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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Doering, Oskar: Der romanische Grabstein in Altenplathow
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0121

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr.

daß schon durch die Seltenheit des Vor-
kommens derart früher figürlicher Skulptur-
werke dem Steine ein ungewöhnlicher Wert
zukommt. Nur sehr wenige Arbeiten aus
gleicher Zeit, fast gar keine aus früherer hat
die Provinz Sachsen aufzuweisen, und es ist
darum dringend zu wünschen, daß der Grab-
stein so bald als möglich aus
seiner jetzigen Stellung an
der Außenseite der Kirche
entfernt und unter Dach und
Fach gebracht würde. Die
passende Stelle dafür wäie
zweifellos das neue Magde-
burger Museum, welches da-
durch eine Kostbarkeit ersten
Ranges erlangen würde, ob-
schon die Ausführung nicht
viel mehr als handwerklich
ist. Das wird alsbald klar,
wenn man die Figur mit
den sonst aus gleicher Zeit
und Gegend erhaltenen ver-
gleicht. (Vgl. für einzelnes
A. Goldschmidt, Studien z.
Gesch. d. sächs. Skulptur.
Berlin 1902.) Hierfür kom-
men in Betracht: die Figuren
des Osterleuchters von Jeri-
cho w (Wernicke, Bau- und
Kunstdenkmäler des Kreises
Jerichow, Abbild. 104), die
Figurenreliefs aus Kloster
Groningen, die Reliefs vom
Alslebener Taufstein in Gern-
rode, die Bischofsgräber aus
dem Magdeburger und Naum-
burger Dome, die Stuckma-
donna und der Leuchterhalter
im Dome zu Erfurt, und
dann vor allem die ältesten
Grabtafeln in der Schloßkirche
von Quedlinburg und die
Engelsfiguren im Magde-
burger Domremter. Von ihnen allen nehmen !
die zuletzt genannten den höchsten künst-
lerischen Rang ein. Welchen Schatz würde
die deutsche Kunst an diesen in der Kunst- j
geschichte so gut wie unbeachteten Stücken
haben, wären sie nicht sämtlich durch Ab-
schlagen der Köpfe so jämmerlich ver- |
stümmelt. Zu verwundern und froh zu be- !
grüßen ist es, daß man sich bei der Zerstörung •

hierauf beschränkt und die herrlichen Figuren
im übrigen unbeschädigt gelassen hat. Sie
stehen in der Durchführung der Gewandungen
den Bischofsgrabplatten des Magdeburger
Domes nahe, übertreffen sie aber durch An-
mut und Leichtigkeit der Bewegung, und durch
die Weichheit der Linienführung. Und das,
obwohl sich bei ihnen ein
archaistischerer Zug geltend
macht als bei jenen. Wenig-
stens ist das bei einigen der
Fall; daß sie alle von der-
selben Hand herrühren, möch-
te ich bezweifeln.

Mit diesen klassisch vollen-
deten Werken kann sich der
einfache Mann von Alten-
plathow nicht annähernd ver-
gleichen. Auch daraus möchte
ich schließen, daß er eine
Persönlichkeit war, die nicht
so bedeutend gewesen ist,
daß man um ihretwillen einen
Künstler ersten Ranges hätte
beschäftigen mögen. Sieht
man ihn aber genauer an,
so gewahrt man, wie sich in
der Zeichnung und Durch-
führung eine Anzahl von
Zügen findet, die aus der-
selben Schule hervorgegangen
sein müssen. Ist auch betreffs
des Kopfes leider kein Ver-
gleich möglich, so doch be-
treffs der Gewandung. Die
Fältelung der Unterarme!
wiederholt sich bei mehreren
der Engelsfiguren, sie ist über-
haupt typisch sächsisch-thü-
ringisch. Die Gürtung und
Bauschung des Obergewandes
ebenfalls. Desgleichen finden
wir zu wiederholten Malen
bei den Engeln die kreis-
runde Herausdrückung der Knie, die durch
eine doppelte Linie umgeben sind, und von
denen die Falten des hängenden Gewandes
spitzig parallel abwärts laufen. Bei dem
einen der vorher erwähnten Engel sieht man
unterhalb des rechten Knies eine Querfalte,
die den Werken der damaligen sächsischen
Schule offenbar typisch ist; sie findet sich
ganz entsprechend auch auf zweien der
 
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