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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Wulff, Oskar: Der Madonnenmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0134

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205

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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reichenden Aufnahme verzichten muß, liegt
in der Einführung des Säugemotivs, und
zwar mit dem typischen, sogar bei den
besten Trecentomeistern vorkommenden Fehler,
daß die Brust zu hoch sitzt und zu klein ge-
bildet ist. Dafür hat der Künstler wieder sehr
hübsch wiederzugeben verstanden, wie die
Mutter sie mit geteilten Fingern preßt und
gleichzeitig mit der Rechten den Säugling
an sich drückt. Und von lebendiger Frische
ist vollends dessen Gebaren, wie er mit der
Linken, von der nur die Finger über der Brust
der Mutter sichtbar werden, selbst nachhilft
und unwillkürlich auch
mit der Rechten zu-
greift. So unklar seine
Stellung mit dem unter-
geschlagenen Füßchen
bleibt, so lebendig wirkt
sie, verbunden mit der
momentanen Herum-
drehung des Köpfchens
zum Beschauer. Die Ge-
sichtsbildung des Säug-
lings ist pausbäckiger,
aber nicht grundver-
schieden von derjenigen
des Kindes inS.Ansano.
Sie bietet einen weiteren
Beweis dafür, daß der
Meister seine Typen
mit einer gewissen be-
wußten Absicht ab-
wandelt.

Die Komposition des
Akademiebildes findet
sich mit der des Trip- Abb. 3. Altartafel in

tychons von Antella wie

zur Bestätigung ihrer Zusammengehörigkeit
vereint in einem zweiten, diesem an ausdrucks-
voller Schönheit fast ebenbürtigen großen Altar-
werk im Dom zu Perugia, das ich nicht ab-
bilden und über das ich leider auch nur un-
vollständige Angaben machen kann.4) Auf
der mittleren Tafel, die noch ihren alten Giebel-
rahmen mit niedrigem Sockel bewahrt, thront
Maria, das Kind säugend, in ganz entsprechen-
der Gruppierung wie auf dem Akademiebilde,
nur spricht sich hier auch in ihrer Zuneigung
eine viel innigere Empfindung aus. Über ihrem

4) Auf Grund flüchtiger Notizen und einer ver-
unglückten photographischen Aufnahme.

Haupte wird die Krone von zwei schwebenden
(mantellosen) Engeln gehalten, und zu beiden
Seiten drängen sich, ganz wie in Antella, zwei
anbetende Engelpaare dicht heran, unterhalb
derselben aber stehen noch zwei Heilige, und
zwar Andreas rechts und —, wenn ich nicht
irre, — Jakobus links. Die beiden Flügel
hängen in einer erneuerten schweren Um-
rahmung, aber an richtiger Stelle daneben,
und zeigen je zwei etwas größere Figuren von
Heiligen, von denen der äußere etwas tiefer
steht und den anderen ein wenig deckt. Es
sind: links ein Bischof oder Kirchenvater mit
Buch in Profilansicht
vor dem ähnlich wie in
den kleineren Altartafeln
dastehenden Täufer, —
rechts zwei Apostel mit
Büchern, von denen
der vordere durch die
Schlüssel und den Kopf-
typus als Petrus ge-
kennzeichnet ist. Er
trägt in typischer Weise
gelben Mantel über
blauem Untergewande.
Im übrigen kommt die
volltönende Farben-
gebung der des Trip-
tychons von Antella sehr
nahe, sie zeigt z. B.
am Jakobus die Kom-
bination von Rosa und
Grün. DieFaltengebung
erscheint noch schwerer
und schleppender.

Daß der Anonymus
öfter Aufträge für die
Darstellung der säugenden Madonna hatte,
bestätigt ein schönes Fragment der Sammlung
Carrand (Nr. 5) im Bargello, das nur noch die
Büste der Madonna mit dem Köpfchen des
Kindes in derselben Wendung wie in den
beiden anderen Darstellungen umfaßt und zur-
zeit mit zwei anderen Bruchstücken offenbar
desselben größeren Triptychons, den Köpfen
eines Mönches (Antonius?) und eines blonden
männlichen Heiligen mit zweigeteiltem Bart
(Jakobus?) in demselben Rahmen vereinigt
ist. Das Motiv wiederholt sich endlich auf
dem dritten erhaltenen großen Triptychon,
dem letzten Werk, das man ohne Schwanken
unserem Meister oder zum mindesten seiner

S. Ansano (Fiesole).
 
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