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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Braun, Joseph: Mittelalterliche Maschenarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0158

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247

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

248

minderung der Maschen beginnt erst nach der
Fußspitze zu.

Wie es scheint, waren in derselben Technik
wie die Delsberger Pontifikalstrümpfe auch
die Caligä angefertigt, welche man in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei
der Leiche des Bischofs Konrad von Stern-
berg (t 1192) im Dom zu Worms antraf.7)
Unterschenkel und Füße waren nach dem Be-
richt über den Grabbefund in offenen unver-
nähten Seidenstoff eingeschlagen und darüber
mit Strümpfen von feiner Maschenarbeit be-
deckt. Leider hat man von den Strümpfen
damals keine Skizze aufgenommen. ' Ein
Pontifikalhandschuh, welcher in der Weise
der Delsberger Strümpfe gearbeitet ist, be-
findet sich in St. Trinitä zu Florenz. Er soll
vom hl. Bernardo degli Uberti (f 1133) her-
rühren. Ob diese Angabe zutreffend ist, mag
auf sich beruhen bleiben. Auch die Reste
von Pontifikalhandschuhen, die man in jüngster
Zeit bei Öffnung und Untersuchung der Gräber
im Königschor des Domes zu Speier bei der
Leiche eines Bischofs aus dem XII. Jahrh.
fand, weisen die fragliche Technik auf. Das-
selbe taten allem Anschein nach auch die im
Dom zu Palermo seiner Zeit bei der Leiche
Kaiser Heinrichs VI. entdeckten Handschuhe,
von denen Bock, Geschichte der liturgischen
Gewänder II, Taf. XIX, 1 nach einem Stiche
vom Jahre 1784 eine gute Abbildung gibt.
Dieselbe deutet so klar auf eine der Technik
der Delsberger Strümpfe analoge Herstellungs-
weise hin, daß kaum ein Zweifel möglich ist,
daß wir auch in den Handschuhen Hein-
richs VI. ein Beispiel derselben zu sehen haben.
Sicher sind in der Art der Delsberger Stümpfe
die Handschuhreste gearbeitet, welche man
zu Speyer bei der Leiche Heinrichs III. (t 1056)
entdeckte, ein bestimmt datierter und zugleich
der ältest bekannte Beleg der Technik.

Eine bildliche Darstellung der Technik ge-
wahren wir bei dem Armreliquiar des hl. Ba-
silius im Schatz der Essener Münsterkirche.8)
Die Hand ist hier ringsum mit horizontalen,
parallelen, fischgratähnlichen Strichreihen ver-
ziert, welche durchaus an das Aussehen der
Delsberger Pontifikalstrümpfeerinnern.Humann

7) A. Schnütgen in »Westdeutsche Zeitschiift«,
Korrespondensblatt VI (1887), Nr. 1, Sp. 8 und
Fr.Schneider, »EinBischofsgrab desXII.Jahrh.« S.9-

8) Abb. bei Humann, »Die Kunstwerke der
Münsterkirche zu Essen« (Düsseldorf 1904) Taf. 39.

sieht in ihnen eine Andeutung des Fleisches.9)
Mit Unrecht. Die schrägen, in der einen Reihe
nach links, in der andern aber nach rechts
laufenden Strichlein deuten die Technik des
Handschuhs an, mit dem die Hand bekleidet
dargestellt ist, das früheste mir bekannte Bei-
spiel einer bildlichen Wiedergabe der Ponti-
fikalhandschuhe. Daß es sich um den Hand-
schuh und nicht um die Hand selbst handelt,
beweist auch der Umstand, daß auf dem Hand-
rücken ein Zierplättchen mit der Dextera Dei
angebracht ist, wie solche auf den Pontifikal-
handschuhen im XII. Jahrh. sehr gewöhnlich
waren. Ferner bekundet solches das als unterer
Abschluß vorgesehene Börtchen, welches damals
bei den pontifikalen Handschuhen ebenfalls
nur selten fehlte.

Eine andere Art von Maschentechnik zeigen
zwei Handschuhe, die in einem Grabe der
ehemaligen Abteikirche St. Germain-des-Pre's
zu Paris gefunden wurden. Der eine derselben
befindet sich gegenwärtig im Clunymuseum.
der andere in der Stadtbibliothek von Amiens,
Nach der Aufschrift des Pariser Handschuhs
und nach Rohault de Fleury10) war das Grab
das des Abtes Morard (990—1014), nach Ch.
de Linas11) dasjenige von dessen Nachfolger
Ingon (1014 bis ca. 1025). Wie indessen
Baraud im Bulletin monumental, Jahrgang
1867 S. 226 nachgewiesen hat, handelte es
um ein viel jüngeres Grab, nämlich um das
des 1334 gestorbenen Abtes Peter von Cour-
palay. Der Handschuh im Clunymuseum ge-
hört der rechten, der in der Stadtbibliothek
von Amiens der linken Hand an. Die Hand-
schuhe sind aus einem feinen Seidenfaden
gemacht. Der schmale Saum am Einschlupf
ist ungemustert, die sehr lange Handpartie
und die im Verhältnis zu dieser auffallend
kurzen Finger sind mit einer durchbrochen
gearbeiteten Musterung versehen. Dieselbe
besteht bei den Fingern aus schräg zur Spitze
hinaufsteigenden Bändern, von denen sich jedes
aus drei durch kleine Löchlein gebildeten Linien
zusammensetzt. Auf dem Handteil stellt sie
Zickzackstreifen dar, welche durch zwei Löcher-
reihen gebildet werden und sich miteinander
zu einem Rautenmuster verbinden. Den Rauten
ist als Füllung ein rautenförmiger Kern ge-
geben. Ch. de Linas nennt die Handschuhe

9) Ebendort S. 291.

'«) »La Messe« VIII, 193.

") »Revue de Part ehret« (1861), 634.
 
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