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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Wulff, Oskar: Der Madonnenmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0131

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199

1907.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

200

Der Individualität entsprechend sucht unser
Künstler auch das Inkarnat in der Farbe ab-
zustufen. Blaßrosig ist das der Mutter und
des Kindes gehalten mit lieblich geröteten
Wangen; einen dunkleren und gleichmäßigeren
Fleischton hat er Laurentius gegeben, bräun-
lich, fast lederfarben sieht die verwitterte Haut
des Greises aus. Die gesamte übrige Farben-
gebung ist volltönend, aber mit echter kolo-
ristischer Empfindung abgestimmt. Der tief-
blaue Mantel Marias mit reichem Goldsaum
umschließt nicht hart absetzend, sondern in
sanfterem, durch das umgeschlagene dunkel-
grüne Futter vermitteltem Übergange ihr gold-
durchwirktes lichtgelbes Kleid und das mit die-
sem in Chromgelb mit roten Schatten zusammen-
klingende Gewand des Kindes. Um diesen
mildernsten Hauptakkord halten sich die Farben
der Nebenfiguren das Gleichgewicht, bei den
Engeln in reiner Symmetrie mit der aufsteigen-
den Abfolge von Rosa, Grün und Kobalt-
blau über Chromgelb, bei den Heiligen in
freierer Responsion. Andreas trägt über dem
dunkelrosa Untergewand einen smaragdgrünen
Mantel mit zinnoberrotem Futter, Laurentius
über dem roten Diakonengewande einen rosa-
farbenen, grüngefütterten. Das Zinnoberrot
mit Goldmuster des Bodenstreifens bildet für
beide die Kontrastnote. Dieselben gesättigten
Farbentöne beherrschen auch die beiden kleinen
Predellenszenen, — nicht zum Vorteil ihrer
Wirkung, um so mehr, als hier das Blau ganz
ausfällt und zum Teil recht harte Kombi-
nationen von Rosa und Rot, Grün und Gelb
entstehen.

Der Meister beweist in diesen einzigen
erzählenden Stücken, die wir von ihm be-
sitzen,2) keine bedeutendere selbständige Ge-
staltungsgabe. In der Marter des Laurentius
sind die Hauptmotive teils traditionelle, wie
das Zuschütten der Kohlen und das Anblasen
der Flammen, teils nicht sehr glücklich er-
funden. Die Geberde, mit der er den Schergen
zu seinen Füßen bedeutet, daß ihn die Glut
nicht schmerze, und seine bequem hinge-
lehnte Lage gibt dem "Vorgang einen unfrei-

2) Das weiter u. (Anm. 11) angeführte Altenburger
Abendmahlsbild kann ich mich nicht entschliessen, als
Arbeit unseres Meisteis anzuerkennen. Es erschien
mir in Übereinstimmung mit Schmarsow, a. a. O.
S. 176 von einem noch jüngeren Meister (vom Schlage des
Nie. die Lorenzo) herzurühren, wozu auch O. Sirens
Qualifikation desselben besser passen würde.

willigen Zug ins Komische, trotz der dicht
geschlossenen Kriegerschar zur Linken. Bei
der Erweckung eines toten Jünglings durch
Andreas ist der erstere in drei Momenten
dargestellt, umsinkend und von zwei Männern
gehalten, tot am Boden liegend, mit dankend
gefalteten Händen dem Apostel gegenüber in
fast identischer Stellung knieend. Die Gesten
der Begleiter des Andreas geben sich, wie fast
alle schon hervorgehobenen Bewegungsmotive,
leicht als Entlehnungen aus dem Typenvorrat
des Agnolo Gaddi zu erkennen. Nicht ganz
befriedigend im Verhältnis zum kleinen Kopfe
und ohne tieferes naturalistisches Verständnis
ist der tote Christus unter der Madonna be-
handelt. Im tränenlos hinstarrenden Johannes
und vor allem in der stummen, fragenden Ge-
berde der Mutter bewährt der Künstler wieder
seine glücklichere Gabe für den Gefühls-
ausdruck.

Dem Triptychon in Antella lassen sich zu-
nächst ohne Mühe drei kleinere Madonnen-
tafeln in Florenz und Umgebung, zwei große
Altarwerke auswärts und Bruchstücke eines
dritten abermals in Florenz anschließen. Am
leichtesten erkennt man den Meister wieder
in einem ungefähr meterhohen, noch in seinem
ursprünglichen Rahmen erhaltenen Bilde,
(s. Abb, 2), das auf dem Korridor der Uffizien
unter anderen anonymen Tafeln hängt
(Nr. 34B).S) Viel trägt dazu der koloristische
Eindruck bei, der uns wiederum jenes fein
abgetönte Inkarnat und eine ziemlich über-
einstimmende Kombination der leider recht
getrübten Farben zeigt, nur ist Marias Kleid
rosenrot gehalten, und die rosafarbenen Ge-
wänder des unteren Engelpaares heben sich
von blaugrauen der darüber befindlichen, diese
endlich von blaßrötlichen der obersten, wieder
die Krone tragenden Engel ab, denen die
Mäntel fehlen. Sind im übrigen alle fast
ebenso bewegt und um die Hauptgruppe
angeordnet wie in Antella, so zeigt diese
eine wesentlich abweichende Komposition
bei teilweise übereinstimmenden Motiven.
Maria hat sich mit untergeschlagenen Füßen
auf ein Kissen von Goldbrokat niedergelassen,
das auf dem goldgemusterten roten Boden
liegt. Ihre Wendung ist die umgekehrte,
die Haltung der Hände eine etwas tiefere,

8) Das stark verschmutzte Wappen am Sockel könnte
mit Hilfe anderer Indizien über Provenienz und Stifter
vielleicht einmal auch auf die Spur des Malers führen.
 
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