lanze im Rücken Christi. Den
 
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